Fortbildung „Einführung in die stille Welt“

Fortbildung „Einführung in die stille Welt“

Auf Einladung von „Fit für Inklusion“ nahm ich an der Informationsveranstaltung zu Gebärdenkompetenz des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Mittelfranken teil. Ich fand mich um 10:00 in den Räumen in der Spitalgasse ein.

Der Referent Oliver Hess stellte sich vor. Er ist selbst gehörlos, allerdings nicht von Geburt an. Mit 30 Jahren hatte er eine Hirnhautentzündung. Daher kann er gut sprechen. Außerdem ist er seit längerem querschnittsgelähmt.

Oliver Hess ist Mitarbeiter des IFD Mittelfranken.

Folgende Punkte wurden von ihm besprochen:

1. Vorstellung des IFD

IFD bedeutet Integrationfachdienst.

Der IFD ist ein Dienst mit niedrigschwelligem Angebot.

Die Hauptaufgaben des IFD sind:

• Berufliche Eingliederung
Grundsätzlich wird nur in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt.
• Menschen mit Schwerbehinderung oder Gleichstellung ab Grad 30
Jeder schwerbehinderte Mensch hat das Recht auf Unterstützung durch den IFD.
• Berufliche Sicherung
• Beratung des Arbeitgebers
• Unterstützung bei Beantragung von Fördermitteln

2. Überblick

Die verschiedenen Grade der Hörschädigung vermittelte uns Herr Hess mit einem kurzen Text, der immer blasser wurde und sich in einen Text mit großen Lücken verwandelte bis er schließlich gar nicht mehr da war.

Er erklärte, dass ja der Begriff Taubstumm nicht mehr verwendet wird. Taubheit wird medizinisch verwendet, wenn der Hör-und Gleichgewichtsnerv vollkommen ausfällt.

Für den alten Begriff Taubstumm nimmt man heute den Begriff Gehörlos. Personen, die von Geburt an gehörlos sind, haben große Probleme mit Gehörlose sind vor dem Erwerb der Sprache gehörlos geworden (von Geburt an) und sind daher nicht in der Lage über Sprache zu kommunizieren im Gegensatz zu Spätgehörlosen.

Herr Hess ging es wie vielen Betroffenen. Er musste sich entscheiden, ob er die Gebärdensprache lernen will und damit in die stille Welt wechselt oder nur von den Lippen ablesen will. So kann er jetzt beides und ist fähig zur Kommunikation mit anderen Gehörlosen und versteht aber auch Sprechende. Zu Beginn las er Texte, jetzt lässt er sie sich über Hilfsmittel wie Telesign… in Gebärdensprache übersetzen.

Die Gebärdensprache ist seit 2001 eine anerkannte Fremdsprache. Seitdem gibt es auch ein Studium oder eine Ausbildung dafür. Es wird unterschieden zwischen

• Kommunikationsassistent - Ausbildung
• Gebärdensprachdolmetscher - Studium

Für rechtlich verbindliche Termine, wie Notar oder Gerichtsverhandlungen, ist auf jeden Fall ein Gebärdensprachdolmetscher notwendig. Ansonsten kann man sich auch mit einem Kommunikationsassistenten behelfen, der weniger Kosten verursacht.

Die Kosten für einen dieser Assistenten bei Beratung oder dienstlichen Gesprächen werden für den Betroffenen entweder von der Rentenversicherung (ab 15 Jahren sozialpflichtiger Beschäftigung) oder von Arbeitsagentur übernommen. Bei schulen ist der Kostenträger der Bezirk Mittelfranken.

Für die Auswahl gibt es die folgenden Eckpunkte:

• Gebärdendolmetscher oder Assistent
• LBG: Lautsprache mit Begleitung, jedes Wort eine Gebärde, lautsprachliche
Grammatik
• DGS: Deutsche Gebärdensprache, Grammatik in der Gebärdensprache
Die Grammatik der Gebärdensprache unterscheidet sich wesentlich von der
lautsprachlichen Grammatik. Objekte, Verben … treten an anderen Stellen auf (dies
gibt es ja auch in anderen Fremdsprachen). So wird zum Beispiel aus „ich gehe ins
Kino“ der Satz „ich Kino hin“. Die Gebärdensprachdolmetscher können schneller
übersetzen, müssen sich aber auf die andere Grammatik umstellen.

3. Psychosoziale Auswirkungen

• Häufige Missverständnisse in der Kommunikation
• Fehleinschätzung durch nichtbeeinträchtigte Menschen
• Vorurteile, wie derjenige ist einfach nur dumm
• Soziale Isolation
• Minderwertigkeitskomplexe
• Depressionen
• Einsamkeit

4. Kommunikationsunterschiede

• Fingeralphabet
Für jeden Buchstaben gibt es eine Fingerstellung. Dies nimmt man z.B. für Namen.
Doppelbuchstaben werden mit einem Bogen zwischen den Buchstaben gezeigt.
• Wortgebärde
hier gibt es für Wörter wie z.B. Ortsnamen, Zeiten (Morgen, Abend…), Personen oder
Verben (gehen…) eine Gebärdenabfolge.
Es sollte immer das Wo, Wer, Wann und Wie benannt werden. Wichtig ist, dass man
immer zu den Gebärden mitspricht, dies sollte nicht überdeutlich und in flüssigem
Sprechtempo erfolgen. Der Sprechende kann auch eigene Gebärden erfinden, wenn er
den Begriff in der Gebärdensprache nicht weiß.

5. Praktische Übungen

Jeder von Teilnehmern wurde von Herrn Hess aufgefordert, einen ihm bestimmten Buchstaben zu gebärden. Er schlug vor, sich zuhause das Fingeralphabet an die Wand zu hängen und immer einmal die einzelnen Buchstaben zu üben.

Dann bekamen die Hälfte der Teilnehmer Begriffe, die gesprochen und von Gebärden begleitet werden mussten. Die anderen Teilnehme bekamen Ohrstöpsel und Kopfhörer verpasst und mussten den Begriff Ihres Gegenübers erraten. Hier wurde auch gewechselt.

Um 16:20 Uhr war die Einführung in die Stille Welt zu Ende. Die Veranstaltung war für alle teilnehmenden Personen sehr interessant. Es wurden viele Fragen zu unterschiedlichen Themen gestellt. Alle stimmten dafür, einen weiteren Tag zur tieferen Einführung in die Gebärdensprache durchzuführen.

Herr Hess sendet jedem Teilnehmer noch die Unterlagen mit allen Informationen zu. Diese sind dann auch im Büro des Behindertenrats im Nachbarschaftshaus vorhanden.


-Renate Serwatzy Vorstandsmitglied-

Aktualisiert am 17.08.2024, 20:57 Uhr

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