Nr. 121 / 08.02.2024
Die Preisträgerinnen und Preisträger des „Mosaik-Jugendpreis – Mit Vielfalt gegen Rassismus“ 2024 stehen fest. Insgesamt fünf Projekte, drei davon aus Nürnberg, dürfen sich über einen Preis freuen. Die Preisverleihung findet im Zuge der Internationalen Wochen gegen Rassismus am Montag, 18. März 2024, um 17 Uhr im NS-Dokumentationszentrum München, Max-Mannheimer-Platz 1, statt.
„Wir haben dieses Jahr ein besonderes Jubiläum: Es wird die zehnte Verleihung des ‚Mosaik-Jugendpreis – Mit Vielfalt gegen Rassismus‘ sein“, so Oberbürgermeister Marcus König, der die Preise gemeinsam mit Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter in München überreichen wird. „Seit 2015 vergeben wir den Jugendpreis im Gedenken an die Opfer der rechtsextremen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) in den Städten München und Nürnberg. Die drei grausamen Morde an Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru und İsmail Yaşar sowie der hinterhältige Bombenanschlag auf Mehmet O., den er zum Glück überlebte, werden in Nürnberg nie vergessen werden. Der Mosaik-Jugendpreis lässt uns einerseits der Opfer gedenken und gleichzeitig deutlich machen: Jede und jeder ist aufgerufen, dafür zu sorgen, dass Rassismus, Rechtsextremismus und Menschenverachtung in unserer Stadt keinen Platz haben. Egal ob im Alltag, am Arbeitsplatz, in der Schule oder Ausbildungsstätte – wir alle sind gefordert, Haltung zu zeigen“, sagt Oberbürgermeister Marcus König.
Prämiert werden Projekte, die sich gegen (Alltags-)Rassismus und für einen respektvollen Umgang aller Menschen in der Stadt sowie für Dialog und Begegnung einsetzen und maßgeblich von Jugendlichen und jungen Erwachsenen initiiert, vorangetrieben oder getragen werden. Die Jury setzt sich zusammen aus Angehörigen der Opfer aus Nürnberg und München, jeweils einer Vertretung des Migrationsbeirats München und des Rats für Integration und Zuwanderung in Nürnberg sowie jeweils drei engagierten Jugendlichen aus München und Nürnberg. Die Organisation des Jugendpreises wird gemeinsam von der Stelle für interkulturelle Arbeit und dem Fachdienst Politische Bildung des Pädagogischen Instituts – Zentrum für kommunales Bildungsmanagement der Landeshauptstadt München sowie dem Menschenrechtsbüro der Stadt Nürnberg übernommen. Das Preisgeld von insgesamt 9 000 Euro wird je zur Hälfte von beiden Kommunen finanziert.
Ausgezeichnet werden in diesem Jahr das umfangreiche Projekt der Scharrer Mittelschule in Nürnberg „‚Ich hätte die Mörder sehen können. Vom Hof meiner Schule aus.‘ Aktives Gestalten des Gedenkortes an İsmail Yaşar als Mahnmal und Lernort mit Schüler*innen einer Mittelschule.“, das Schulprojekt „Verschieden sind wir stark! – Der SMV-Projekttag am 16.06.2023“ am Rupprecht-Gymnasium München, das Münchner Tanzprojekt „K A L E I D O S K O P – Knotenpunkte bikultureller Glassplitter vertanzt zu einem interkulturellen polychromen Mosaik“ sowie die zwei ehrenamtlichen Projekte aus Nürnberg „Seenotrettung im Mittelmeer“ und „Realitycheck“.
„Von den insgesamt 14 Bewerbungen um den diesjährigen Preis kamen leider nur drei aus Nürnberg“, berichtet Martina Mittenhuber, Leiterin des Menschenrechtsbüros der Stadt Nürnberg. „Aber dafür können sich auch alle drei Projekte über eine Auszeichnung freuen! An den Projekten zeigt sich auch wieder einmal das große gesellschaftliche Engagement bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in unserer Stadt. Egal ob eine ganze Schule, eine aktivistische Gruppe oder zwei engagierte Podcasterinnen – sie alle stellen sich Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegen. Diese jungen Menschen können sehr stolz auf sich und sollten ein Vorbild für uns alle sein. Als Stadt freuen wir uns, die Arbeit mit den Preisgeldern weiter zu unterstützen.“
1. Preis mit einem Preisgeld von 4 500 Euro:
„‚Ich hätte die Mörder sehen können. Vom Hof meiner Schule aus.‘ Aktives Gestalten des Gedenkortes an İsmail Yaşar als Mahnmal und Lernort mit Schüler*innen einer Mittelschule.“ (Nürnberg)
Das Preisgeld von 4 500 Euro geht an das Projekt der Scharrer-Mittelschule in Kooperation mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Didaktik der Sozialkunde): „‚Ich hätte die Mörder sehen können. Vom Hof meiner Schule aus.‘ Aktives Gestalten des Gedenkortes an İsmail Yaşar als Mahnmal und Lernort mit Schüler*innen einer Mittelschule“.
