Zeppelinfeld mit Zeppelintribüne als einzig erhaltener Schauplatz der nationalsozialistischen Reichsparteitagsinszenierung
Das Zeppelinfeld ist ein historischer Ort, an dem die ideologisch-rassistische begründete Idee der „Volksgemeinschaft“ als Zukunftsgemeinschaft propagiert und zelebriert wurde. Das Versprechen einer angeblichen „Volksgemeinschaft“ machte einen erheblichen Teil der Attraktivität der Herrschaft des Nationalsozialismus aus, die als Gesellschaftsutopie und Handlungsanweisung für viele Menschen Aufstieg und Integration bedeutete. Und bei der Konstruktion eines „Wir“ wurde zugleich das „Andere“ definiert, „Volksgemeinschaft“ bedeutete auch immer Ausgrenzung.
Das Zeppelinfeld war der architektonische Rahmen zur Inszenierung von „Volksgemeinschaft“. Heute ist das Feld ein wichtiger Lernort zur Frage, wie „Volksgemeinschaft“ während der Reichsparteitage „gemacht“ bzw. inszeniert wurde, eventuell aber auch unterlaufen wurde oder möglicherweise misslang. Gerade beim Thema „Volksgemeinschaft“ wird deutlich, dass Vorstellungen von einem einheitlichen (deutschen) Volk und die Konstruktion nebulöser Wir-Identitäten (in Abgrenzung zu dem, was als fremd definiert wird) keineswegs vergangene, sondern sehr gegenwärtige Phänomene sind, die kritisch hinterfragt werden müssen.
Zentrale Elemente der nationalsozialistischen „Volksgemeinschafts“-Ideologie waren während der Reichsparteitage auf dem Zeppelinfeld die Themen „Arbeit“, „Kampfbereitschaft“ und „Geschlechterrollen“.
Die Ideologie der „Deutschen Arbeit“
Der Reichsarbeitsdienst feierte 1934 auf dem Zeppelinfeld seinen Durchbruch als Massenorganisation und konnte sich seither als feste Institution im Deutschen Reich etablieren. Eine der eindrücklichsten Szenen des Propagandafilms „Triumph des Willens“ von Leni Riefenstahl zeigt eine Choreografie mit Wechselgesang, welche die angetretenen Arbeitsdienstmänner als „Soldaten der Arbeit“ verherrlicht. Der „gesunde“, „starke“ Körper war ein zentraler Teil der Selbstinszenierung des Reichsarbeitsdiensts. Das Zeppelinfeld wurde damit nicht nur zum Ort, an dem die sogenannte „Arbeitsschlacht“, die Herstellung von Vollbeschäftigung, inszeniert wurde, sondern auch zum Schauplatz des Körperkults im Nationalsozialismus.
Kampfbereitschaft
Das Zeppelinfeld war Präsentationsort für die fortschreitende Militarisierung der nationalsozialistischen Gesellschaft. „Privatleute gibt es nicht mehr im nationalsozialistischen Deutschland. Privatmann ist man nur noch, wenn man schläft. Sobald du in den Alltag, in das tägliche Leben hineintrittst, bist du ein Soldat Adolf Hitlers“, so Robert Ley, der Führer der Deutschen Arbeitsfront.
Zur Militarisierung der Gesellschaft gehörte das militärische Gepränge und marschierende Soldaten in der Öffentlichkeit. Der „Tag der Wehrmacht“ auf dem Zeppelinfeld, der durch einen Film Leni Riefenstahls und umfassende Bildpropaganda begleitet wurde, trug dazu bei, militärische Potenz und Kampfbereitschaft zu einem alltäglichen Teil des gesellschaftlichen Lebens werden zu lassen.
Rollenbilder
1938 fand auf dem Zeppelinfeld ein „Tag der Gemeinschaft“ statt, bei dem erstmals auch Frauen auf großer Bühne präsent waren. Die Ideologie der „Volksgemeinschaft“ beruhte „nicht zuletzt auf einer genuin geschlechterbezogenen Konstruktion sozialer Ordnungsvorstellungen“, wie die Historikerin Sybille Steinbacher in ihrem Aufsatz „Differenz der Geschlechter? Chancen und Schranken für die Volksgenossinnen" festhält. Die Tanzvorführungen des „BdM-Werks Glaube und Schönheit“ führten ein gesellschaftliches Rollenbild von Frauen vor, das in erster Linie auf die werdende Mutter abzielte. Diese Mutterrolle wurde qua öffentlicher Inszenierung „in einer Weise aufgewertet, die Frauen einen Zutritt zum ‚politischen Raum‘ ermöglichte“ (Frank Bajohr: "Vom Herrschaftssystem zur Volksgemeinschaft").
