Grundlagen
Rechtsgrundlage für Straßenbenennungen und -umbenennungen ist Artikel 52 Absatz 1 des Bayerischen Straßen und Wegegesetzes (BayStrWG). Hiernach können die Gemeinden öffentlichen Straßen Namen geben. Die Auswahl des Straßennamens stellt eine Ermessensentscheidung der Gemeinde dar. Die Grundsätze der Straßenbenennung der Stadt Nürnberg (Stadtratsbeschlüsse vom 21.09.1960 und 27.06.1973) sehen vor, dass das Stadtarchiv zu jedem Benennungs- oder Umbenennungsvorschlag vorher ein Gutachten erstellt und anzuhören ist.
Auch die Anwohnerinnen und Anwohner werden im Falle einer Umbenennung um Stellungnahme gebeten bzw. angehört. Die Stadtverwaltung erläutert dabei die Gründe schriftlich, erforderlichenfalls auch in Informationsveranstaltungen. Nach ständiger Rechtsprechung haben die Anwohnerinnen und Anwohner ein subjektives Recht darauf, dass die Gemeinde bei der Namensänderung einer Straße die Interessen der Anwohner mit abwägt. Ein Recht auf Benennung bzw. Umbenennung einer Straße nach einem bestimmen Namen gibt es jedoch nicht.
Ablauf von Straßenbenennungen
Die Entscheidung über die Benennung bzw. Umbenennung einer Straße trifft der Stadtrat bzw. der Verkehrsausschuss des Stadtrats.
Anträge zu Straßenbenennungen werden aus der Mitte des Stadtrats gestellt. Auch aus der Bürgerschaft oder von Vereinen, Verbänden und Organisationen können Vorschläge eingereicht werden. Es gibt zudem Vorschläge aus der Stadtverwaltung. Derzeit gibt es weitaus mehr Anträge bzw. Vorschläge zu Straßenbenennungen als es neue Straßen zu benennen gibt. Daher kann es im Einzelfall Jahre dauern, bis ein Antrag bzw. Vorschlag umgesetzt wird.
Auf Seiten der Stadtverwaltung bereitet das Amt für Geoinformation und Bodenordnung in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv die nötigen Dokumente zur Entscheidung im Verkehrsausschuss vor. Nachdem der Stadtrat bzw. der Verkehrsausschuss des Stadtrats eine Benennung oder Umbenennung beschlossen hat, wird diese anschließend im Amtsblatt bekanntgemacht. Nach Ablauf der Widerspruchsfrist werden die neuen Straßenschilder durch den Servicebetrieb Öffentlicher Raum (SÖR) angebracht.
Straßenbenennungen nach Personen
Straßenbenennungen nach Personen können stets nur nach verstorbenen Personen erfolgen. Dabei wird die Benennung als Ehrung definiert, mit der die Verdienste der verstorbenen Person gewürdigt werden sollen. Eine personenbezogene Straßenbenennung setzt immer diese Ehrungsfähigkeit voraus.
Straßenbenennungen nach Personen sind immer ein Spiegel der Zeitgeschichte, deren Bewertung als Folge neuerer Einsichten, Deutungen, Hinterfragungen, geänderter Wert- und Rechtsvorstellungen einem ständigen Wandel unterliegen. Daher ist die Rolle des Stadtarchivs gerade bei Straßenbenennungen nach Personen wichtig. Das Stadtarchiv fertigt zunächst ein umfangreiches Gutachten über die zu ehrende Person an.
Umgang mit kontroversen Straßenbenennungen
Früherer Umgang
Bereits kurz nach Ende der NS-Herrschaft, noch bevor in Nürnberg am 30.06.1945 die amerikanische Militärregierung die Hoheit über die Stadt übernahm, wurden 24 nach NS-Größen benannte Straßen und Plätze rückbenannt. Der amerikanischen Militärregierung wurde darüber hinaus eine Liste von ca. 100 Straßennamen übergeben, die einer Umbenennung bedurften. Für 30 dieser Straßennamen wurde der ursprüngliche Name, d.h. vor der NS-Zeit, wiederhergestellt.
