8. Entwicklung des Handelsrechts
Werner Schultheiß *
* Die historische Einleitung zu den Loseblattausgaben des Stadtrechts wurde 1939 ("Die geschichtliche Entwicklung des Nürnberger Ortsrechts"), 1957 und 1972 ("Geschichte des Nürnberger Ortsrechts", 1. und 2. Auflage) von Archivdirektor Dr. jur. Werner Schultheiß besorgt. Sie ist für die Internet-Ausgabe der Jahrtausendwende von Stadtrechtsdirektor Dr. jur. utr. Hartmut Frommer durchgesehen und im Teil IV (seit 1806) neu bearbeitet worden.
Noch an der Wende von der Hochblüte zum Niedergang vollbrachte Nürnberg eine hervorragende juristische Leistung durch die Ausbildung eines in deutschrechtlicher Tradition weiterentwickelten Handelsrechts. Das "Holzschuherbuch" von 1304/7 zeigt eine typische Familiengesellschaft in der Form einer auf Zeit abgeschlossenen offenen Handelsgesellschaft und schon den Einfluß Italiens. Um 1350 waren hier bereits Handelsbriefe, Wechsel und die Kommanditgesellschaft bekannt. Mit etwa 25 ganz oder teilweise erhaltenen Handelsbüchern aus der Zeit bis 1600 steht Nürnberg bis jetzt an der Spitze aller deutschen Städte. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts war hier das "Verlegen" als typische Organisationsform des Gewerbes bekannt. Auch das Warenzeichenrecht ist früh ausgebildet: um 1320 müssen schon die Hafner auf ihre Produkte die Meisterzeichen setzen, die geschützt und verkäuflich sind. Das Handels- und Gewerberecht Nürnbergs im Mittelalter ist noch im einzelnen zu erforschen und nach modernen Gesichtspunkten darzustellen. Bezeichnend ist, dass hier 1531 das älteste deutsche Lehrbuch für doppelte Buchführung und 1558 Lorenz Meders Handelsbuch über die damaligen Handelsbräuche erschienen ist. In der Reformation von 1564 sind Bestimmungen über börsenmäßige Termingeschäfte enthalten. Das Handels- und Gewerberecht Nürnbergs im Mittelalter ist noch im einzelnen zu erforschen und nach modernen Gesichtspunkten darzustellen.
Bezeichnend ist, dass hier 1531 das älteste deutsche Lehrbuch für doppelte Buchführung und 1558 Lorenz Meders Handelsbuch über die damaligen Handelsbräuche erschienen ist. In der Reformation von 1564 sind Bestimmungen über börsenmäßige Termingeschäfte enthalten.
Entsprechend der Zunftfeindlichkeit des Rates war die Kaufmannschaft, die hauptsächlich von den ehrbaren Geschlechtern ausgeübt wurde, ursprünglich nicht organisiert. Sie trafen sich zwanglos am Herrenmarkt und ab 1497 in der eigens dafür eingerichteten Herrentrinkstube. Als sich aber seit der Mitte des 16. Jh. die meisten Patrizier vom Großhandel zurückgezogen hatten und Bürgerliche mehr und mehr an ihre Stelle traten, erließ der Rat auf Bitte von 60 Interessenten 1560 eine „Marktordnung" für die Abhaltung der Warenbörse und bestellte 1560 zwei Marktherren aus dem Rat und 1566 fünf Marktvorsteher aus den Ältesten der Kaufleute. Wegen Münzverschlechterung und Inflation wurden 1621 ein Bancoamt und "Banco publico" errichtet, in dem die Kaufleute Geld deponierten und ihre gegensetigen Forderungen ausglichen. 1624 wurde dieser Behörde die Gerichtsbarkeit in bestimmten Handelssachen übertragen, wobei den Marktvorstehern die bisherige Schiedsgerichtsbarkeit belassen wurde. 1654 wurde die Banco- und Wechselordnung erneuert; 1697 wurde eine neue Merkantil- und Bancogerichtsordnung erlassen, 1722 eine Wechselordnung. In jenem kaufmännischen Sondergericht wirkten neben zwei Ratskonsulenten die Marktvorsteher als Sachverständige an der Urteilsfindung mit. Unter diesen Umständen wurde das Handelsrecht weiterentwickelt im Sinne eines der jeweiligen Sachlage nach Treu und Glauben angepaßten Billigkeitsrechtes. Das Ansehen der Nürnberger Behörde spiegelt sich in den von 1621-1813 erhaltenen umfangreichen Sammlungen über die erteilten Rechtsgutachten. Solche "Parere" wurden erbeten z. B. von Frankfurt a. M., Leipzig, Wien, Breslau, Köln, Bozen, Venedig, Lyon, Antwerpen, Amsterdam. Nürnberg wurde Muster bei der Einrichtung von Handelsgerichten in Leipzig und Österreich. „Nürnberg ist die Wiege des deutschen Typs des modernen Handelsgerichts geworden" (Hans Liermann).