Nr. 800 / 17.07.2024
Mit einer Spielstätte für das Staatstheater Nürnberg und den Ermöglichungsräumen für Kunst und Kultur schafft die Stadt Nürnberg in der Kongresshalle auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände einen neuen, einzigartigen Kulturort, der Aspekte der Erinnerungskultur und der Künste aller Sparten miteinander verbindet. Hier werden die Sparten Musiktheater und Tanz während der Erweiterung und Sanierung des Opernhauses am Richard-Wagner-Platz proben und auftreten. Der Spielbetrieb in der Kongresshalle wird im neu zu errichtenden Ergänzungsbau im nordwestlichen Bereich des sogenannten Innenhofs stattfinden.
Der Nürnberger Stadtrat hat sich in seiner Sitzung am heutigen Mittwoch, 17. Juli 2024, mit großer Mehrheit für die Vergabe des neu zu errichtenden Ergänzungsbaus für die Spielstätte des Staatstheaters Nürnberg in der Kongresshalle an die Georg Reisch GmbH & Co. KG, Bad Saulgau, ausgesprochen. Der dem Angebot zugrundeliegende Entwurf wurde vom Architekturbüro LRO GmbH & Co. KG, Stuttgart, verfasst.
Der Stadtrat folgte mit seinem Votum der am Mittwoch, 10. Juli, verabschiedeten einstimmigen Empfehlung der Opernhauskommission.
Oberbürgermeister Marcus König begrüßt die Entscheidung des Stadtrats: „Mit seinem Votum hat der Stadtrat die Weichen für eine Investition in die Zukunft Nürnbergs gestellt: Mit Unterstützung von Bund und Land schaffen wir in und an der Kongresshalle ein einzigartiges Kulturbauvorhaben. Gleichzeitig setzen wir strategisch wichtige Impulse für die Stadtentwicklung im Südosten Nürnbergs in Verbindung mit dem neuen Quartier Lichtenreuth und der dort entstehenden Technischen Universität. So schärfen wir Nürnbergs Profil als lebendige, weltoffene Großstadt, in der Kultur und Wissenschaft einen hohen Stellenwert haben.“
„Nürnbergs Staatstheater besitzt nun eine konkrete Perspektive von dem Ort, an dem künftig ein großer Teil der über 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Nürnbergs größter Kultur-Institution arbeiten und präsentieren werden. Die breite Zustimmung des Stadtrats ist als Votum für den Wert der durch das Staatstheater geleisteten Arbeit zu deuten, besonders aber als ein starkes Commitment im Sinne von Nürnbergs Kunst und Kultur. Heute ist ein sehr guter Tag für ganz Nürnberg!“, unterstreicht Bürgermeisterin Prof. Dr. Julia Lehner.
Das findet auch Staatsintendant Jens-Daniel Herzog: „Der Beschluss ist auch deshalb ein so tolles Signal, weil wir daran sehen, dass Nürnberg nicht nur Ideen, sondern auch den Mut hat, sich in die Zukunft zu bewegen. Das macht viel Hoffnung für die künftigen Entwicklungspotenziale. Das große Engagement auch des Freistaats, des Bundes und der EU zeigt, dass die Zukunft der Kongresshalle überregional und sogar international Beachtung findet. Wir verzeichnen bereits jetzt großes Interesse internationaler Künstlerinnen und Künstler, die sich sehr gut vorstellen können, zukünftig in der neuen Spielstätte tätig zu werden.“
Grundlage für die Entscheidung des Stadtrats war ein europaweites Verfahren, das die gemeinsame Vergabe der Planungs- und Bauleistungen ermöglicht. Solche Totalübernehmer-Verfahren haben sich vor allem bei Großbauprojekten bewährt, weil das Prinzip „Alles aus einer Hand“ eine zügige und effiziente Realisierung von Bauprojekten gewährleistet. Außerdem bieten Totalübernehmer-Verfahren neben der vertraglichen Garantie eines fixen Fertigstellungstermins auch ein hohes Maß an Kostensicherheit, weil die Leistungen zum vertraglich vereinbarten Festpreis vergeben werden.
