„Es war die Hölle“: Luftangriff auf Nürnberg am 2. Januar 1945
2025 jährt sich am 2. Januar zum 80. Mal der verheerendste Luftangriff auf Nürnberg während des Zweiten Weltkriegs. Er geht als einer der dunkelsten Tage in die Stadtgeschichte Nürnbergs ein – und mahnt und erinnert an die Opfer des Krieges infolge des NS-Regimes. Über 1.800 Menschen verloren an jenem Abend ihr Leben. Unzählige Familien standen vor den Trümmern ihrer Existenz.
Der zweite Tag des Jahres 1945 war ein kalter, klarer und wolkenloser Wintertag. Das Thermometer zeigte -8 Grad. Auf den Dächern der Stadt lag eine dünne Schneedecke. Um 18.33 Uhr heulten die Sirenen und kündigten das Unheil an. Der Fliegeralarm wurde zehn Minuten später ausgelöst. Die Einheimischen, aber auch Reisende, eilten in die Luftschutzkeller und Bunker, manche suchten in Splittergräben am Plärrer Schutz. Schon tagsüber hatten die Sirenen in Nürnberg dreimal geheult, um 10 Uhr, um 12.50 Uhr und um 15.51 Uhr – doch der tödliche Angriff sollte erst am Abend, im Schutz der Dunkelheit, erfolgen.
Über 500 Bomber auf dem Weg nach Nürnberg
Stunden zuvor waren 910 Maschinen der Royal Air Force in Großbritannien gestartet. 521 waren für den Angriff auf Nürnberg bestimmt und 389 sollten das Industriezentrum Ludwigshafen angreifen. Der Verband, der Nürnberg erreichen sollte, flog über Frankreich und südlich an Stuttgart vorbei, bevor er nordöstlich Richtung Nürnberg steuerte.
Für 19.30 Uhr planten die Briten den ersten Bombenabwurf auf die „Stadt der Reichsparteitage“, wie Hitlers Regime Nürnberg bezeichnete. Die alliierten Luftangriffe galten auch der Industriestadt und waren eine Reaktion auf Hitlers Kriegsterror gegen andere Länder und ihre Bevölkerung. Die ersten Bomber flogen bereits zehn Minuten früher als geplant über die Dächer der Stadt hinweg. Der australische Bordfunker Frank Petch erreichte mit seiner Besatzung als einer der ersten das Ziel. Er erinnert sich: „Nürnberg erwartete keinen Angriff.“
„Es schien nicht recht zu sein, diese friedliche Szene mit Bomben zu stören“
Das laute Dröhnen der Bomber erklang zuerst über dem Westen und Süden der Stadt. Als die Maschine des Bordfunkers Petch über die Altstadt flog, zweifelte er: „Die von Schnee bedeckten mittelalterlichen Gebäude erinnerten an eine Weihnachtskarte. Es schien nicht recht zu sein, diese friedliche Szene mit Bomben zu stören.“
Die Lancaster-Langstreckenbomber warfen zuerst 6.000 schwere Sprengbomben über der Altstadt und der Süd- und Nordstadt ab. Ihre Zünder waren so programmiert, dass sie nicht beim Aufprall auf die Dächer detonierten. Sie explodierten erst, als sie in den unteren Geschossen der Häuser aufschlugen. In einer dritten Angriffswelle fielen eine Million Stabbrandbomben auf die Stadt und entfachten ein Feuerinferno.
Blicke auf das zerstörte Nürnberg im Jahr 1945
Todesangst in Kellern und Bunkern
Zu diesem Zeitpunkt befanden sich wohl fast alle Schutzsuchenden in Sicherheit, für viele eine trügerische Sicherheit. Sie hatten in den Schutzräumen Todesangst. Und tatsächlich sollten viele Luftschutzkeller zur Falle werden. Dort herrschte oft Dunkelheit, weil Notstromaggregate ausfielen oder nur Kerzenschein die Räume erhellte. Druckwellen und Erschütterungen entzogen den Menschen den Boden unter den Füßen, bei Einschlägen wurden sie durcheinandergewirbelt. Wände wackelten, Decken und Mauern drohten während der Flächenbombardements einzustürzen.
Mittendrin die Zeitzeugin Marianne Seitzinger, Jahrgang 1924: „Das ist das Schlimmste, was es gibt. Du kannst dich nicht wehren, du sitzt dort und wartest darauf, bis dich irgendwas trifft. Du hast verbrennen können, das Wasser hat kommen können, du hast ersticken können.“
Die Bunker boten meist verlässlichen Schutz, viele Keller von Wohngebäuden jedoch verwandelten sich in eine tödliche Falle. Wie der Keller in der Schnieglinger Straße 64: Im Luftschutzraum fanden 13 Menschen nach einem Bombentreffer den Tod. Nur der 14-jährige Heinz Radloff überlebte. Mehr Glück hatten die Bewohner des Heilig-Geist-Spitals. Obwohl Bomben die Anlage bis auf die Grundmauern zerstörten, konnten die Bewohner am nächsten Morgen gerettet werden.
