Erster Ausstellungsbereich

Erster Ausstellungsbereich.

1.1 NÜRNBERG UND DIE MEISTERSINGERHALLE

Im Jahr 1958 beschließt der Nürnberger Stadtrat, ein neues Konzert- und Veranstaltungsgebäude zu errichten: Auf dem historischen Gelände des Luitpoldhains in der Nähe des Dutzendteichs entsteht die Meistersingerhalle.

Die erstmals im Jahr 1050 urkundlich erwähnte Stadt Nürnberg hat bis zu diesem Zeitpunkt schon dreimal ein Deutsches Reich erlebt: das mittelalterliche Heilige Römische Reich Deutscher Nation, seit 1871 das Deutsche Kaiserreich und schließlich das von den Nationalsozialisten sogenannte Dritte Reich.

Die hoch über der Altstadt gelegene Burg kündet noch von Nürnbergs großer Zeit als eine der bedeutendsten Städte im deutschen Sprachraum. Um 1500 revolutioniert hier Albrecht Dürer die Kunst. Peter Vischer, Veit Stoß und Adam Kraft wirken mit ihren Skulpturen und Plastiken weit über die Grenzen der Stadt. Alle neu gekrönten deutschen Könige halten in Nürnberg ihre Reichstage ab. Nürnberger Waren und Nürnberger Handel sind in ganz Europa präsent. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs 1648 erlebt Nürnberg eine Zeit der Stagnation: die alte Stadt ist stehen geblieben, und es wird wenig neu gebaut. Erst durch die Industrialisierung des 19. Jahrhunderts steigt die Stadt wieder zu einem Wirtschaftszentrum auf – rund um die historische Altstadt wächst Nürnberg zur Großstadt heran. Die Landesaustellung von 1906 wird zu einer Leistungsschau der Bayerischen, vor allem aber auch der Nürnberger Wirtschaft. Zu diesem Anlass leistet die Stadt sich die Parkanlage Luitpoldhain, in der heute die Meistersingerhalle steht. Als ein Teil des Ausstellungsgeländes entsteht die Luitpoldhalle, eine Ausstellungshalle für große Maschinen der Nürnberger Industrie, die nach der Landesausstellung als städtische Festhalle dient.

Die Nationalsozialisten machen Nürnberg zur Stadt der Reichsparteitage und beginnen Aufmarschflächen, Hallen, Tribünen in gigantischen Dimensionen für ihre Propagandaveranstaltungen im Südosten Nürnbergs zu planen – das Reichsparteitagsgelände entwickelt sich zu einer der größten Baustellen des nationalsozialistischen Deutschen Reiches. Für den Luitpoldhain bedeutet das die totale Zerstörung der Parkanlage, die einer öden Aufmarschfläche weichen muss. Die Luitpoldhalle wird bis zur Unkenntlichkeit umgebaut.

1.2

Alle Maßnahmen haben nun dem Zweck der nationalsozialistischen Selbstdarstellung zu dienen. In dem seinerzeit Luitpoldarena genannten, unmittelbar neben der heutigen Meistersingerhalle gelegenen Gebäude treten zwischen 1933 und 1938 Hunderttausende SA- und SS-Männer vor Hitler an. Obwohl die meisten Bauprojekte des Reichsparteitagsgeländes unvollendet bleiben, hat die Hitlerzeit einen großen Teil des Naherholungsgebiets um den Dutzendteich vernichtet.

Im Zweiten Weltkrieg werden weite Teile der Altstadt, aber auch viele Bauten im übrigen Stadtgebiet durch Bomben zerstört – darunter auch die Luitpoldhalle. Die Stadt besitzt von da an keine große Veranstaltungshalle mehr.

Nürnberg liegt in Trümmern. Beim Blick über den Hauptmarkt in die Ruinenlandschaft bis hinauf zur zerstörten Burg erscheint ein Wiederaufbau fast als unrealistischer Traum. Doch die Nürnberger erfüllen sich diesen Traum in kleinen Schritten: Sie räumen Trümmer, bauen Marktbuden für den Handel, schaffen Notwohnungen und setzen in alten Werkhallen die Produktion in Gang.

Aus den kleinen Schritten werden große. Zwischen 1950 und 1960 entstehen 10.000 Wohngebäude, neue Fabriken gehen in Betrieb, viele jahrhundertealte Baudenkmale können instand gesetzt werden. Unternehmen in Nürnberg und Fürth wie Siemens, Grundig, Triumph, AEG und Quelle stehen in der westdeutschen Produktion mit an vorderster Stelle. 1953 wird ein Franke zum Wirtschaftssteuermann der Republik: der aus Fürth stammende Ludwig Erhard.

Es fließt wieder Geld in die Stadtkasse und der Nürnberger Stadtrat kann sich und den Bürgern einen Jahrzehnte alten Wunsch erfüllen: ein neues Konzert- und Veranstaltungsgebäude. Hierfür lässt die Stadt Nürnberg Ende 1959 die Rednertribüne Hitlers, die Zuschauertribünen und die Aufmarschflächen der Luitpoldarena sprengen – ein (vergeblicher) Versuch, so auch die belastende Geschichte des Nationalsozialismus
loszuwerden. Erst Jahrzehnte später beginnt in Nürnberg eine offene Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit.

Immerhin entsteht durch die Sprengung der Luitpoldarena Platz für die 1963 eingeweihte Meistersingerhalle, die durch ihre lichte und klare Architektur eine ganz andere, neue demokratische Gesinnung verkörpert.

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