Ein Blick zurück

„Man muß – in einem Wort – alternativ auf alternative Weise sein.“
(Hermann Glaser/Karl Heinz Stahl, Bürgerrecht Kultur)

Freiraum15 Gruppenbild

Seit Langem werden die elf Kulturläden der Stadt Nürnberg so intensiv und erfolgreich genutzt, dass die Spiel- und Freiräume enger werden. Beim Blick in die Statistiken, die Besucher/-innen und Mitarbeiter/-innen in Alterskategorien erfassen und zu übersichtlichen Grafiken formen, fällt auf, dass nicht nur die Mitarbeiter/-innen naturgemäß älter werden, sondern mit ihnen auch ihr Publikum.

Nun könnte man sagen: Schön, wenn man Gemeinsamkeiten hat, wenn Routinen funktionieren und das Bier beim Stadtteilfest noch so gut schmeckt, wie vor 20 Jahren.

Doch sind Kulturläden nicht immer in Bewegung gewesen? Welche Dynamiken ergeben sich mit der nachrückenden Generation an Mitarbeiter/-innen? Welche Freiräume werden gebraucht? Und was macht eigentlich diese Generation mit dem Daumen auf dem Smartphone, dem zweiten Ich in Facebook? Die, die nicht selbstverständlich in Kulturläden gehen, sondern das alte Quelle-Gelände bespielen, Alternativen suchen und Speisepilze aus Kaffeesatz züchten? „Zeit, es herauszufinden“, hieß es demnach im Amt für Kultur- und Freizeit − Zeit, sich zu überdenken − Zeit, ein Konzept zu schreiben.

Selbstgemachte Grafik von Inga Bergmann

Die – in einem Amt angemessene Weile später – startete das Team „Junger Kulturladen“ in das Pilot-Projekt: einen Kulturladen auf Zeit und auf dem Prüfstand sowie mit der Mission, vielleicht auch etwas anders zu machen. Nach mehreren hitzigen Diskussionen in Büros, Biergärten und telefonischen Leitungen hatte das Kind einen Namen: FreiRaum15. Ein nomadischer Kulturladen, die Idee eines Konzepts, das auch an anderen Orten wieder umgesetzt werden kann.

Der neue Kulturladen sollte vom 25. Januar bis 15. Februar 2015 ein offenes Haus werden, ein Ort, an dem Spuren hinterlassen werden können, ein riesiges gemütliches Wohnzimmer. Möbel wurden gebaut und geliehen und die Grafik kurzerhand selbst mit Edding und Papier gestaltet, Programm wurde geplant und vor allem ging es ums „Selbermachen“: Alternativer Konsum und Nachhaltigkeit, gemeinsam kochen, selbstgemachte Filme sehen, die Presse mal fragen, was sie eigentlich so umtreibt…

Die Dokumentation mit Bildern und Videos findet sich auch unter www.nuernberg.de/internet/freiraum/. Aus dem Zusammenschluss vieler Ideen entstand ein Ort, der Bindung durch Beteiligung von Anfang an geschaffen hat. Ein Ort für Selbermacher mit Zwischennutz-Dynamik auf den anfangs wackelig scheinenden Beinen ungefestigter Strukturen.

Selbstgebautes Tausch Dreieck

Und welche Diskussionen müssen wir nun zukünftig weiterführen? Darauf nun − als Ausführende des Auftrages „Junger Laden“ − zu antworten, sorgt naturgemäß für amtsinterne Diskussionen mit kritischen „Najas“ und wohlwollenden „Ahas“ gleichermaßen.

Zusammenfassend lässt es sich vielleicht so erklären: Das Projekt hat die Welt der Kulturläden sicherlich nicht neu erfunden, sondern vielmehr ausgiebig befragt.

So ist der Titel unversehens auch zum Leitthema späterer Gespräche geworden. Der Freiraum im Urbanen bedeutet vor allem Platz. Platz für Alternativen zum Dasein zwischen Arbeit, Mietwohnung und Supermarkt, um zu pflanzen, zu bauen und für andere Dinge, für die städtische Mietwohnungen zu klein sind. Mit Blick auf unsere Arbeit ist es ganz ähnlich: Manchmal fehlt es an Räumen und Raum, an Zeit zum Denken und zur Reflexion, an Freiräumen, um Neues zuzulassen und dem Spontanen Raum zu geben. Wir brauchen Freiraum für Ideen und für neue Ideen nicht unbedingt nur die jüngsten Mitarbeiter/-innen. So gilt es, nicht ausschließlich auf einen vergangenen FreiRaum15 zu blicken, sondern sich auch in Zukunft Freiräume zuzumuten und sie immer wieder neu zu schaffen.

Am Anfang der Kulturläden stand die Forderung an Kulturverwaltungen, ihre Tätigkeit zu problematisieren, „ohne deshalb in Verwirrung zu geraten“ (Glaser/Stahl 1983: 12), dynamisch zu bleiben, immer wieder auch inne zu halten und dem Informellen und Improvisierten Raum zu lassen (Vgl. ebd.: 212f.). Vielleicht war damit das Neue an FreiRaum15 irgendwie auch das Alte und erinnerte in vieler Hinsicht an Zeiten, in denen das Konzept Kulturladen sich in Kinderschuhen auf den Weg gemacht hat.

Annerose Böhrer
(Ehemalige Mitarbeiterin im Kulturbüro Muggenhof des Amtes für Kultur und Freizeit und an der Planung, Organisation und Durchführung des Projektes FreiRaum15 zusammen mit weiteren Kolleginnen und Kollegen des Amtes beteiligt.)

Quelle: Glaser, Hermann/Stahl, Karl Heinz (1983): Bürgerrecht Kultur, Ullstein Verlag: Frankfurt a. M./Berlin/Wien, erweiterte, aktualisierte Auflage.

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