Später wurden in Nürnberg die Treitschkestraße (Stadtratsbeschluss vom 10.05.1989 mit Umbenennung in Steuerwald-Landmann-Straße) und die im Jahr 1957 benannte Bischof-Meiser-Straße (Stadtratsbeschluss vom 24.01.2007 mit Umbenennung in Spitalgasse) umbenannt. Während des Umbenennungsverfahrens zur Treitschkestraße wurde vom damaligen Vermessungsamt (heute: Amt für Geoinformation und Bodenordnung) auf Veranlassung des Stadtrats (Verkehrsausschuss vom 16.02.1989) eine Liste der in der NS-Zeit gebildeten Straßennamen erstellt. Von den betroffenen 263 Straßen wurden viele damals nach Orten der näheren Umgebung und nach Städten benannt. Die Liste enthielt auch 69 Straßennamen nach Personen, die keinen weiteren Anstoß erregten. Diese Liste wurde als Bericht im Verkehrsausschuss am 13.07.1989 vorgelegt.
Im Falle der Pausalastraße lehnte der Stadtrat eine Umbenennung ab (Stadtratsbeschluss vom 19.11.1996).
Umgang seit dem Jahr 2018
In der Sitzung des Verkehrsausschusses am 20.09.2018 wurde über den Umgang mit belasteten Straßennamen ausführlich und grundsätzlich diskutiert. Am Ende herrschte Konsens, dass eine Einzelfallprüfung beibehalten wird. Eine Umbenennung soll insbesondere dann erfolgen, wenn eine - aus heutiger Sicht wie unter Einbeziehung der Zeitumstände zu Lebzeiten des Namensgebers - evidente, schwere Verletzung fundamentaler Verfassungswerte durch den Namensgeber die weitere Verwendung dessen Namens als Straßenbezeichnung als nicht hinnehmbar erscheinen lässt. Wenn im konkreten Fall vertretbar, sollte dann neben der Möglichkeit einer Umbenennung auch die Anbringung eines Zusatzschildes mit einem erläuternden Text als weitere Option geprüft werden.
Bei einer Straßenbenennung bzw.-umbenennung nach einer Person gilt es, eine Gesamtabwägung vorzunehmen. Zudem sind Straßenbenennungen nach Personen ein Spiegel der Zeitgeschichte, deren Bewertung als Folge neuerer Einsichten, Deutungen, Hinterfragungen, geänderter Wert- und Rechtsvorstellungen einem ständigen Wandel unterliegen. Wie Denkmale sind Straßennamen Teil der Stadtbiographie und Ausdruck der jeweiligen Zeitumstände. Es wäre zu einfach gedacht, diesen Teil der Stadtbiographie durch systematische Umbenennungen auf die Schnelle „reinzuwaschen“.
Die Nürnberger Zeitung schrieb zu diesem Thema am 06.04.2017: „Wo sind oder wer zieht die Grenzen, zwischen dem, was noch akzeptiert wird? Ein Menschenleben und seine Leistungen lassen sich meistens nicht in Gut und Böse aufteilen, auch wenn es in der Rückschau so scheint. Straßenschilder gehören zur Geschichte einer Stadt und die ist nicht reinzuwaschen durch die Tilgung von Namen. Es wird eben aus heutiger Sicht an manchmal zweifelhafte Menschen mit einer ambivalenten Geschichte erinnert. Auch daraus kann man lernen. Das sollte so bleiben, wenn es sich nicht um Nationalsozialisten oder ihnen Nahestehende handelt.“
Gerade bei bereits benannten Straßen, die man so heute nicht mehr benennen würde, können Zusatzschilder der Aufrechterhaltung der Erinnerungskultur dienen, zum Nachdenken bzw. zur Diskussion und vor allem zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der betreffenden Person oder historischen Ereignissen anregen.
Zusatzschilder
In der Vergangenheit wurden Zusatzschilder, die die Straßennamen erläutern, nur in Einzelfällen und unsystematisch eingebracht.
Seit dem Jahr 2019 wird wie folgt verfahren (vgl. Bericht im Verkehrsausschuss vom 12.12.2019):
- Bei allen neuen nach Personen benannten Straßen Zusatzschilder angebracht, die die Lebensdaten bzw. die Bedeutung der geehrten Person in knapper Form erläutern.
- Bei den bereits ca. 1.200 bestehenden, nach Personen benannten Straßen, Brücken und Plätzen in Nürnberg erfolgt die Anbringung eines Zusatzschildes mit einem erläuternden Text nur in Ausnahmefällen. Dies geschieht insbesondere dann, wenn eine Kommentierung aufgrund neuerer Erkenntnisse notwendig erscheint und dies einer besseren historischen Einordnung dienlich ist. Beispiele hierfür sind Stehrstraße, Pausalastraße sowie Wissmannstraße und –platz.
Geschlechtergerechtigkeit
Von den derzeit 1417 personenbezogenen Straßennamen in Nürnberg haben 9% der Straßennamen einen weiblichen Bezug, 81% einen männlichen Bezug und 10% können nicht zugeordnet werden (gerundete Zahlen, Stand 04/2024).