„Vier Bieter haben finale Angebote abgegeben. Der Zuschlag war vergaberechtlich auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Basis dafür waren die drei nahezu gleichgewichteten Zuschlagskriterien ‚Preis‘ (34 Prozent), ‚Funktionalität‘ (33 Prozent) und ‚Ästhetik und Angemessenheit des Entwurfs unter besonderer Würdigung erinnerungskultureller Belange‘ (33 Prozent). Letzteres berücksichtigt vor allem die Elemente Architektur, äußere und innere Gestaltung, Materialität sowie Aspekte von Städtebau, Denkmalschutz und Erinnerungskultur“, so Planungs- und Baureferent Daniel F. Ulrich.
Ablauf des Vergabeverfahrens
Die Bewertung des Kriteriums „Preis“ erfolgte anhand der Berechnung mithilfe einer mathematischen Formel. Das Kriterium „Funktionalität“ hat ein fachliches Gremium am Montag, 10. Juni, in nicht-öffentlicher Sitzung bewertet. Hier brachten das Staatstheater Nürnberg als künftiger Nutzer sowie externe Fachleute aus den Bereichen Theaterbau und Bühnentechnik ihre Expertise ein.
Die Bewertung des Kriteriums „Ästhetik und Angemessenheit des Entwurfs unter besonderer Würdigung erinnerungskultureller Belange“ oblag einem Gremium, dem Vertreterinnen und Vertreter des Stadtrats sowie externe Fachleute aus den Bereichen Erinnerungskultur, Architektur, Stadtplanung und Denkmalschutz angehörten. Die nicht-öffentliche Sitzung zur Entscheidungsfindung dieses Gremiums hat am Mittwoch, 3. Juli, stattgefunden.
Das Ergebnis der Bewertungen wurde der Opernhaus-Kommission am Mittwoch, 10. Juli, in nicht-öffentlicher Sitzung vorgelegt. Der einstimmigen Empfehlung der Opernhaus-Kommission ist der Stadtrat in nicht-öffentlicher Sitzung am Mittwoch, 17. Juli, mit großer Mehrheit gefolgt.
Informationen über den Entwurf
Im Vergabeverfahren erhielt das Angebot des Bieters Georg Reisch GmbH & Co. KG, Bad Saulgau, die höchste Punktzahl. Der dem Angebot zugrundeliegende Entwurf des Ergänzungsbaus wurde vom Stuttgarter Architekturbüro LRO GmbH & Co. KG verfasst.
Das schwäbische Bauunternehmen und LRO haben bereits bei einigen Projekten erfolgreich zusammengearbeitet, beispielsweise beim Neubau des Münchner Volkstheaters, der Johann-Pachelbel-Realschule in Nürnberg sowie beim Kunstmuseum Ravensburg.
Der Ergänzungsbau umfasst die Bühne, den Zuschauerraum mit 800 Plätzen, den Orchestersaal sowie bühnennahe Funktionsbereiche – also diejenigen Räume, die aufgrund ihrer Größe beziehungsweise zwingenden Nähe zur Bühne nicht im Bestand des Kongresshallen-Rundbaus untergebracht werden können.
„Dem Bieterentwurf gelingt es, die komplexen Anforderungen aus Geschichte und Bestand der Kongresshalle baulich zu lösen“, so Planungs- und Baureferent Daniel F. Ulrich. „Wir wollten bewusst keine sich selbst inszenierende Architektur, wichtig war eine Spielstätte, die sich in den Bestand untergeordnet einfügt. Das gelingt mit dem intensiv begrünten Projekt hervorragend.“
Der geplante Neubau nimmt bewusst die Gegenposition des massiven, hufeisenförmigen Kongresshallen-Torsos ein. Die Kubatur verbirgt sich hinter der Begrünung und verzichtet damit auf eine eigene Architektursprache. Grün entsteht dort, wo vor dem Bau der Kongresshalle eine bewaldete Fläche mit rund 800 Bäumen war.
