Vergabeentscheidung getroffen: So sieht die neue Staatstheater-Spielstätte im Kongresshallen-Innenhof aus

„Geboten scheint hier eine Architektur, die paradoxer Weise nicht als solche in Erscheinung tritt“

Am 20. Juli 2022 beschloss der Nürnberg Stadtrat, dass im nordwestlichen Bereich des Innenhofs der Kongresshalle ein sogenannter Ergänzungsbau als Teil der neuen Spielstätte für das Staatstheater Nürnberg errichtet werden soll. Dieser Ergänzungsbau umfasst Bühne, Zuschauerraum, Orchesterprobenraum sowie bühnennahe Funktionsbereiche.
Auf der Grundlage dieses Beschlusses hat die Stadtverwaltung im März 2023 ein Verfahren eingeleitet, das die gemeinsame Vergabe der Planungs- und Bauleistungen ermöglicht (Totalübernehmer-Verfahren).

Am 17. Juli 2024 konnte dem Stadtrat ein Bieterangebot sowie ein architektonischer Entwurf präsentiert werden, der allen in der Ausschreibung formulierten Anforderungen entspricht.

Blick von oben auf den zu errichtenden Ergänzungsbau als neue Spielstätte des Staatstheater Nürnberg im Kongresshallen-Innenhof (Computergrafik)

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Blick von oben auf den zu errichtenden Ergänzungsbau als neue Spielstätte des Staatstheater Nürnberg im Kongresshallen-Innenhof (Computergrafik)

Hohe Anforderungen an den Ergänzungsbau

Die Kongresshalle hat als eine der größten baulichen Hinterlassenschaften aus der Zeit des Nationalsozialismus herausragende denkmalpflegerische und erinnerungskulturelle Bedeutung. Daraus ergeben sich besondere Anforderungen für den Ergänzungsbau, die bereits in der Ausschreibung klar formuliert wurden: „Der Ergänzungsbau soll sich städtebaulich und hinsichtlich seiner Kubatur und Materialität in angemessener Weise mit dem baulichen Bestand des unvollendeten Rohbaus (Torso) der Kongresshalle auseinandersetzen und sich diesem unterordnen.“
Aus dem Prinzip „Unterordnen“ ergeben sich zwei Postulate: Zum einen soll die gestalterische Dominanz des Domenig’schen Pfahls als Teil des Dokumentations-Zentrums gewahrt bleiben. Zum anderen soll der Ergänzungsbau das Dach der Kongresshalle nicht überragen. Es war also bewusst keine exponierte Architektur gewünscht. Im Gegenteil: „Geboten erscheint hier eine Architektur, die paradoxerweise nicht als solche in Erscheinung tritt“, heißt es in der kunsthistorischen Betrachtung des Ortes durch Luisa Beyenbach, die das letztendlich berücksichtigte Bauunternehmen im Vorfeld in Auftrag gab. In diesem Satz steckt die Essenz der Herausforderung, die der ausgewählte Entwurf gemeistert hat.

Eine „Nicht-Architektur“ schaffen

Im Vergabeverfahren erhielt das Angebot des Bieters Georg Reisch GmbH & Co. KG, Bad Saulgau, die höchste Punktzahl. Der dem Angebot zugrundeliegende Entwurf des Ergänzungsbaus wurde vom Stuttgarter Architekturbüro LRO GmbH & Co. KG verfasst. Das schwäbische Bauunternehmen und LRO haben bereits bei einigen Projekten erfolgreich zusammengearbeitet, beispielsweise beim Neubau des Münchner Volkstheaters, der Johann-Pachelbel-Realschule in Nürnberg sowie beim Kunstmuseum Ravensburg.

Der Bieterentwurf ist ein hervorragendes Beispiel für den Umgang mit dem historischen Gebäude. Der geplante Neubau nimmt bewusst die Gegenposition des massiven, hufeisenförmigen Kongresshallen-Torsos ein und zeigt sich „grün“ und „lebendig“. Grün entsteht an einem Ort, an dem auf natürlichem Weg nichts wachsen kann. Grün entsteht dort, wo vor 1933 eine Waldfläche vorhanden war und mit Erbauung des Kongresszentrums unzählige Bäume gefällt wurden. So gesehen wird zurückgebaut. Die Natur nimmt den Raum ein.
Durch die Beschaffenheit und Erscheinung sowie die Maßstabslosigkeit des geplanten Neubaukörpers gelingt es, nicht in Konkurrenz mit dem Bestehenden zu treten.
Der Ergänzungsbau bildet ein bauliches Pendant zum Dokumentationszentrum. Beide stehen, jeweils abgewinkelt vom Bestand, miteinander in dialogischer Beziehung, das eine mahnend, das andere „lebendig“ und dem Spiel gewidmet. Das Dokumentationszentrum beinhaltet die Wirklichkeitsform, die Oper die Möglichkeitsform.