Gedenken und Weg des Friedens am 2. Januar 2025
Die Stadt Nürnberg gedenkt aller Opfer, die am 2. Januar 1945 und während der gesamten Kriegszeit durch Luftangriffe ums Leben kamen. Am 2. Januar 2025 wurde der Glockenturm auf dem Südfriedhof mit einem Stadtkranz geschmückt (stille Niederlegung). Am Ehrenfriedhof der Luftkriegsopfer am Südfriedhof wurden die Flaggen auf Halbmast gesetzt. Die Glocken des Mahnmals am Südfriedhof wurden um 12 Uhr geläutet.
Gemeinsam mit den großen Stadtkirchen veranstaltete die Stadt Nürnberg am Abend einen Weg des Friedens. Der Gedenkweg begann um 18.30 Uhr am Glasbau des Künstlerhauses, Königstraße 93, führte vor das Hauptportal der St. Lorenzkirche und mündete um 19.15 Uhr in eine ökumenische Andacht in der St. Sebalduskirche. Die Veranstalter gedachten aller Opfer des Kriegs und ließen Menschen mit aktuellen Kriegserfahrungen zu Wort kommen. Am Ende der Andacht sprachen Vertreterinnen und Vertreter der Religionen jeweils einen Segen für die Stadt.
Feuersturm und glühende Asche
Nach weniger als einer Stunde war der Bombenhagel vorbei, der sich für die Zuflucht Suchenden länger angefühlt haben muss. Einige Menschen berichteten davon, ihr Zeitgefühl im Keller verloren zu haben. Um 20.24 Uhr folgte die offizielle Entwarnung.
In vielen Kellern mussten die Eingeschlossenen durch einen Durchbruch in den Nachbarskeller fliehen. Nur so gelangten sie zurück an die Oberfläche, denn oftmals war der Eingang des eigenen Kellers verschüttet. Alfred G., Jahrgang 1933, konnte sich durch einen unterirdischen Notausgang in einen Park retten, „hinein in einen verheerenden Feuersturm. Es war die Hölle.“
Oben erwartete die Überlebenden in der Altstadt und in der Süd- und Nordstadt ein Schreckensszenario: ein wahrer Feuersturm, glühende Asche, Funkenflug, Rauch und herabfallende Trümmer. Trotzdem wollten viele Bewohner nach dem Angriff zurück in ihre Wohnungen oder nach ihren Familien sehen. An der Oberfläche erwarteten sie zusammengestürzte und brennende Häuser. Die Überlebenden versuchten, sich an den Flammen vorbei zu kämpfen und wenigstens einen kleinen Teil ihres Besitzes zu retten. Die Feuerwehren kämpften ebenfalls gegen die Flammen, meist vergeblich. Nach 24 Stunden war die größte Gefahr gebannt, allerdings brachen auch danach immer wieder Feuer aus. Die mittelalterlichen Häuser in der Altstadt wurden durch das leicht brennbare Bauholz schnell ein Raub der Flammen. Später sprach man beim Blick auf den Teil nördlich der Pegnitz von der Sebalder Steppe.
1.835 Tote und 100.000 Obdachlose
Die Bilanz: Die Nürnberger Kriminalpolizei erstellte später eine Namensliste der Toten und die jeweilige Todesursache. Die meisten der 1.835 namentlich bekannten Todesopfer wurden verschüttet, andere verbrannten, erstickten, wurden von Gesteinsmassen erschlagen oder durch den Luftdruck zerrissen. Auf dem Südfriedhof bestattete man die Toten in einer großen Grube.
Rund 100.000 Menschen verloren im kalten Januar ihr Obdach, darunter allein 28.000 Bewohner der Altstadt. Viele Gebäude wie das Alte Rathaus, aber auch Schulen, Krankenhäuser, Kirchen und Industriestandorte wurden schwer getroffen. Nach einem Bericht des britischen Bomber Command wurden im Stadtgebiet 4.640 Gebäude, meist Mietshäuser, zerstört. Allein in der Altstadt waren es ungefähr 2.000 gut erhaltene mittelalterliche Häuser.
Wer konnte und Verwandte auf dem Land hatte, verließ in den Tagen nach dem Luftangriff die Stadt. Viele Obdachlose fanden in Bunkern und weniger versehrten Wohnungen einen Platz zum Schlafen und Leben.
Weitere schwere Angriffe auf Nürnberg
Nürnberg sollte bis zum Kriegsende nicht verschont werden: Bei Luftangriffen am 20. und 21. Februar 1945 starben 1.356 Menschen. Die Bomben zerstörten die Infrastruktur der Stadt endgültig. Am 16. März 1945 flogen erneut Bomber der Royal Air Force über Nürnberg. Bei diesem Angriff fanden 517 Menschen den Tod.
Quelle für diesen Text:
„Der Luftkrieg gegen Nürnberg: der Angriff am 2. Januar 1945 und die zerstörte Stadt“, Stadt Nürnberg Stadtarchiv, 2004.