Durch seine Gestaltung beeinträchtigt der Theaterbau die Wahrnehmung des Kongresshallen-Torsos nicht wesentlich. Bürgermeisterin Prof. Dr. Julia Lehner: „Die Kongresshalle ist Erinnerungs- und Kulturort. Dabei gelingt es dem ausgewählten Entwurf für einen Ergänzungsbau, den Anforderungen des Denkmalschutzes wie denjenigen der Erinnerungskultur zu genügen. Das ist keine geringe Leistung.“
„Der ausgewählte Entwurf für den Ergänzungsbau hat uns vor allem durch seine Funktionalität überzeugt“, ergänzt Staatsintendant Jens-Daniel Herzog. „Er entspricht am besten den praktischen Bedürfnissen, die wir als Theatermacher in unserer täglichen Arbeit haben. Hier werden wir einige Jahre lang für unser Publikum sehr gutes Theater machen können.“
Kosten und Finanzierung
Der Stadtrat hat im Dezember 2022 für den Ergänzungsbau einen Kostenrahmen von 42 Millionen Euro als Kostenobergrenze beschlossen. Dem Budget von 42 Millionen Euro lag die Annahme zugrunde, dass dieses „Interim“ lediglich zehn Jahre genutzt und anschließend rückgebaut wird. Diese Prämisse hat sich jedoch geändert: Die Vorgaben der Förderung nach dem Finanzausgleichsgesetz verlangen eine Nutzungszeit von mindestens 25 Jahren. Dies hat auch Konsequenzen für die erforderlichen Qualitäten der Bauausführung – und damit für deren Preis.
Die Marktsignale nach der Veröffentlichung der Ausschreibung haben sehr deutlich gezeigt, dass der Ergänzungsbau mit einer Ausstattung, die den im Bedarfsplan definierten Anforderungen an den Spielbetrieb des Staatstheaters Nürnberg entspricht, nicht für 42 Millionen Euro zu haben ist. Die Kosten für den Ergänzungsbau liegen gemäß dem ausgewählten Angebot bei 85,5 Millionen Euro.
Fördermittel für den Ergänzungsbau
Die Stadt Nürnberg hat für die Spielstätte des Staatstheaters Fördermittel nach Artikel 10 des Bayerischen Finanzausgleichsgesetzes (BayFAG) beantragt: 75 Prozent der Kosten für die neue Spielstätte sollen aus Landesmitteln finanziert werden.
Die Zuweisung von FAG-Mitteln für ein Bauvorhaben ist nach den Vorgaben des Freistaats Bayern nur möglich, wenn das Gebäude 25 Jahre genutzt wird. So wird die Kongresshalle auch nach der Rückkehr des Staatstheaters an den Richard-Wagner-Platz ein Areal der Kunst und Kultur bleiben. Die Synthese aus Ermöglichungsräumen und dem Ergänzungsbau des Staatstheaters bietet Perspektiven für eine weitere Spielstätte als Bereicherung des Kulturlebens für Nürnberg und die Region.
Für den Geschäftsführenden Direktor der Stiftung Staatstheater Nürnberg, Christian Ruppert, bedeutet der Stadtratsbeschluss vor allem auch eines: Planungssicherheit. „Bayerns größtes Mehrspartenhaus mit über 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern braucht verlässliche Rahmenbedingungen. Hier sind wir nun ein großes Stück weitergekommenen und wissen, wo wir zukünftig arbeiten und für unser Publikum Theater machen können“, so Ruppert. Dies bringe auch für Nürnberg einen erheblichen wirtschaftlichen Nutzen: „Das Staatstheater ist schon jetzt ein wichtiger Standortfaktor für die Metropolregion. Dieser bekommt nun dank der Zusage des Stadtrats eine noch größere Bedeutung.“
„Mit seinem heutigen Beschluss hat der Stadtrat nicht nur die formalen Voraussetzungen geschaffen, um den Förderantrag zu konkretisieren, um zeitnah Fördermittel abzurufen. Das Votum des Stadtrats ist auch ein deutliches Signal an die Fördergeber von Bund und Land, dass Nürnberg seinen Beitrag für die Realisierung eines der national und international spannendsten und innovativsten Kulturbauvorhaben leistet“, erklärt Oberbürgermeister Marcus König. „Das ideelle und finanzielle Engagement von Bund und Freistaat Bayern ist enorm. Mein Dank gilt allen politischen Akteurinnen und Akteuren, die sich parteiübergreifend eingesetzt haben." jos
Weiterführende Informationen auf der Kongresshallen-Website: go.nuernberg.de/ergaenzungsbau