Vierter Ausstellungsbereich

Vierter Ausstellungsbereich.

4.1 Raum für die Gemeinschaft

In den von Zerstörungen geprägten letzten Kriegsjahren und der Not der Nachkriegszeit entwickelt Nürnbergs Bürgerschaft einen regelrechten Hunger auf Erlebnisse in einer festlich gestimmten Gemeinschaft. Nach den Härten des Alltags gilt ein Konzert als künstlerisches Ereignis, auf das man sich einstimmt, für das man sich gut ankleidet, bei dem man nicht nur sehen und hören will, sondern ebenso danach verlangt, von anderen gesehen und gehört zu werden, mit anderen im Gespräch zu sein. Die Meistersingerhalle baut einen Rahmen für diese Anliegen und gewinnt früh Anerkennung:

„Die Frage nach der Festlichkeit mit heutigen Mitteln wird immer wieder gestellt. Die Meistersingerhalle dürfte wohl als Beispiel dafür gelten, wie dies bei einer im Kern nüchternen Architektur erreicht werden kann. Die Großzügigkeit der architektonischen Konzeption wird – cum grano salis – überall mit der Ausstattung zu einer Einheit.
Der Stadt Nürnberg gebührt Anerkennung für ihren Mut und die Einsicht, dass ein solcher Bau notwendig ist. Die Qualität, die der Bau für die Bildung eines echten Bürgersinns besitzt, nämlich einen Rahmen für das Zusammentreffen vieler gleichgesinnter Menschen zu schaffen, wird evident, betrachtet man den Torso jener unheimlichen Kongresshalle, der wenige hundert Meter entfernt in seiner furchtbaren Maßstabslosigkeit und seinem falschen Pathos der Nachbar der Meistersingerhalle ist. In einer solchen Konfrontation muss unsere Zeit sich beweisen." (Baumeister, März 1964)

Die öffentlichen Gebäude der Nachkriegszeit sind in ihren Raumfolgen und ihrer Ausstattung vom Geist der Demokratie geprägt. Der Bürger steht auf einer Ebene mit den Prominenten – eine räumliche Trennung gibt es nicht. Die Meistersingerhalle behält diese Gemeinsamkeit in den 50 Jahren ihres Bestehens immer bei, der Bürger steht vor wie nach den Konzerten im Mittelpunkt.

4.2 Die Halle und die Künstler

Wie die Meistersingerhalle auf die Interpreten wirkt, lässt sich in den zahlreichen Gästebüchern nachlesen. Am 17. Februar 1964, also kurze Zeit nach der Eröffnung, gastiert hier Elly Ney, die weltbekannte Pianistin: „Die Meistersingerhalle war für mich ein großes Erlebnis. Beim ersten Klang spürte ich das Mitschwingen des Raumes, wodurch die Musikwerke sich ungehindert entfalteten und in der Gesetzmäßigkeit von Melodie und Rhythmus sowie der jedem einzelnen Ton zugehörigen Atmosphäre voll wirksam werden können. Wie selten findet man es doch, dass in neu errichteten Musiksälen die Klangverhältnisse derart günstig sind! So bietet dieser Saal eine große Hilfe, ein Musikwerk in wahrer Größe entstehen zu lassen – Raum, Klangverhältnisse und Farbe in harmonischer Einheit lassen die Meistersingerhalle vorbildlich und ideal in Erscheinung treten." Der Pianist Wilhelm Kempff, der Geiger Yehudi Menuhin und der Dirigent Joseph Keilberth würdigen den Bau gleichermaßen. Die Gästebücher der Halle vermitteln einen Einblick in die Vielfalt der Konzert- und Bühnenprogramme, die von klassischer Konzertmusik über Unterhaltungsmusik bis zu Jazz, Chansons und Sprechtheater reichen. Zwischen 1964 und 1966 verewigen sich beispielsweise auch die Jazzmusiker des Golden Gate Quartet, das Oscar Petersen Trio, die School Band of America, die Schauspielerin und Sängerin Hildegard Knef und der Schlagerstar Vico Torriani im Gästebuch.

