Öffentlicher Personennahverkehr: Wo geht die Reise hin?
Mit Blick auf die Weiterentwicklung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Nürnberg hat „Nürnberg Heute“ mit dem Leiter des Verkehrsplanungsamts, Frank Jülich, über die Themen E-Mobilität, Carsharing und Fahrrad-Infrastruktur gesprochen.
Nürnberg Heute:
Seit Oktober 2016 bietet die Sharegroup, das ist der Anbieter für Carsharing, der schon länger mit der Stadt zusammenarbeitet, diese Autos über Mobilitätsstationen demonstrativ im öffentlichen Raum an. Wie sind die ersten Erfahrungen?
Frank Jülich:
Grundsätzlich gut. Die Ausleihzahlen steigen. Die Strategie, das Carsharing aus den Hinterhöfen in den öffentlichen Straßenraum zu holen, hat dazu geführt, dass sie jetzt sichtbar sind. Ende März hat der Bundestag das Gesetz zur Bevorrechtigung des Carsharing verabschiedet. Endlich nach über zehn Jahren Diskussion kriegt Carsharing jetzt mehr Aufmerksamkeit.
Nürnberg Heute:
Wie geht es mit dem Carsharing weiter?
Frank Jülich:
Wir haben derzeit acht Mobilitätsstationen mit fast 30 Fahrzeugen. Wir wollen aber das Angebot ausweiten. Gegen Ende des Jahres werden wir zusammen mit Sharegroup darüber entscheiden, ob und wo wir weitere Stationen realisieren. Es ist die Frage, wo es noch gute Standorte gibt, die ins Konzept passen. Finanzieren muss es die Sharegroup.
Nürnberg Heute:
Nürnberg will die E-Mobiliät ausbauen, doch es geht nur langsam voran. Was sind die nächsten Schritte und wie wollen Sie den Umstieg auf E-Autos fördern?
Frank Jülich:
Zwei Carsharing-Stationen haben auch eine Ladeinfrastruktur. Wir wollen aber erst einmal abwarten, wie das Pilotprojekt angenommen wird, bevor wir weitere Entscheidungen treffen. Mit der N-Ergie haben wir einen Systembetreiber gefunden, der Ladestationen im öffentlichen Raum einrichtet. Das Netz wird seit 2016 ausgebaut. Über 25 Stationen sollen neu errichtet werden. Man muss aber auch fragen, wie viele Stationen wollen wir langfristig im öffentlichen Raum haben? Das Auftanken sollte in der Regel privat erfolgen. Wir werden in Kürze aber auch zusammen mit der N-Ergie diejenigen ansprechen, bei denen Fahrzeuge länger stehen, etwa in Parkhäusern.
Nürnberg Heute:
Bisher steigen nur wenige auf Elektroautos um?
Frank Jülich:
Es ist ein Henne- und Eiproblem. Muss die Autoindustrie vorangehen oder muss erst die Ladeinfrastruktur vorhanden sein, damit die Nachfrage nach E-Fahrzeugen steigt? Während beim Auto die Elektromobilität zur Zeit noch ganz schwierig ist, entwickelt sich die Nachfrage nach E-Bikes von alleine. Ohne Anschubfinanzierung, ohne Förderung, ist der Markt plötzlich da und es sind inzwischen 1,5 Millionen Pedelecs auf dem Markt. Die Hersteller haben gigantische Zuwachsraten.
Nürnberg Heute:
Warum klappte es bei E-Bikes und nicht bei E-Autos?
Frank Jülich:
Weil die E-Bikes eine Marktlücke schließen. Es können mit dem E-Bike leichter große Entfernungen zurückgelegt werden als mit dem herkömmlichen Fahrrad. Der Erfolg hat auch mit dem demographischen Wandel zu tun. Ältere Menschen, die gerne noch fit sind, nutzen das E-Bike.
Nürnberg Heute:
Da muss natürlich auch die Fahrrad-Infrastruktur Nürnbergs mithalten, die immer wieder kritisiert wird, weil pro Jahr für den Ausbau nur ein bis zwei Millionen Euro zur Verfügung stehen. Wie geht es mit den großen Fahrradachsen weiter?
Frank Jülich:
Wir sind gerade dabei zusammen mit allen Nachbarstädten, Nachbarlandkreisen und dem Freistaat Bayern eine Machbarkeitsstudie für Fahrradschnellwege in Auftrag zu geben. Sechs solcher vier Meter breiten Fahrradtrassen werden überprüft, ob sie umgesetzt werden können, fünf betreffen Nürnberg. Sie sollen von Innenstadt zu Innenstadt gehen.
Nürnberg Heute:
Werden Fahrradschnellwege entlang von Hauptverkehrsstraßen gebaut?
Frank Jülich:
Ja und Nein. Das hängt von der Örtlichkeit ab. Schnellwege brauchen Platz, den es innerhalb der Stadt nicht gibt. In Kombination mit Fahrradstraßen, in denen auch der Kfz-Verkehr zugelassen ist, wird es auch Mischnutzungen geben. Wir werden Routen suchen, wo der Nutzen für den Radfahrer am größten ist. Es sind Strecken von Nürnberg nach Schwabach, nach Oberasbach und Stein, nach Fürth, nach Erlangen und nach Schwaig geplant. In den Innenstädten müssen wir Kompromisse machen.
Nürnberg Heute:
Mit dem Fahrradverleihsystem hatte Nürnberg kein Glück. Gibt es einen neuen Anlauf?
Frank Jülich:
Das ist noch offen. Wir waren Pioniere mit einem innovativen Projekt und haben Lehrgeld gezahlt. Viele Städte, die jetzt erfolgreich sind, haben von unseren Erfahrungen gelernt. Wir haben in Technik investiert, die heute so auf dem Markt nicht mehr da ist. Die Münchner haben zusammen mit ihren Verkehrsbetrieben sehr viel Geld investiert: Die Leihräder haben ein eigenes Design, sie sind Bestandteil der intermodalen Mobilitätsstationen und sie wurden in den Abo-Tarif integriert. Es ist eine sehr enge Verknüpfung zwischen dem, was die Verkehrsbetriebe anbieten und dem was ein Fahrradverleihsystem an Möglichkeiten bietet. Köln hat ein E-Ticket entwickelt, das für den öffentlichen Nahverkehr und für Leihräder gleichermaßen gilt. Bordcomputer am Fahrrad machen den Ausleihvorgang inzwischen deutliche schneller. Ideal ist es, Studenten über ihren Semesterbeitrag einzubinden.
Nürnberg Heute:
Ein Fahrradverleihsystem kommt ohne Subventionen nicht aus?
Frank Jülich:
Ja, so ist es. Kein Fahrradverleihsystem trägt sich selber. Das hatten wir zunächst gehofft. Sie brauchen immer Partner: Werbepartner, Verkehrsbetriebe oder die Stadt. Letztlich ist es auch eine politische Entscheidung, ob Nürnberg ein Fahrradverleihsystem will und bereit ist dafür ggf. auch Gelder auszugeben. Bis Herbst 2017 werden wir entscheiden müssen, wie es weitergeht.
Interview: André Fischer
Nürnberg Heute
Dieser Text ist ein Online-Extra zum Artikel „Lieber mal Umsteigen“, der in der Zeitschrift „Nürnberg Heute“ Nr. 102/2017 erschienen ist. Das Heft können Sie an den Auslegestellen kostenlos mitnehmen oder online lesen.