  1. Blick in den Innenhof mit dem neuen Ergänzungsbau rechterhand (Computergrafik)

    Eine Architektur, die nicht als solche in Erscheinung tritt

    Zukünftiger Blick in den Innenhof: Erst auf den zweiten Blick wird der Theaterbau in seiner Gesamtheit sichtbar.

  2. Verbindungssteg zwischen Rundbau und Ergänzungsbau

    Verbindung von Bestand und Neubau im Erdgeschoss

    Im Übergang vom Torso zum Neubau wird der Innenhof sowie das Hufeisen für einen Moment erlebbar, bevor man eintaucht in den Zuschauersaal.

  3. Der Zugang zum Ergänzungsbau erfolgt über zwei Brücken.

    Minimaler Eingriff in den Ursprungsbau

    Der Neubau ist mit dem Rundbau lediglich über zwei dünne „Finger“ verbunden, was die Eingriffe in das denkmalgeschützte Gebäude minimiert.

  4. Sitzgelegenheiten auf dem Weg in den Ergänzungsbau (Computergrafik)

    Verbindungsgang im rückwertigen Bereich des Ergänzungsbaus

    Hier kann man auf kurzem Wege die Seiten des Saals wechseln mit Blick auf die Verbindungsstege sowie die Bestandsfassade.

  5. Blick von der Bühne in den Zuschauerraum

    Ein maximal flexibler Bühnen- und Zuschauerraum

    Blick von der Bühne in den Zuschauerraum.

Wer nach der Fertigstellung des Ergänzungsbaus den Innenhof durch den Torbogen betritt, wird rechter Hand eine bepflanzte Wand sehen, die sich leicht in die Mittelachse schiebt. Erst auf den zweiten Blick wird der Theaterbau in seiner Gesamtheit sichtbar, der jedoch durch seine Gestaltung die Wahrnehmbarkeit des Kongresshallen-Torsos nicht wesentlich beeinträchtigt.

Der Neubau ist mit dem Kongresshallen-Rundbau lediglich über zwei dünne Finger verbunden – was die Eingriffe in das denkmalgeschützte Gebäude minimiert. Die verglasten Übergänge geben auf dem Weg in den Zuschauersaal oder in den Pausen den Blick auf die Ziegelmauern des Innenhofs frei.



Fassade

Die Grünfassade mit ihren Nistkästen und Insektenhabitaten bringt Leben im sprichwörtlichen Sinne in den Innenhof. Das ermöglichen große Pflanztröge im Sockel und an der Attika sowie eine Be- und Entwässerung. Die vorgezogenen Rankpflanzen werden zu Beginn noch nicht die gesamte Fassade einnehmen, so dass man den Prozess des Zuwachsens miterleben kann. Die Natur nimmt sich ihren Raum. Auch im Wechsel der Jahreszeiten kann man die Fassade als lebenden Organismus mit seinen Veränderungen miterleben.
Die Dachlandschaft als fünfte Fassade wird durch ihre Begrünung gleichwertig eingebunden. Diese symbolisiert gleichzeitig den ursprünglichen Waldbestand des Geländes.

Wachsende Begrünung an der Fassade des Ergänzungsbaus

Wachsende Begrünung an der Fassade des Ergänzungsbaus


Vorderhaus

Anbindung aus dem / in den Bestand

Aus dem Eingangs- und Garderobenbereich im Torso kommen die Besucher über die Verbindungsstege auf kurzem Weg in den Saal oder in den um ein Geschoss versetzten Orchesterprobensaal. In der Pause ist der Weg zur Bar ebenfalls nicht weit, da es auch auf der Ebene der Bar eine direkte Verbindung vom Neubau in den Bestand gibt.

Aufenthaltsqualität

Über die transparenten Stege kommen die Besucher aus dem Bestand in den Neubau, vorbei an den seitlichen Treppen, die sowohl auf den Rang als auch auf das höhergelegene Bar-Geschoss im Bestand führen, weiter in den Saal. Das Saalinnere ist geprägt von einem Holzboden sowie bunt gehaltenen Akustikelementen. Der Bereich, in dem sich Zuschauer aufhalten, ist im Verhältnis zum gesamten Neubau klein, bietet aber spannende Möglichkeiten, um die Pausen zu verbringen, Menschen zu beobachten und zu treffen. Die Zuschauerbereiche unterscheiden sich haptisch und optisch, durch Holzböden und Holzmobiliar, von den Backstage-Bereichen. Über einen Verbindungsgang hinter dem Zuschauerraum kann man auf kurzem Wege die Seiten des Saals wechseln. In der Pause gelangt man über die seitlichen Treppenhäuser oder über den Bestand rasch zur Bar. Dieser Verbindungsgang dient zugleich als „Pausenverweilraum“. Von hier aus hat man auch einen guten Blick auf die Verbindungsstege.

