Nr. 259 / 11.03.2016
Die Stadt trauert um den Nürnberger Bürgermedaillenträger, langjährigen Vorsitzenden der bayerischen Arbeiterwohlfahrt (AWO) und Vizepräsidenten des Bayerischen Landtags Bertold Kamm. Der ausgewiesene Sozialpolitiker ist am Mittwoch, 9. März 2016, im Alter von 89 Jahren gestorben.
„Bertold Kamm war ein leidenschaftlicher Politiker und überzeugter Sozialdemokrat. Mit ihm hat uns ein Mann verlassen, der die NS-Diktatur überlebte und danach nie müde wurde, seine Erfahrungen der Unterdrückung und Verfolgung durch die Nationalsozialisten und im Wissen um die Grausamkeit des Zweiten Weltkriegs an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben. Durch sein vielfältiges politisches und soziales Wirken, seinen unermüdlichen ehrenamtlichen Einsatz und durch sein mit Ausdauer geführtes Handeln gegen das Vergessen der NS-Gräueltaten hat sich Bertold Kamm große Verdienste erworben. Seine Stimme und sein Beispiel werden uns fehlen. Unsere Gedanken sind bei seiner Frau Ruth und seiner Familie“, sagt Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly.
Bertold Kamm wurde am 10. Mai 1926 in Schorndorf geboren. Im Frühjahr 1944 verhaftete ihn die Gestapo wegen seiner Aktivitäten in der verbotenen katholischen Jugendbewegung Bund Neudeutschland. Er wurde gefoltert und misshandelt. Nach der Freilassung war er im Kriegsdienst bei den Fallschirmjägern tätig. Im Oktober 1944 geriet er in englische Kriegsgefangenschaft, aus der er Ende 1946 entlassen wurde. Danach studierte Kamm Rechts- und Sozialwissenschaften in Tübingen und Erlangen/Nürnberg, um später als Sozialarbeiter tätig zu werden.
Geprägt von einem politisch engagierten Elternhaus und dem Leid, das er in der NS-Zeit erlebt hatte, war es Bertold Kamm ein großes Anliegen, immer wieder Zeugnis abzulegen. So hielt er viele Vorträge an Schulen und engagierte sich unter anderem im „Bund Widerstand und Verfolgung Bayern“.
Gemeinsam mit seiner Frau Ruth führte Kamm von 1951 bis 1955 verschiedene Jugendwohnheime der AWO für verhaltensauffällige und milieugeschädigte Jugendliche. 1955 wurde Bertold Kamm Geschäftsführer des AWO-Kreisverbands Nürnberg-Stadt. Bis 1975 entstanden unter seiner Verantwortung zwei Alten- und Pflegeheime, ein Mutter-Kind-Heim, ein Kindergarten und ein Kinderhort. 1978 übernahm er den Vorsitz der bayerischen AWO und trieb in dieser Position den Ausbau der Bildungsangebote für Fachkräfte der Sozialarbeit und Pflege voran.
Ob Kinder, Jugendliche, Erwachsene oder alte Menschen – Bertold Kamm setzte sich stets für die Verbesserung der Lebensbedingungen derjenigen ein, die aufgrund von sozialer Benachteiligung, Krankheit oder Behinderung einen schweren Stand in der Gesellschaft haben.
Bertold Kamm wirkte als Dozent an der Hans-Weinberger-Akademie Nürnberg, dem Bildungsinstitut der AWO, und war Lehrbeauftragter an der Staatlichen Fachhochschule Nürnberg. Ehrenamtlich war er Vorstandsmitglied des Instituts für Sozialpolitik und Arbeitsrecht in München.
Die Politik war Kamms Leidenschaft. So gehörte er bereits ab 1966 dem Bayerischen Landtag an. Von 1972 bis 1978 war er stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion und deren sozialpolitischer Sprecher. 1978 wurde er zum 1.Vizepräsidenten des Bayrischen Landtags gewählt. Er füllte dieses Amt bis 1986 aus.
1982 gründete Bertold Kamm die Landesarbeitsgemeinschaft Bayern Entwicklungshilfe Mali e.V. In zahlreichen Projekten, die Hilfe zur Selbsthilfe leisten, wurde vielen Menschen eine Perspektive eröffnet und direkt geholfen.
Wegen seiner großen Verdienste um seine Heimatstadt wurde Bertold Kamm im Jahr 2013 mit der Bürgermedaille ausgezeichnet. sz
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