Experiment zur Inklusion auf dem Erfahrungsfeld der Sinne
Mit Augenbinde und Langstock unterwegs
Am 19.9.2019 um 13:00 Uhr war es mal wieder soweit: Das Beratungsteam „Inklusion auf dem Erfahrungsfeld“ nahm an einem Experiment teil. Eingeladen hatte Frau Theresa Honigmann vom KUF, die für das Erfahrungsfeld zuständig ist. Zum Beratungsteam gehört auch der Arbeitskreis Bildung und Kultur des Behindertenrats Nürnberg. Diesmal war der Arbeitskreis nur durch mich vertreten.
Das Erfahrungsfeld musste dieses Jahr wegen Umbaumaßnahmen auf den Dunkelbereich verzichten. Für das kommende Jahr soll der Dunkelbereich größer und umfassender konzipiert werden. Ein Teilbereich des neuen Konzeptes ist eine Führung mit Augenbinden und Langstock, bei der die Besucher/Besucherinnen Selbsterfahrungen zum Thema Sehbehinderung sammel können. Diese Führung wird von der Mitarbeiterin Marie, die selbst blind ist, durchgeführt.
Es fand sich ein kleines Grüppchen, bestehend aus 6 Teilnehmern aus dem Beratungsgremium, am Erfahrungsfeld der Sinne ein. Vom Erfahrungsfeld waren neben Theresa Honigmann noch zwei weitere Mitarbeiterinnen, Clara und Marie, anwesend.
Zuerst gab es eine Einführung in die mobile Induktionsanlage. Dies war zunächst gar nicht so einfach, da man zum Sprechen einen Knopf an der Seite drücken musste, ebenso nach dem Sprechen. Wir stellten fest, dass maximal zwei Personen sprechen können. Ob man den Knopf gedrückt hat, wird nur über ein S im kleinen Display angezeigt, es gab kein optisches oder akustisches Signal. Nach der Eingewöhnung funktionierte dies gut. Wir benutzten Kopfhörer, 2 Personen konnten mit sich mit ihrem Hörgerät und induktivem Band beteiligen. Das Erfahrungsfeld besitzt für die mobile Induktion 12 Geräte zum Umhängen. Alles ist in einem Koffer untergebracht, in dem mittels eines außen angebrachten Stromanschlusses auch alles wieder aufgeladen werden kann. Diese mobile Induktion kann auch ausgeliehen werden.
Nachdem die Verständigung gut klappte („Hört Ihr mich?“), wurden die Augenbinden ausgeteilt. Dazu gab es Papiertücher gegen das Verschwitzen. Ich gebe zu, mir war ein wenig mulmig. Ich kann es nicht leiden, wenn ich nichts sehen oder nur wenig sehen kann, daher fahre ich nachts auch nicht gerne mit dem Fahrrad (trotz Fahrradlicht).
Zunächst tauschten wir uns über die zu hörenden Geräusche und unsere Bodenfühlung aus und dann ging es auch schon los. Ich fasste den rechten Ellenbogen (so kann man gut erkennen, wohin es geht) von Clara, die mich führte. Wie ich befürchtet hatte, war ich am Anfang sehr zögerlich unterwegs. Über die Holzbrücke ging es dann schon normal schnell. Ich hatte mich ein wenig eingewöhnt und vertraute auf meine Begleitperson Clara.
Dann hieß es „Achtung! Jetzt kommen Treppen.“ Clara bat um meine rechte Hand, die sie auf das Treppengeländer legt. Mit dem Geländer waren die Treppen kein Problem. Danach ging es weiter, diesmal allein mit dem Langstock. Das kannte ich ja von anderen blinden Menschen. Ich ließ den Stock am Boden vor mir in kleinen Kreisbögen schwingen. Mir fiel zum ersten Mal das Klackern der Langstöcke auf. Clara war ja zum Glück in der Nähe und konnte mir Richtungsänderungen ansagen. Zum Ausprobieren ließ sie mich manchmal in die Nähe von Absperrpflöcken oder Stromkästen kommen, die ich aber dank des Stockes schnell bemerkte. Dann überquerten wir noch eine kleine Straße, nachdem wir vorbeifahrende Autos abgewartet hatten. Wegen Zeitmangels konnten wir nicht bis zur nächsten Ampel gehen.
Wir tauschten und es ging wieder zurück. Ich stellte fest, dass ich meine Brille ja im Rucksack auf dem Erfahrungsfeld gelassen hatte. So konnte ich die Gegend auch nur verschwommen erkennen. Es klappte aber Gottseidank trotzdem mit dem Führen. Clara hatte Glück (ich ohne Brille auch), sie musste die Treppen nicht hinuntersteigen. Dies hatte ihr zu Beginn Bedenken gemacht. Auch Clara machte das erste Mal die Erfahrung mit Augenbinde und Langstock. Wir gingen den schrägen Weg hinunter und über die Holzbrücke zurück.
Am Ausgangspunkt angekommen, meinten alle Teilnehmer, dass dies eine interessante Erfahrung war. Auch die Führung durch Marie fanden alle sehr gut.
Danach wurden wir noch in ein Café in der Nähe eingeladen. Es kam noch Claus Haupt dazu, der Leiter des KUF. Wir hatten anregende Gespräche über unsere Erfahrungen und über dieses und jenes. Frau Honigmann meinte, es sei erstaunlich, dass sich die Schulklassen auf diese Führung im Großen und Ganzen immer konzentriert und relativ ruhig einlassen und keinen Blödsinn mit den Stöcken machen. Dies hatten die Mitarbeiter des Erfahrungsfeldes zu Beginn dieser Führungen befürchtet.
Für mich hat sich dieser Termin sehr gelohnt. Jetzt weiß ich etwas mehr darüber, wie man als blinder Mensch fühlt. Ich war aber froh, dass ich die Augenbinde samt durchschwitztem Papiertuch wieder ablegen durfte.
-Renate Serwatzy Vorstandsmitglied-
Aktualisiert am 17.08.2024, 20:57 Uhr