Nr. 1093 / 29.09.2022
Noch bis Sonntag, 6. November 2022, zeigt die Kunstvilla die Ausstellung „Grauzonen. Nürnberger Künstler:innen im Nationalsozialismus“. Die am 25. Juni 2022 eröffnete Ausstellung wurde bereits von über 1 600 Besucherinnen und Besuchern gesehen und überwiegend positiv aufgenommen. Nun ist der umfangreiche Begleitband mit Beiträgen von Dr. Eckart Dietzfelbinger, Dr. Andrea Dippel und Alexander Steinmüller erschienen. Dieser schließt ein seit 2019 laufendes, von der Ernst von Siemens Kunststiftung gefördertes Forschungsprojekt zur Kunst in der Zeit des Nationalsozialismus in Nürnberg ab.
Der Katalog stellt einen wichtigen Teil der Nürnberger Kunstgeschichte vor. Erstmals hat sich die Kunstvilla den Werken in ihrem Sammlungsbestand gewidmet, die zwischen 1933 und 1945 entstanden beziehungsweise von der Stadt erworben wurden, und hat sich damit einem Thema zugewandt, das zugleich ein schwieriges Erbe und eine Verpflichtung darstellt. Für die Kunstvilla ist diese Aufarbeitung von besonderer Bedeutung – nicht zuletzt mit Blick auf ihre Institutionsgeschichte: Die Villa des heutigen Museums wurde von der jüdischen Familie Hopf erbaut, deren Mitglieder in der Zeit des Nationalsozialismus systematisch enteignet und verfolgt wurden.
Das erklärte Ziel der nationalsozialistischen Kunstpolitik war die Schaffung einer „deutschen“ Kunst. Um dies zu erreichen wurde die Kunst der Moderne als „entartet“ gebrandmarkt und aus den Sammlungen entfernt. Systemkonforme Kunst dagegen wurde ab 1937 jährlich in den „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ in München präsentiert. Der Band beleuchtet die Kunst- und Kulturpolitik im Nationalsozialismus auf regionaler Ebene. Vorgestellt werden die wesentlichen Akteure der nationalsozialistischen Kulturpolitik in Nürnberg sowie die öffentliche Künstlerförderung, unter anderem durch Ankäufe und Kunst-am-BauAufträge. Die in der NS-Zeit forcierte Gattungsmalerei mit Landschaften, Stillleben und Bildnissen wird nach ihrem zugrundeliegenden ästhetischen Verständnis befragt.
Anhand der Biografien von 14 Künstlerinnen und Künstlern werden beispielhaft Handlungsoptionen von Kunstschaffenden in der Zeit des Nationalsozialismus aufgezeigt. Der umfangreiche Anhang umfasst Kurzbiografien aller ausgestellten Kunstschaffenden sowie Aufstellungen, unter anderem zu Ausstellungsteilnahmen sowie Aussonderungen und Verlusten innerhalb des Sammlungsbestands. Das künstlerische Schaffen erscheint auf regionaler Ebene weitaus vielschichtiger und von vielen Bedingungen abhängig, als es die übliche Aufteilung in systemkonforme und „entartete“ Kunst vermuten lässt. Vielfach ergeben sich moralische, politische wie künstlerische „Grauzonen“. Es ist geplant, die Erkenntnisse in die ab 3. Dezember neu eingerichtete Dauerausstellung der Kunstvilla einfließen zu lassen.
Der Katalog ist als 14. Band in der Schriftenreihe der Kunstvilla im KunstKulturQuartier im Verlag für Moderne Kunst in Wien erschienen. Er kostet 29 Euro und kann vor Ort in der Kunstvilla oder online unter kunstkulturquartier.de/kultur-information/shop erworben werden. js
Bild Download: Cover des Katalogs. "Grauzonen. Nürnberger Künstler:innen im Nationalsozialismus", Heinrich Göttler, Selbstbildnis mit Stahlhelm 1929 (Detail)
(Bild: Annette Kradisch / Grafik: Wolfgang Gillitzer, JPG-Datei 742 KB)
Leitung:
Andreas Franke
Fünferplatz 2
90403 Nürnberg
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