Im umfangreichen Gedenkortprojekt der Scharrer-Mittelschule gestalten Schüler gemeinsam mit Studierenden eigenverantwortlich und kreativ den Gedenkort für İsmail Yaşar, der 2005 von rechtsextremen Terroristen des NSU in seinem Imbissverkaufsstand in unmittelbarer Nähe der Schule ermordet wurde. Damals waren es Schüler der Schule, die den Ermordeten fanden. Sein Sohn selbst besuchte zu der Zeit die Schule. Der Mord ist bis heute eine verstörende Erfahrung vor allem für die Familie, aber auch für alle Mitglieder der Schulcommunity als auch des gesamten Stadtteil-Umfelds. Das Projekt wird bis heute von folgenden Fragen geleitet: Wie können wir als Gesellschaft mit dieser Tat und den Strukturen rechtsextremer Terrorvereinigungen umgehen? Was können wir aus diesen Erfahrungen lernen? Wie lässt sich das Gedenken an das Opfer mit einer optimistischen Zukunftsperspektive verbinden? Welches sind unsere Bezugspunkte eines werteorientierten demokratischen Zusammenlebens? Das Projekt ist ein Baustein der jahrelangen Menschenrechtsarbeit an der Scharrer-Mittelschule. Kontinuierlich beschäftigen sich Schülergruppen, die SMV und einzelne Klassen mit dem Gedenkort İsmail Yaşars und dessen Kontext. Dabei lag der Fokus besonders auf den Vorstellungen der Schüler, wie sie den Gedenkort wahrnehmen, was sie verändern wollen und welche Elemente sie erstellen und beitragen wollen. Am Tatort hatte die Schule bereits vor vielen Jahren unter anderem bunte Keramikfliesen selbst gestaltet, angebracht und immer wieder erneuert nachdem sie teilweise von Unbekannten zerstört wurden. 2023 entstanden dabei unter anderem eine selbst gestaltete Homepage zu İsmail Yaşar, eine digitale Schnitzeljagd, eine Infotafel am Gedenkort, neue Bepflanzung und Pflege, sowie das Sichtbarmachen aller Opfer des sogenannten NSU auf den Treppen im Eingang der Scharrerschule. Darüber hinaus traten die Teilnehmer in Kontakt mit der Stadt Nürnberg und Oberbürgermeister Marcus König zum weiteren Ausbau des Gedenkens.
2. Preis mit einem Preisgeld von 2 000 Euro:
„Verschieden sind wir stark! – Der SMV-Projekttag am 16.06.2023“ (München)
Das Preisgeld von 2 000 Euro geht an das Projekt „Verschieden sind wir stark! – Der SMV-Projekttag am 16.06.2023“ der Schüler*innenMitVerantwortung (SMV) am Rupprecht-Gymnasium München.
Ausgehend von der Plakette „Schule ohne Rassismus“ des Rupprecht-Gymnasiums hat ein Team aus Schülersprecher, der AG Soziales beziehungsweise SMV und mit Unterstützung der Schulleitung, zwei Lehrkräften und Schulsozialarbeiterinnen sich gefragt, ob die tatsächliche Situation an der Schule diesem Ziel eigentlich gerecht wird und wenn nein, wie sie diesem Ziel besser gerecht werden kann. Als Ausgangspunkt gestalteten die Schüler eine Umfrage, an der sich 129 Schüler von Klassenstufe 5 bis 12 beteiligten. Die Umfrageergebnisse wurden dann als Ausgangspunkt für weitere Maßnahmen genommen. Um den Themen Toleranz und Antidiskriminierung an der Schule noch mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, haben die Schüler Plakate für die Schule gestaltet mit Hilfsangeboten innerhalb und außerhalb der Schule im Falle einer Diskriminierung. Zusätzliche interaktive Plakatwände konnten anonym mit eigenen Erfahrungen in dem Bereich gestaltet werden oder mit unterschriebenen Statements, die sich klar gegen jede Form der Diskriminierung aussprechen versehen werden. Das Schülerparlament gestaltete mit einer langen Vorbereitungszeit den Projekttag „Verschieden sind wir stark!“ und fragte dafür 45 unterschiedliche Experten und Organisationen für das Programm und eine große Podiumsdiskussion mit Teilnehmern aus der Schulfamilie und dem Zeitzeugen Ernst Grube. Der Projekttag soll auch in Zukunft fest im Schuljahr etabliert werden.
3. Preis mit einem Preisgeld von 1 000 Euro:
„K A L E I D O S K O P - Knotenpunkte bikultureller Glassplitter vertanzt zu einem interkulturellen polychromen Mosaik“ (München)
Das Preisgeld von 1 000 Euro geht an das Projekt „K A L E I D O S K O P - Knotenpunkte bikultureller Glassplitter vertanzt zu einem interkulturellen polychromen Mosaik“ von Sophie Haydee Colindres Zühlke und dem Kaleidoskop Dance Project.
