Nach 1,5 stündiger Busfahrt kamen wir im verschneiten Flossenbürg an. Es herrschten noch eisige -2°C, und ein leichter Schneesturm fegte über den offenen Platz vor der Kommandatur, als uns der Busfahrer aussteigen ließ.
„Es wird kalt, zieht euch warm an!“ hallte Hr. Horsts Stimme in unseren Köpfen.
Nach kurzer Zeit nahmen uns die Führerinnen und Führer in Empfang, wir wurden in drei Gruppen aufgeteilt und Birgit, unsere Führerin, führte uns abseits der anderen Gruppen und erzählte. Wir standen auf Stelen, das sind Steinleisten (0,5m x 15m) die waagerecht im Boden eingelassen wurden. Diese Stelen sind das einzige, was vor Ort an die ehemaligen SS-Kasernen erinnert. Allgemein war nicht mehr viel übrig. Bau¬li¬che Über¬res¬te des ehe¬ma¬li¬gen La¬gers wer¬den erst seit Mit¬te der 1960er Jah¬re als schüt¬zens¬wert er¬ach¬tet. Zuvor riss man die ehemaligen Häftlingsbaracken ab und die Gemeinde erklärte einen Teil des Platzes zu einem Wohngebiet und ließ die Flächen bebauen. Heute stehen dort, wo Tausende verhungerten und unter den schlechtesten Bedingungen „lebten“, mehrere Einfamilienhäuser.
Kurz nach der Auflösung des KZs setzte eine Zeit des Verdrängens ein, in welcher das Grundstück des ehemaligen Konzentrationslagers sogar für die Industrie genutzt wurde. Im Jahr 2000 verkaufte die Firma Alcatel das Grundstück an das Bundesland Bayern zum symbolischen Preis von einem Euro.
Während Birgit uns das alles erzählte, froren bereits von einigen Mitschülern die Zehen ein. Im KZ-Flossenbürg wurde hauptsächlich Granit aus einem Steinbruch gefördert. Die Arbeit wurde erst eingestellt, wenn die Temperatur unter -25°C sank. „-25°C?“, fragte ich ungläubig. „Ja -25°C, und vor allem hatten die Häftlinge weder dicke Jacken noch Handschuhe, manche konnten von Schuhen nur träumen.“, sagte Birgit und sah mich mit ernster Miene an. Einige Sekunden Totenstille. Der Schneesturm fegte unerbittlich weiter.
In der ehemaligen Wäscherei ist mittlerweile eine Ausstellung einquartiert, die über einzelne Schicksale, Erzählungen von Überlebenden, erhaltenen Gegenständen und Bildern informiert. Zu sehen waren beispielsweise die Holzschuhe die einigen wenigen Häftlingen gegeben wurden, Häftlingskleidung, Zeichnungen von ehemaligen Häftlingen und Bilder vom Steinbruch, in dem die Häftlinge arbeiten mussten.
Wir wurden in den Waschraum geführt, hier mussten sich die Häftlinge nach dem Ankommen komplett ausziehen. Anschließend wurden sie alle rasiert, sodass die Häftlinge gleich aussahen. Ob man gehorchte oder nicht, ohne Prügel einzustecken kam keiner aus diesem Raum.
Es waren sehr intensive Eindrücke, die wir erleben durften, doch bin ich mir sicher, dass sich kein Mensch vorstellen kann, wie es wirklich dort war, wie es war Tag für Tag schikaniert zu werden, wie es war Tag für Tag Tote zu sehen und wegtragen zu müssen, wie es war Tag für Tag zu denken, dass man hier nicht mehr lebend raus kommt.
Das KZ-Flossenbürg wurde am 23. April 1945 von der US-Army befreit.
Tamer Pineci, Jonathan Büttner, Anthony Carrubba und Soran Dazaiy
aus der Klasse TEM 11 D