Buchproduktion in Nürnberg im Zeichen von Industrialisierung und Globalisierung
Die Ausstellung erinnert erstmals in Nürnberg an den Verleger Theodor Stroefer (1843-1927) und gewährt in ausgewählten Beispielen einen Einblick in die Verlagsproduktion. Theo. Stroefer’s Kunstverlag residierte seit 1877 in München und siedelte 1893 nach Nürnberg über, um intensiv mit der hier ansässigen Kunstanstalt Ernst Nister (1842-1909) zu kooperieren. Gezeigt werden sowohl hochpreisige Prachtausgaben und Künstlergrafiken als auch die preisgünstig in Massen produzierten Bilderbücher und Geschenkartikel. Als Spezialist für das illustrierte Buch war Theodor Stroefer nicht nur wohlinformiert über die neuesten Entwicklungen in den Reproduktionstechniken, sondern auch offen für deren Anwendung auf stets qualitativ hohem Niveau.
Mittwoch, 2. Oktober 2024, bis Samstag, 4. Januar 2025
Die Ausstellung ist im Ausstellungskabinett in der Stadtbibliothek Zentrum, Gewerbemuseumsplatz 4, auf der Ebene L2 während der regulären Öffnungszeiten zu sehen. Der Eintritt ist frei.
Lehre in Porzellanfabrik Johann Wilhelm Bruckmann in Köln-Deutz, ab Ende 1858 in Friedrich Bruckmann’s Verlag in Frankfurt, Stuttgart bzw. München
1866
Verkaufsagent und Kunsthändler in New York, u.a. für den Bruckmann-Verlag
1868
Verlagsgründung in New York
1. Februar 1871
Verbindung mit Georg Kirchner, der am Broadway ansässige Verlag firmiert als „Stroefer & Kirchner“
22. März 1872
Ausstellung des amerikanischen Passes
1. Oktober 1876
Stroefer & Kirchner gründen eine weitere Niederlassung in München, Schwanthalerstr. 34
2./20. April 1877
Auflösung des Verlags Stroefer & Kirchner; Theodor Stroefer übernimmt das europäische Geschäft und gründet „Theo. Stroefer’s Kunstverlag“ in München
26. Juli 1877
Heirat mit Magdalena Dallmaier († 1936), vier Kinder
20. April 1893
Verlegung des Verlags nach Nürnberg, Hirschelgasse 26; Grund ist „die rege Verbindung mit Herrn E. Nister’s Kunstanstalt in Nürnberg“
26. Mai 1909
Mit dem Tod Ernst Nisters endet die Zusammenarbeit von Verlag und Kunstanstalt
9. Juli 1927
Tod von Theodor Stroefer; den Verlag führt sein Sohn August Stroefer (1882-5. Oktober 1945) fort
Oktober 1937
Nach dem Tod Magdalena Stroefers Versteigerungen in München von ca. 800 kunstgewerblichen Gegenständen und 350 Gemälden aus den Sammlungen Theodor Stroefers
1939
Umzug des Verlags in den Maxtorgraben 2a
1945
Zerstörung des Geschäftsgebäudes, Verlust des Firmenarchivs
1958
Theo. Stroefer’s Kunstverlag wird aus Handelsregister gestrichen
Der Verleger Theodor Stroefer
Der in New York von Theodor Stroefer 1868 gegründete und seit 1871 mit Georg Kirchner als Kompagnon geführte Verlag spezialisierte sich auf Kunstbücher in Prachtausgaben. Die Firma übernahm Titel aus Friedrich Bruckmann’s Verlag für den Vertrieb in den USA und profitierte so von den freundschaftlichen Beziehungen Stroefers zu seinem ehemaligen Lehrherrn. Nach der Niederlassung in München 1876 zählte Theodor Stroefer zu den ersten Verlegern von Graphikzyklen des dem Symbolismus zuzurechnenden Künstlers Max Klinger (1857-1920). Kontakte zur englischen Illustratorin Kate Greenaway (1846-1901) führten in den frühen 1880er-Jahren zu ersten Erfolgen im Kinderbuchsegment. Stroefer vertrieb exklusiv die deutschen Übersetzungen der beliebten Schöpferin einer idyllischen Kinderwelt. Mehrbändige Anthologien wie ‚Guck! Guck!‘ oder ‚Plauderstündchen‘ sowie Jugendliteratur von James Fenimore Cooper (1789-1851) hielten sich über Jahrzehnte erfolgreich im Verlagsprogramm. Die Zusammenarbeit mit der Kunstanstalt Ernst Nisters in Nürnberg führte 1893 nicht nur zur Verlegung des Firmensitzes, sondern begründete auch die Hochzeit des Verlags. Bis zum Tod Ernst Nisters 1909 kooperierten die beiden Firmen eng bei der massenhaften Produktion von in Chromolithographie farbig gedruckten, attraktiven Bilderbüchern für einen weltweiten Markt. Während Ernst Nister das Exportgeschäft in den angloamerikanischen Raum übernahm, vertrieb Theodor Stroefer die deutschsprachigen Übersetzungen. Das Verlagsprogramm dominierten Bilderbücher oder deren Sonderformen mit beweglichen Bildern und Aufklapp-, Zieh- oder Drehmechanismen. Dazu kamen Spiele, Malbücher, Kalender und Geschenkartikel. Der Erste Weltkrieg führte zu einem Einbruch im Verlagsgeschäft. Zu einem gewichtigen Erwerbszweig entwickelte sich der Kunstpostkartenverlag.
Sammlung Eva Klose
Geschenkbuch aus der Kooperation von Ernst Nister und Theodor Stroefer, als Neujahrsgruß verwendet: ‚Lustige Gratulanten‘, 1896
In den 1980er-Jahren und damit Jahrzehnte nach dem Tod Theodor Stroefers, dem Erlöschen des Verlags und dem Verlust des Firmenarchivs begann Eva Klose (1932-2016), sich mit dem Leben ihres Großvaters zu beschäftigen und eine Verlagsdokumentation aufzubauen. Das Interesse mögen Bilderbücher aus dem Besitz ihrer Mutter Elsa Eberth († 1978) geweckt haben, die 1892 als jüngstes von vier Kindern des Ehepaars Stroefer noch in München geboren worden war. Eva Klose recherchierte in Archiven und Bibliotheken die versprengten Bild- und Schriftquellen zur Biographie und zum Lebenswerk ihres Großvaters. In Antiquariaten, im Buchhandel und auf Auktionen kaufte sie Bücher und Kunstpostkarten aus der Verlagsproduktion an den Firmensitzen in New York, München und insbesondere Nürnberg auf. Weit von einer vollständigen Dokumentation entfernt, gelang es ihr, repräsentative Zeugnisse für die vom Verlag gepflegten Schwerpunkte zusammenzutragen. Von einer intensiven Kontaktpflege zeugen die relevanten, jeweils in die betroffenen Bücher eingelegten Korrespondenzen. Aus Eva Kloses Feder stammen erste Publikationen zu dem weitgehend in Vergessenheit geratenen Verleger. Dem Freund und Kooperationspartner Ernst Nister (1842-1909) ist weitaus mehr Aufmerksamkeit zuteil geworden. Nach dem Tod Eva Kloses kaufte die Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg 2018 die Sammlung an 500 Büchern und 5.000 Kunstpostkarten aus Theo. Stroefer’s Kunstverlag samt Sekundärliteratur. Der Bestand ist vollständig katalogisiert, eine Tiefenerschließung zu Provenienzen und Einbänden steht aus.
Einblicke aus der Produktion des Verlags Theo. Stroefer's Kunstverlag