Markenzeichen der Stadt Nürnberg

Nachrichten aus dem Rathaus

Nr. 1020 / 24.09.2023

Verleihung des Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises an Malcolm Bidali

Malcolm Bidali aus Kenia ist am heutigen Sonntag, 24. September 2023, mit dem Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreis ausgezeichnet worden. Die Stadt Nürnberg würdigt mit der Ehrung des 31-jährigen Bloggers und Menschenrechtsaktivisten, der von 2018 bis 2021 in Katar als Wachmann tätig war, dessen mutigen Kampf gegen die Ausbeutung von Arbeitsmigrantinnen und -migranten. Oberbürgermeister Marcus König und Jury-Mitglied Morten Kjærum, der die Laudatio auf den Preisträger 2023 hielt, übereichten ihm die Urkunde. Die 15. Verleihung des mit 25 000 Euro dotierten Preises fand im Opernhaus des Nürnberger Staatstheaters vor rund 900 Gästen statt.

„Malcolm Bidali musste erfahren, wie zahllose Wanderarbeiter aus den Ländern des globalen Südens auf den Baustellen der FIFA WM 2022 im Emirat Katar in ein System moderner Sklaverei gepresst wurden. Als Malcolm Bidali nicht mehr bereit war, dies zu ertragen und die Zustände unter einem Pseudonym über die sozialen Medien öffentlich machte, bekam er in aller Brutalität die Reaktion des autoritären Regimes am Golf zu spüren. Man verschleppte ihn, ließ in für Wochen in einem Gefängnis verschwinden, ohne die Angehörigen zu informieren, und erlaubte ihm erst nach Zahlung einer hohen Kaution, das Land zu verlassen“, sagte Oberbürgermeister Marcus König zur Eröffnung des von der Staatsphilharmonie Nürnberg unter Leitung von Generalmusikdirektor Roland Böer musikalisch umrahmten Festakts. „Lieber Malcolm Bidali, Sie haben gezeigt, dass jede und jeder von uns aktiv eintreten kann für die Menschenrechte, wenn wir Verstöße nicht einfach ertragen oder ihnen stillschweigend zusehen. Ich hoffe sehr, dass unsere Auszeichnung Ihnen die Kraft und Unterstützung zum Weitermachen gibt“, fuhr das Stadtoberhaupt fort.

In seinem Grußwort ergänzte der bayerische Staatsminister des Innern, für Sport und Integration, Joachim Herrmann: „Mein herzlicher Dank an die Stadt Nürnberg dafür, dass sie sich mit diesem Preis und zahlreichen weiteren Projekten für Menschenrechte und gegen Intoleranz, Hass und Gewalt einsetzt. Denn trotz UN-Charta und Allgemeiner Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, deren 75-jähriges Jubiläum wir in diesem Jahr feiern, werden Menschenrechte noch in zahlreichen Ländern massiv verletzt. Wir brauchen deshalb weiterhin viele Verfechter der Menschenrechte, die – wie Malcolm Bidali – ihren Weg unbeirrbar weitergehen.“

Auch Jury-Mitglied Morten Kjærum bezog sich in seiner Laudatio auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte: „Trotz dieses weltweiten Engagements gibt es in unserer Welt mehr Sklaven als je zuvor und unzählige Menschen, die in extremer Ausbeutung leben. Zwar entziehen sich genaue Zahlen unserer Kenntnis, aber Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit 30 bis 40 Millionen Menschen in sklavereiähnlichen Verhältnissen leben. Allein in Europa beläuft sich diese Zahl geschätzt auf zwei bis drei Millionen.“

Zuletzt hatte der Preisträger das Wort. In seiner Dankesrede sagte Malcolm Bidali: „Während ich diesen Preis verliehen bekomme, denke ich an all die Wanderarbeiter, die Tag und Nacht hart arbeiten, mit wenig oder gar keiner Freiheit – die überleben, sich anpassen und das Beste aus ihrer Situation machen. Dieser Preis steht für unsere Unverwüstlichkeit, unseren Kampf und unseren Mut. Dieser Preis wird von der Stadt Nürnberg, der Stadt des Friedens und der Menschenrechte, gestiftet. Von der historischen Stadt, in der Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt wurden. Ich hätte mir keinen passenderen Ort vorstellen können. Wenn Sie einen Spaziergang durch die Straße der Menschenrechte machen, werden Sie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte sehen. Artikel 4 besagt, dass niemand in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden darf. Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu leisten. Und genau das ist meine Aufgabe: Ich kämpfe für die Freiheit der Wanderarbeiter am Golf.“