Akustik

In den Übergängen von Bestand zum Saal ist die Akustik auf den Aufenthalt der zu erwartenden Zuschaueranzahl ausgelegt; beim Ankommen und Weggehen, wie auch beim Aufenthalt in der Pause, entsteht durch die akustischen Maßnahmen eine angenehme Geräuschkulisse. Der Saal selbst ist mit Reflektoren und absorbierenden Elementen optimal ausgestattet. Vorhänge in den Garagen der Seitenwände sowie Reflektoren können die Akustik, entsprechend den Erfordernissen, verändern.

Sichtbeziehungen

Die Sichtbeziehungen sind optimal. Die parallelen Seitenwände des Saals, wie auch das ansteigende Gestühl, sind entsprechend konzipiert. Auf Grund der Integration eines Ranges werden allzu bühnenferne Zuschauerplätze vermieden. Der Rang ist derart platziert, dass weder die Zuschauer unterhalb des Ranges noch das Publikum auf dem Rang oder die Mitarbeiter der Technik in ihrer Sicht eingeschränkt sind.


Bühne

Bühne

Bühne, Seitenbühne, Hinterbühne, Montagehalle, Anlieferung, Magazin und Lager sind derart platziert, dass reibungslose Abläufe möglich sind und eine größtmögliche Flexibilität, auch beim Bewegen von Kulissen und Gegenständen, vorhanden ist. Der Lastenaufzug verbindet den Außenbereich mit dem Niveau der Bühne und dem unteren Niveau, auf dem sich weitere Lager und Magazine befinden. Türen und Tore sind so gesetzt, dass sowohl den Künstlern während der Aufführung ideale Wegverbindungen ermöglicht werden. Dasselbe gilt auch für die Vorbereitung der Kulissen. Um einen störungsfreien Betrieb bei paralleler Benutzung von Probenbühne, Orchesterprobe und Bühne mit Seiten- und Hinterbühnen zu ermöglichen, ist ein räumlicher Abstand zwischen diesen Räumen sowie eine konstruktive Entkopplung vorgesehen. Tribünen mit bis zu 200 Sitzplätzen können auf der Hinterbühne und der Seitenbühne montiert werden.

Hinterhaus / Backstage

Die Abendgarderoben und die Vorbereitungsräume sind auf der Ebene -5.00 m, somit auf der Ebene der Künstlergänge, unterhalb des Bühnenniveaus, verortet. Zwei Künstlergänge sowie drei Treppenhäuser verbinden auf kurzem Wege sowohl die rechte und linke Bühnenseite wie auch die untere Ebene (-5.00 m) mit der Bühnenebene (-1.25 m). Kurze Wege und optimale Abläufe sind somit, sowohl in der Vorbereitung wie
auch während der Aufführungen, vorhanden. An den Künstlergängen gelegen sind des Weiteren die Zugänge zur Drehscheibe, zum Bühnenaufzug und zum Bereitschaftsraum. Eine optimale Lage des Bühnenaufzugs, wie auch der bühnennahen Toilette bieten weiteren Komfort.


Orchesterbetrieb

Organisation

Den Orchesterprobensaal erreicht man über die östliche Treppe des Neubaus. Geht man diese nach unten, gelangt man, über einen kleinen Vorraum mit einer Sitzbank, direkt zum Zugang des Orchesterprobensaals. Die Akteure kommen aus der entgegengesetzten Richtung, so dass sich die Wege nicht kreuzen. Vom Orchesterprobensaal gelangt man mit wenigen Schritten in den nahegelegenen Orchestergraben, der unterhalb der Bühne angeordnet ist. Instrumente können rasch vom Orchesterprobensaal zum Orchestergraben und zum Instrumentenlager gebracht werden. Mit Hilfe der Podesterie kann der Orchestergraben auf das Niveau der Bühne gefahren werden. Auch die Podeste im Orchesterprobensaal können per Aufzug oder Podesterie auf Bühnenniveau gebracht werden.

Anbindung an Proberäume im Bestand

Die Verbindung erfolgt durch den Bestand im Kongresshallen-Torso, über die Verbindungsstege zum Neubau, in deren Nähe der Orchesterprobenraum verortet ist.