Architekturen der Ausgrenzung
Das auf dem Zeppelinfeld inszenierte und gefeierte Konzept der „Volksgemeinschaft“ war auf die Ausgrenzung sogenannter „Gemeinschaftsfremder“ angelegt. Diese Ausgrenzung ist in die Architektur des Zeppelinfelds eingeschrieben wie die (vermeintliche) Vereinigung des Volks in einer „Volksgemeinschaft“. Nach Außen schottet sich das Areal des Zeppelinfelds mit 34 Türmen wie eine Wehranlage ab, nach Innen sind diese Türme nicht zu sehen – auf diese Weise entsteht ein gemeinsamer Raum für die hierarchisch gegliederte „Volksgemeinschaft“ unter der Führung Adolf Hitlers, der sich gemeinsamen mit den Eliten des Staats und geladenen Gäste aus dem europäischen Ausland auf der Zeppelintribüne als architektonisches Gegenüber erhöht präsentierte. Der „Lichtdom“ um das Zeppelinfeld am „Tag der Politischen Leiter“ setzte symbolisch die Ideologie der „Volksgemeinschaft“ samt deren ausgrenzenden Charakter ins Bild.
Während der Reichsparteitage waren auf der Zeppelintribüne auch ausländische Ehrengäste aus dem demokratischen europäischen Ausland und der unterschiedlichen faschistischen Bewegungen Europas anwesend. Die Gäste aus den faschistischen Bewegungen repräsentierten gemeinsam mit der Führungselite der NSDAP eine transnationale Rechte. Die „gemeinsamen Feindbilde[r] Demokratie, Liberalismus und Marxismus“ und der dazugehörige Glaube an eine „revolutionäre ‚Gegenwelt‘“ waren – jenseits sonstiger nationaler Differenzen und Spezifika – die ideologischen Bindeglieder dieser Bewegungen.
Relikt der Vergangenheitspolitik seit 1945
Zeppelinfeld und Zeppelintribüne haben sich nach 1945 in ihrer Gestalt und ihrer Nutzung zunächst eher zufällig, später sehr bewusst entwickelt. Der durchaus irritierende Gesamteindruck, den die Zeppelintribüne heute macht, ist die Konsequenz des Umgangs mit diesem Gebäude in der Nachkriegszeit. Vor allem die Sprengung der Pfeilergalerien 1967, die sicherlich die umstrittenste und einschneidendste Maßnahme im Umgang mit den Bauten des Reichsparteitagsgeländes nach 1945 war, hat das Bauwerk optisch stark verändert.
Zur Nachkriegsgeschichte zählt vor allem auch die bis 1995 andauernde Präsenz der US-Armee auf dem Zeppelinfeld, die damit einhergehende Etablierung bisher unbekannter Sportarten wie American Football, aber auch als Veranstaltungsort für Rock- und Popkonzerte seit 1977. Individuelle Aneignung und profane Freizeitnutzungen bilden seither einen sichtbaren Kontrast zu den Bildern uniformierter Massen und sakralisierter Politinszenierungen der NS-Zeit.
Diese zweite Geschichte, die sich auch auf dem Feld selbst und den Zuschauerwällen in vielen Details fortsetzt, verleiht dem Lern- und Begegnungsort Zeppelintribüne und Zeppelinfeld eine weitere wichtige Perspektive. Den Phasen des Umgangs mit den Hinterlassenschaften des Nationalsozialismus kann hier beispielhaft für die Bundesrepublik Deutschland anhand vieler Zeitspuren nachgegangen werden: Die Veränderungen des Areals Zeppelinfeld in der Nachkriegszeit und die Vielzahl verschiedener Nutzungen bieten die besondere Chance, eine Brücke zwischen der historischen Dimension des Areals als Inszenierungsort für das Konzept einer ausgrenzenden „Volksgemeinschaft“ und dem Umgang mit diesem Ort in der Gegenwart zu schlagen.