Nr. 417 / 25.04.2023
Das Vergabeverfahren für den Ergänzungsbau der neuen Spielstätte des Staatstheaters Nürnberg in der Kongresshalle auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände ist offiziell gestartet: Die Ausschreibung wurde im „Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union“ sowie auf den einschlägigen Online-Plattformen für das europäische öffentliche Auftragswesen veröffentlicht.
Gegenstand des Vergabeverfahrens sind Planung und Bau des Ergänzungsbaus der neuen Spielstätte des Staatstheaters Nürnberg sowie dessen Anbindung an die im baulichen Bestand des Rundbau-Torsos verorteten Funktionsbereiche des Theaters. Hier werden die Sparten Musiktheater und Tanz sowie die Staatsphilharmonie während der Bauarbeiten im Opernhaus am Richard-Wagner-Platz proben und auftreten. Dieses Gebäude, im nordwestlichen Bereich des sogenannten Innenhofs des Kongresshallen-Rundbaus verortet, umfasst Bühne, Zuschauerraum, Orchesterprobenraum sowie bühnennahe Funktionsbereiche.
„Der Spielbetrieb im Opernhaus ist angesichts des schlechten baulichen Zustands nur noch für eine begrenzte Zeit möglich. Während der Bauarbeiten am Richard-Wagner-Platz braucht das Staatstheater eine neue Spielstätte. Der Start des Vergabeverfahrens ist ein wichtiger Meilenstein, um dieses Ziel zu erreichen“, unterstreicht Bürgermeisterin Prof. Dr. Julia Lehner. „Damit sind wir ein gutes Stück auf dem Weg vorangekommen, die Kongresshalle zu einem einzigartigen Kulturort zu entwickeln, der Aspekte der Erinnerungskultur und die Künste aller Sparten aufs Engste miteinander verzahnt sowie den freien Akteurinnen und Akteuren der unterschiedlichen Szenen Raum bietet.“
Fördermittel beantragt
Für die Spielstätte des Staatstheaters in der Kongresshalle wird ein Kostenrahmen von 108 Millionen Euro veranschlagt, davon entfallen 42 Millionen Euro auf den Ergänzungsbau. Die Stadt Nürnberg hat für die Spielstätte des Staatstheaters Fördermittel nach Artikel 10 des Bayerischen Finanzausgleichsgesetzes (BayFAG) beantragt: 75 Prozent der Kosten (81 Millionen Euro) für die neue Spielstätte sollen aus Landesmitteln finanziert werden. Der Antrag wird derzeit geprüft. Die Regierung von Mittelfranken – sie fungiert als Schaltstelle zwischen den bayerischen Staatsministerien und den Kommunen – hat aber bereits eine Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt.
Diese Unbedenklichkeitsbescheinigung war – neben der Genehmigung des städtischen Haushalts – die Voraussetzung für den Start des Vergabeverfahrens: Grundsätzlich sehen die Fördervorgaben nämlich vor, dass während der laufenden Antragsbearbeitung keine Aufträge für Bauleistungen vergeben werden dürfen. Eine Ausnahme von dieser Regel lässt sich lediglich über eine sogenannte Unbedenklichkeitsbescheinigung erwirken. Die Stadt Nürnberg hat diese Unbedenklichkeitsbescheinigung beantragt, um den Ergänzungsbau der neuen Spielstätte des Staatstheaters im „Innenhof“ der Kongresshalle zügig voranbringen zu können.
Die Zuweisung von FAG-Mitteln für ein Bauvorhaben ist nach den Vorgaben des Freistaats Bayern nur möglich, wenn das Gebäude 25 Jahre genutzt wird. So wird die Kongresshalle auch nach der Rückkehr des Staatstheaters an den Richard-Wagner-Platz ein Areal der Kunst und Kultur bleiben. Die Synthese aus Ermöglichungsräumen und dem Ergänzungsbau des Staatstheaters bietet Perspektiven für eine weitere Spielstätte als Bereicherung des Kulturlebens für Nürnberg und die Region.
Zum Ablauf des Vergabeverfahrens
Bei der Ausschreibung des Ergänzungsbaus und dessen Anbindung an den Bestand des Torsos der Kongresshalle erfolgen die Vergabe von Planung und Bau aus einer Hand. Ziel dieses Verfahrens nach den Regeln der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) ist die Beauftragung eines Unternehmens, das die Errichtung des Ergänzungsbaus sowie dessen vollständige Planung als Totalübernehmer (TÜ) erbringt. Für die architektonische Planung ist die Zusammenarbeit mit einem Architekturbüro zwingend vorgegeben. Besonders bei Großbauprojekten haben sich TÜ-Verfahren bewährt, um eine zügige und effiziente Realisierung zu gewährleisten. „Die Stadt Nürnberg hat mit ähnlichen Verfahren bislang gute Erfahrungen gemacht“, erklärt Planungs- und Baureferent Daniel F. Ulrich, „man bekommt in der Regel gute Funktion und gute Architektur zu einem guten Preis.“ Ein Beispiel dafür sei der Neubau der Johann-Pachelbel-Realschule und der Staatlichen Fachoberschule II an der Rothenburger Straße.
Das TÜ-Verfahren vollzieht sich in zwei Etappen, dem öffentlichen Teilnahmewettbewerb und dem Verhandlungsverfahren. Im öffentlichen Teilnahmewettbewerb werden auf den einschlägigen Plattformen und Publikationen die funktionale Leistungsbeschreibung und alle weiteren Vergabeunterlagen veröffentlicht. Für die Teilnahme können interessierte Bewerber bis Anfang Juni die geforderten Nachweise über ihre Leistungsfähigkeit, Fachkunde und Zuverlässigkeit einreichen. Auf dieser Basis wählt die Stadt Nürnberg als Auftraggeberin aufgrund einer formalen und fachlichen Prüfung die Bewerber aus, die am Verhandlungsverfahren teilnehmen können.
Im Verhandlungsverfahren mit wettbewerblichem Charakter hat die Auftraggeberin, die Stadt, gegebenenfalls in mehreren aufeinanderfolgende Phasen die Möglichkeit, im Rahmen der vergaberechtlichen Grundsätze mit Bietern über Vertragsinhalte zu verhandeln. Die Bieter werden hierzu aufgefordert, Planungsbeiträge einzureichen. Die drei maßgeblichen Zuschlagskriterien sind Kosten, Funktionalität und Ästhetik. Letzteres umfasst Aspekte des Städtebaus, der Gestaltung, der Materialität und im Besonderen den angemessenen Umgang mit dem baulichen Bestand.
In die Entscheidung, welcher Bieter den Zuschlag erhält, werden drei Gremien miteinbezogen. Das Kriterium Kosten (Wirtschaftlichkeit) wird in der Kämmerei betrachtet. Das Kriterium Funktionalität bewertet ein fachliches Gremium. Hier bringen das Staatstheater Nürnberg als künftiger Nutzer sowie externe Fachleute aus den Bereichen Theaterbau und Bühnentechnik ihre Expertise ein. Die Bewertung des Kriteriums Ästhetik obliegt einem Gremium, dem Vertreterinnen und Vertreter der Stadtratsfraktionen und der Stadtverwaltung sowie Fachleute aus der Architektur, dem Denkmalschutz und der Erinnerungskultur angehören. Eine Entscheidung über die Vergabe fällt voraussichtlich im Winter 2023/2024. fra
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