 

Der Preisträger des Jahres 2023
Wie unzählige Arbeitsmigrantinnen und -migranten litt auch Malcolm Bidali während seiner Tätigkeit als Sicherheitsbediensteter in den Jahren von 2018 bis 2021 in Katar unter äußerst schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen. Weil seine Beschwerden gegenüber Behörden erfolglos blieben, veröffentlichte er unter dem Pseudonym Noah auf Kanälen wie Twitter und Instagram erlebte und beobachtete Menschenrechtsverletzungen. Im Mai 2021 war Bidali in Katar inhaftiert worden – nachdem er wenige Tage zuvor bei einer Onlineveranstaltung über die schwierige Situation von Arbeitsmigrantinnen und -migranten gesprochen hatte.

Weder sein Aufenthaltsort wurde bekanntgegeben noch erhielt er während seiner Inhaftierung Zugang zu einem Rechtsbeistand. Der gegen ihn erhobene Vorwurf lautete: Er habe „falsche Nachrichten mit der Absicht, das öffentliche System des Staates zu gefährden“, veröffentlicht. Mit Hilfe von Menschenrechtsorganisationen und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) kam Bidali nach 30 Tagen Einzelhaft frei und konnte nach Zahlung einer gegen ihn verhängten Geldstrafe von umgerechnet etwa 6 000 Euro das Emirat im Juli 2021 verlassen und nach Kenia zurückkehren. Von dort aus setzt er sich weiter für die Rechte von Wanderarbeiterinnen und -arbeitern in der Golfregion ein. Mit der Würdigung der Arbeit von Malcolm Bidali wollte die Jury das Thema Arbeitsmigration wieder stärker auf die internationale Agenda setzen.

Gemeinsam tafeln für Frieden
Im Anschluss an den Festakt begleitete Oberbürgermeister Marcus König Preisträger Malcolm Bidali zur traditionellen Friedenstafel. Rund 4 000 Bürgerinnen und Bürger feierten hier ihren Preisträger. Die von der Stabsstelle Menschenrechtsbüro & Gleichstellungsstelle und dem Amt für Kultur und Freizeit der Stadt Nürnberg organisierte Veranstaltung verlief vom Kornmarkt über den Hallplatz bis zur Königstraße. Nürnbergs Bürgerschaft setzt mit der Friedenstafel seit 1999 ein Zeichen für Frieden, Toleranz und die Achtung der Menschenrechte weit über die Grenzen der Stadt hinaus. Auch in diesem Jahr gab es die Gelegenheit zum Gespräch mit Mitgliedern der Jury und vielen, die sich aktiv für Menschenrechte engagieren. In diesem Jahr bildete eine Kindertafel eine Brücke zum Weltkindertag, der zwischen 12 und 18 Uhr auf dem Jakobsplatz gefeiert wurde.

Der Internationale Nürnberger Menschenrechtspreis
Im Bewusstsein der Verantwortung, die ihr aus der NS-Zeit erwachsen ist, hat die Stadt Nürnberg als Antwort auf die Menschenrechtsverletzungen jener Jahre 1995 den Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreis ins Leben gerufen. Seitdem honoriert sie alle zwei Jahre den mutigen Einsatz von Aktivistinnen und Aktivisten, die sich zum Teil unter erheblichen persönlichen Risiken für die Wahrung der Menschenrechte einsetzen. Damit will die Stadt Nürnberg einen Beitrag zur weltweiten Achtung der Menschenrechte leisten und dazu ermutigen, sich für Menschenrechte zu engagieren und diejenigen zu schützen, die sie verteidigen. Inspiriert wurde der Preis von der „Straße der Menschenrechte“, die der Künstler Dani Karavan in Nürnberg geschaffen hat.   js/maj

Weitere Informationen:
menschenrechte.nuernberg.de

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