In der Sitzung des Verkehrsausschusses vom 15.11.2018 haben Stadtverwaltung und Stadtratsmitglieder einmütig bekundet, dass mehr Straßen nach Frauen benannt werden müssen. Dies wurde auch in dem vom Stadtrat am 17.10.2018 beschlossenen Gleichstellungsaktionsplan festgelegt. In Zukunft sollen daher verstärkt Straßenbenennungen nach Frauen erfolgen.
Von den im Zeitraum 01/2018 - 04/2024 beschlossenen 62 Straßenbenennungen erfolgten 46 nach Personen – davon 24 Benennungen nach Frauen und 22 Benennungen nach Männern (Stand 04/2024).
Kürzlich erfolgte Straßenbenennungen
- Uraniapark (Beschlussdatum 14.03.2024, Benennung des Parks südlich der Rothenburger Straße auf Höhe der Straße "Am Tiefen Feld" nach Urania, der Muse der Sternenkunde)
- Johann-Heinrich-Müller Straße (Beschlussdatum 14.03.2024, Benennung der Straße zwischen dem Simon-Marius-Platz und der Rothenburger Straße nach dem deutschen Astronom und Professor für Physik Johann Heinrich Müller)
- Von-Soldner-Straße (Beschlussdatum 14.03.2024, Benennung der Straße östlich des Simon-Marius-Platzes zwischen der Straße "Am Tiefen Feld" und dem Uraniapark nach dem deutschen Astronom, Physiker und Mathematiker Johann Georg von Soldner)
- Simon-Marius-Platz (Beschlussdatum 14.03.2024, Benennung des Platzes zwischen der Maria-Clara-Eimmart-Straße und der Von-Soldner-Straße nach dem deutschen Astronom, Mathematiker und Arzt Simon Marius)
- Maria-Clara-Eimmart-Straße (Beschlussdatum 14.03.2024, Benennung der Straße westlich des Simon-Marius-Platzes zwischen der Straße "Am Tiefen Feld" und dem Uraniapark nach der Nürnberger Astronomin, Künstlerin und Kupferstecherin Maria Clara Eimmart)
- Schengener Straße (Beschlussdatum 14.03.2024, Benennung der neu enstehenden von der Wiesbadener Straße Richtung Osten abzweigenden und Richtung Steinacher Straße verlaufenden Straße nach der luxemburgischen Gemeinde Schengen, Unterzeichnungsort des Schengener Abkommens)
- Weg der Partnerstädte (Beschlussdatum 14.03.2024, Benennung des Verbindungswegs zwischen dem Johann-Soergel-Weg und dem Wöhrder Wiesenweg östlich des Ulman-Stromer-Wegs als "Weg der Partnerstädte"- zu Ehren der jahrelangen freundschaftlichen Beziehungen zu den Partnerstädten Nürnbergs)
- Am Tiefen Feld (Beschlussdatum 14.03.2024, Benennung der neu entstehenden Verbindungsstraße südlich der Rothenburger Straße im Bereich des "Tiefen Feldes" nach der alten Flurbezeichnung "Tiefes Feld")
- Benjamin-Ferencz-Platz (Beschlussdatum 14.12.2023, Benennung des neu zu gestaltenden Platzes vor dem
Memorium Nürnberger Prozesse nach dem Chefankläger einer der Nürnberger Prozesse Benjamin Ferencz)
- Johannes-Falk-Platz (Beschlussdatum 19.10.2023, Benennung der Wendeschleife an der Ecke Seminarweg - Dutzendteichstraße - Bayernstraße nach dem Nürnberger Unternehmer Johannes Falk)
- Ágnes-Rózsa-Weg (Beschlussdatum 19.10.2023, Benennung des von der Paumannstraße nach Nordosten bis zur Julius-Loßmann-Straße verlaufenden Fußgängerwegs nach der ungarisch-rumänischen Schriftstellerin Ágnes Rózsa)
Straßennamenverzeichnis
Im Lexikon der Nürnberger Straßennamen, herausgegeben von Michael Diefenbacher und Steven M. Zahlaus in Zusammenarbeit mit dem Amt für Geoinformation und Bodenordnung (Band 26 der „Quellen und Forschungen zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg“) wird jeder Straßenname Nürnbergs erläutert. Bei den nach Personen benannten Straßen ist auch eine kurze Biographie zur Person enthalten.
Derzeit arbeitet die Stadtverwaltung daran, dieses Lexikon online zu stellen.