Orchesterprobensaal

Die Seitenverhältnisse des Orchesterprobensaals entsprechen denen der Vorgabe. Der Raum erhält akustische Maßnahmen, die der Funktion entsprechen. Einzelfenster in der Außenwand sind im Rhythmus der akustischen Elemente im Innenraum vorgesehen.

Orchestergraben

Die Künstler gelangen von der Abendgarderobe im östlichen Bereich des Neubaus über eine Schleuse direkt in den Orchestergraben, mit angrenzendem Instrumentenlager. Mit wenigen Schritten erreicht man vom Orchestergarben die Orchesterprobebühne. Per Podesterie ist der Orchestergraben auf Höhe der Bühne verfahrbare.


Kosten und Finanzierung

Der Stadtrat hat im Dezember 2022 für den Ergänzungsbau einen Kostenrahmen von 42 Mio. Euro als Kostenobergrenze beschlossen. Die – relativ grobe – Schätzung dieses Betrags orientierte sich an der 2021 fertiggestellten Isarphilharmonie in München. Dem Budget von 42 Mio. Euro lag die Annahme zugrunde, dass dieses „Interim“ lediglich zehn Jahre genutzt und anschließend rückgebaut wird.

Diese Prämisse hat sich jedoch geändert: Die Vorgaben der Förderung nach dem Finanzausgleichsgesetz verlangen eine Nutzungszeit von mindestens 25 Jahren. Dies hat Konsequenzen für die erforderlichen Qualitäten der Bauausführung. Die Marktsignale nach der Veröffentlichung der Ausschreibung haben außerdem sehr deutlich gezeigt, dass der Ergänzungsbau mit einer Ausstattung, die den im Bedarfsplan definierten Anforderungen an den Spielbetrieb des Staatstheaters Nürnberg entspricht, nicht für 42 Mio. Euro zu haben ist. Die Kosten für den Ergänzungsbau liegen gemäß dem ausgewählten Angebot bei 85,5 Mio. Euro.

Zur Eindämmung der Kosten hatte das Staatstheater bereits im Vorfeld alle Möglichkeiten ausgeschöpft, wie einige Beispiele illustrieren: So wurde auf eine Untermaschinerie und eine Kreuzbühne verzichtet. Die Obermaschinerie wird aus dem Bestand vom Richard-Wagner-Platz an den Standort Kongresshalle umgezogen. Dort wird der Zuschauerraum im Vergleich zum Opernhaus um gut ein Fünftel auf 800 Plätze reduziert.
Weitere Einsparungen würden zu einer dysfunktionalen Lösung für die Spielstätte des Staatstheaters in der Kongresshalle führen.

Fördermittel für den Ergänzungsbau

Die Stadt Nürnberg hat für die Spielstätte des Staatstheaters Fördermittel nach Artikel 10 des Bayerischen Finanzausgleichsgesetzes (BayFAG) beantragt: 75 Prozent der Kosten für die neue Spielstätte sollen aus Landesmitteln finanziert werden. Die Regierung von Mittelfranken – sie fungiert als Schaltstelle zwischen den bayerischen Staatsministerien und den Kommunen – hat eine Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt.

Diese Unbedenklichkeitsbescheinigung war die Voraussetzung für den Start des Vergabeverfahrens im April 2023: Grundsätzlich sehen die Fördervorgaben nämlich vor, dass während der laufenden Antragsbearbeitung keine Aufträge für Bauleistungen vergeben werden dürfen. Eine Ausnahme von dieser Regel lässt sich lediglich über eine sogenannte Unbedenklichkeitsbescheinigung erwirken. Die Stadt Nürnberg hat diese Unbedenklichkeitsbescheinigung beantragt, um den Ergänzungsbau der neuen Spielstätte des Staatstheaters im „Innenhof“ der Kongresshalle zügig voranbringen zu können.

Die Zuweisung von FAG-Mitteln für ein Bauvorhaben ist nach den Vorgaben des Freistaats Bayern nur möglich, wenn das Gebäude 25 Jahre genutzt wird. So wird die Kongresshalle auch nach der Rückkehr des Staatstheaters an den Richard-Wagner-Platz ein Areal der Kunst und Kultur bleiben. Die Synthese aus Ermöglichungsräumen und dem Ergänzungsbau des Staatstheaters bietet Perspektiven für eine weitere Spielstätte als Bereicherung des Kulturlebens für Nürnberg und die Region.

Pressemitteilung "Beschluss zur Vergabe des Ergänzungsbaus"

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