Nach einem Zeitsprung von 15 Jahren wird um 1980 ein Wandel in Politik und Kultur erkennbar. Neben der Ungarischen Nationalphilharmonie und dem Dirigenten Wolfgang Sawallisch treten in der Meistersingerhalle Solisten wie Mstislaw Rostropowitsch, Alexis Weissenberg, Maurizio Pollini, Gidon Kremer, die Schauspieler Uschi Glas und Gert Fröbe sowie die Sängerinnen Milva und Margot Werner auf. Mit einigem Stolz erinnern sich ältere Nürnberger noch an den Auftritt von Jimi Hendrix, dem Weltstar der Rockmusik, im Januar 1969 in der Meistersingerhalle. Weitere Größen waren Pink Floyd, Billy Joel, Ike und Tina Turner. 30 Jahre später üben eine Geigerin wie Anne-Sophie Mutter, der Pianist Lang Lang oder Joan Baez, der Folklore-Weltstar, eine enorme Anziehungskraft auf das Nürnberger Publikum aus. Aber auch Unterhaltungskünstler wie Max Raabe und aktuelle Stars der Comedian-Szene wie Atze Schröder oder Cindy aus Marzahn füllen heute die Säle. Die großen und die kleinen Nürnberger Feste, die seit jeher – ob von Vereinen oder privaten Gesellschaften ausgerichtet – in der Meistersingerhalle stattfinden, sind nicht minder als Kongresse, Workshops, Tanzturniere, Vorträge und Informationsveranstaltungen wichtig für das Wirtschafts-, Kultur- und Geistesleben der Stadt.

4.3 Das Baudenkmal in der Erneuerung

Im Jahr 2007 wird die Meistersingerhalle in die Bayerische Denkmalliste aufgenommen. Aus der Begründung:
„Die Meistersingerhalle ist ein früher Vertreter des so genannten „neuen Funktionalismus“, der eine strenge kubische Architekturauffassung vertritt und sich von der Beschwingtheit der 1950er Jahre löst... Loebermann orientierte sich u. a. an Ludwig Mies van der Rohe und an amerikanischen Vorbildern. (Die Halle) ist als Denkmal von historischer, künstlerischer und städtebaulicher Bedeutung. Zum Baudenkmal … gehört ausdrücklich auch die wandfeste Ausstattung im Inneren."

Während des halben Jahrhunderts ihrer Geschichte erweitert sich das Spektrum der Musikveranstaltungen in der Meistersingerhalle erheblich. Der Große Saal mit seiner Parkettbestuhlung in einer Ebene bietet nach wie vor beste Voraussetzungen für Konzerterlebnisse. Nach 50 Jahren braucht jedoch die Meistersingerhalle – wie alle Konzert- und Veranstaltungsbauten der 1960er Jahre – eine grundlegende Sanierung und damit eine Erweiterung ihrer Nutzungsmöglichkeiten. Die Meistersingerhalle bietet mit ihrem vielfältigen Raumangebot und ihrer komplex angelegten Technik dazu beste Voraussetzungen.

Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly

„Möge dieses Bauwerk ... immer seiner Aufgabe dienen: der Erhaltung und Vertiefung des guten, edlen und freiheitlichen Geistes in den Menschen unserer Zeit und kommender Generationen.

Diese Hoffnung meines Vorgängers hat sich über die vergangenen 50 Jahre erfüllt. Sie wurde von der Bürgerschaft lebendig weitergetragen, motiviert und unterstützt durch die Kulturpolitik der Stadt.

In einer veränderten Welt zeigt sich, wie wichtig es ist, dass Gebäude wie die Meistersingerhalle eine gemeinschaftsbildende Aufgabe übernehmen können. Sie schaffen Räume für Menschen, in denen sie sich begegnen und kulturelle Ereignisse in einem großen internationalen Spektrum erleben können.

50 Jahre nach der Einweihung zeigt sich, wie klug vorausbedacht dieser Standort war. Nürnbergs langjähriger Kulturreferent Prof. Dr. Hermann Glaser hatte die Worte des Philosophen Odo Marquardt Zukunft braucht Herkunft zum Leitmotiv gewählt. Heute bildet die Meistersingerhalle das räumliche Bindeglied zwischen der Altstadt und weit ausgedehnten Naturarealen, das zeitliche Bindeglied zwischen Ereignissen des vergangenen Jahrhunderts und der Stadt von heute. In ihrer zurückhaltenden und doch kraftvollen Form ist die Meistersingerhalle ein Kristallisationspunkt demokratischer Stadtkultur."

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