Das 45-minütige Tanztheaterstück „K A L E I D O S K O P“ der deutsch-honduranischen Künstlerin Sophie Haydee Colindres Zühlke visualisiert das mehrkulturelle Identitätsgefühl und damit verbundene Konflikte in Menschen mit Migrationsbiografie. Als Performer wirken drei jugendliche Laien zwischen 16 und 23 Jahren mit sowie drei Profitänzer unter anderen Serhat Perhat aus dem deutschen Olympiakader für Breakdance Paris 2024. Das Stück basiert auf den persönlichen Erfahrungen der Darsteller und Choreografin, die aufgrund ihrer Bikulturalität und ihrer Erziehung in Deutschland gemacht wurden. Nach jeder Performance schloss sich ein Nachgespräch mit den Zuschauern an. Ziel des Projekts ist es zu zeigen, dass jeder Mensch mehrere Kulturen in sich tragen und leben kann, ohne dass freiheitliche und demokratische Traditionen und Werte verloren gehen. Durch das Projekt soll mehr Aufmerksamkeit auf innere und äußere Konflikte gelenkt werden, denen Menschen mit Migrationshintergrund häufig ausgesetzt sind.
3. Preis mit einem Preisgeld von 1 000 Euro:
„Seenotrettung im Mittelmeer“ (Nürnberg)
Das Preisgeld von 1 000 Euro geht an das Projekt „Seenotrettung im Mittelmeer“ der Sea-Eye-Lokalgruppe Nürnberg.
Sea-Eye ist eine deutsche NGO, die seit 2015 auf reiner Spendenbasis zivile Seenotrettung im Mittelmeer betreibt. Noch immer versuchen täglich hunderte von Menschen über die gefährlichste Fluchtroute der Welt nach Europa zu gelangen. Die Lokalgruppe Nürnberg, bestehend aus derzeit 20 Personen, gehört zur sogenannten Landcrew von Sea-Eye. In unterschiedlichen Veranstaltungsformaten informiert die ehrenamtlich engagierte Gruppe vor Ort über die Zustände auf dem Mittelmeer und Rettungsmissionen, sammeln Spenden und akquirieren neue Ehrenamtliche, die sich auch engagieren wollen. So wurden in der Vergangenheit bereits ein Konzertabend, Filmabende mit anschließender Nachbesprechung, eine Lesung, Tanzworkshops und ein Spendenlauf erfolgreich durchgeführt. Durch Infostände auf Konzerten und die Teilnahme an Kundgebungen macht die Gruppe immer wieder darauf aufmerksam, dass das Mittelmeer eine der gefährlichsten Fluchtrouten der Welt ist und auch die Menschen in Europa davor nicht die Augen verschließen dürfen. In Schulworkshops versuchen sie gerade bei den Jugendlichen Vorurteile abzubauen und über Themen wie Migration und Flucht aufzuklären.
Anerkennungspreis mit einem Preisgeld von 500 Euro
„Realitycheck“ (Nürnberg)
Das Preisgeld von 500 Euro geht als Anerkennungspreis an das Projekt „Realitycheck“ von Abyan Nur und Cindy Ly Huynh, Radio Z (Rundfunk-Aktionsgemeinschaft demokratischer Initiativen und Organisationen (R.A.D.I.O.) e.V. Radio Z).
Das Podcast-Projekt „Realitycheck“ wird eigenverantwortlich von den Moderatorinnen Abyan Nur und Cindy Ly Huynh gestaltet. Zwischen April und Dezember 2022 wurde jeden Monat eine Sendung produziert und über Radio Z ausgestrahlt sowie auf den Plattformen Mixcloud und Spotify veröffentlicht. Begleitend dazu gibt es einen Instagram-Account. „Realitycheck“ will versuchen die Lücke zwischen dem akademischen Diskurs und echten Lebensrealitäten zu verknüpfen und zu schließen. In der Sendung werden die Leben von verschiedenen Personen mit Migrationsbiographie in Interviews in den Mittelpunkt gerückt. Wer kann was mit welchem Begriff anfangen? Ist jemand PoC, BIPoC, Schwarz, asiatisch, westasiatisch, ostasiatisch, Latinx oder kann der oder die Gesprächspartner mit keinem dieser Begriff etwas anfangen? Jede Folge enthält zudem zwei kurze Erklärungen, die „Realitycheckchen“, in denen akademische Begriffe und Eigenbezeichnungen, die während der jeweiligen Sendung gesagt wurden, verständlich gemacht werden. Der Inhalt und das Ziel des Projekts ist die Bewusstmachung von rassistischen Strukturen und das Durchbrechen dieser. per
Weitere Informationen zum Jugendpreis unter https://www.nuernberg.de/internet/menschenrechte/mosaik_jugendpreis.html