Nürnberg Heute: Wo Prosa Lyrik trifft

Die Texttage mit Stars wie Doris Dörrie und Fatma Aydemir, das Literaturzentrum Nord und neue Lesereihen – es gibt viele Möglichkeiten, spannende Texte zu hören oder selbst mit Literatur zu experimentieren.  Die Szene ist klein, aber äußerst lebendig.

Die Texttage mit Stars wie Doris Dörrie und Fatma Aydemir, das Literaturzentrum Nord und neue Lesereihen – es gibt viele Möglichkeiten, spannende Texte zu hören oder selbst mit Literatur zu experimentieren. Die Szene ist klein, aber äußerst lebendig.

Die Autorinnen Stephanie Mehnert und Anna Hofmann.

Sanfter Ort für starke Texte

„Übermut & Zärtlichkeit“ heißt die Lesereihe für Schreiberinnen und Schreiber, die noch nie Texte öffentlich vorgelesen haben oder sich daran gewöhnen möchten. Die Autorinnen Stephanie Mehnert und Anna Hofmann hatten die Idee dazu. Das Interview.

NH: Wie ist „Übermut & Zärtlichkeit” entstanden?

Anna Hofmann: Wir wollten ein Format schaffen für Menschen, die nicht nur mit äußeren Hürden des Literaturbetriebs zu kämpfen haben, sondern auch mit inneren. Mit großer Schüchternheit, Selbstzweifeln, Aufregung. Unsere Bühne ist niedrig. Es gibt einen weichen Teppich. Wir können die Aufregung nicht komplett nehmen, aber versuchen, die Lesung so gemütlich wie möglich zu machen.

Stephanie Mehnert: „Übermut & Zärtlichkeit” ist ein Gegenentwurf zum Poetry Slam. Beim Slam stelle ich mich auf die Bühne und werde unmittelbar bewertet. Viele packen das nicht. Gerade bei schreibenden Menschen ist ein hoher Anteil sehr sensitiv. Wie sonst kommt man zu so einer Kunst?

NH: Wie läuft das neue Format ab?

Hofmann: Unseren Open Call veröffentlichen wir einen Monat vor der Veranstaltung. Die Menschen schicken
uns Texte und wir geben ihnen möglichst schnell Bescheid.

Mehnert: Wir haben Platz für zehn bis zwölf Lesungen von etwa zehn Minuten. Wir nehmen Prosa und Lyrik –
auch in Originalsprache mit deutscher oder englischer Übersetzung.

Hofmann: Wir versenden nicht nur Zu-, sondern auch Absagen und weisen darauf hin, dass es mutig ist,
einen Text einzureichen. Dann legen wir die Reihenfolge der Lesenden fest. Am Abend selbst sind manche total aufgeregt, andere gar nicht. Wenn sich jemand wirklich nicht traut, übernehmen wir das Vorlesen. Wir
sammeln das schriftliche Feedback des Publikums und geben es weiter.

NH: Für wen lohnt sich das Zuhören?

Hofmann: Für alle, die sich für Literatur interessieren. Unser Publikum ist sehr gemischt. Und war bisher jedes Mal toll und sehr entspannt.

Mehnert: Wir laden alle ein, die Geschichten mögen und Lust haben auf Begegnungen mit anderen, denen es auch so geht. Der Eintritt ist frei und das wird immer so bleiben.

NH: Können alle Menschen schreiben?

Mehnert: Jede und jeder kann Geschichten erzählen. Sprache ist das erste, was wir erwerben. Wir kommen automatisch dahin in unserer Entwicklung. Aber es ist wie bei jeder Kunst: Für Meisterschaft braucht es Übung. Es ist ein stetiger Prozess.



Signieraktion der Autorin und Illustratorin Aisha Franz. und eine Lesung in der Katharinenruine bei den Textagen.

Literaturstars und Festivalstimmung bei den Texttagen

Welche Autorinnen und Autoren stellen momentan den Buchmarkt auf den Kopf? Welche Bücher sorgen für Diskussionen? Bei den Texttagen feiert die regionale Szene jedes Jahr im Juli ein Fest der Literatur.

Wenn an drei Tagen sieben preisgekrönte Schriftstellerinnen und Schriftsteller in der Katharinenruine lesen, locken die Texttage. Ihr Wissen teilen die prominenten Autorinnen und Autoren in Intensiv-Workshops mit dem literarischen Nachwuchs. Textanfänge, Dialoge, lebendige Figuren: Die Themen sind vielfältig. „Meisterklasse“ nennt sich dieser Mix aus Lesung und Workshop. Im deutschsprachigen Raum ist das Konzept einzigartig, weiß Grażyna Wanat vom Bildungscampus. Seit der ersten Ausgabe 2019 haben etwa Doris Dörrie, Daniel Schreiber oder Fatma Aydemir ihre Einladung angenommen.

„Mir ist wichtig, dass die Autorinnen und Autoren etwas über unsere Gegenwart zu sagen haben und politische Themen verhandeln“, erklärt Wanat. Menschen aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz reisen für die Texttage an. 2024 waren es etwa 1.000 Besucherinnen und Besucher. Die Intensiv-Kurse, für die Interessierte sich mit einer Textprobe bewerben müssen, sind fast immer ausgebucht. Die „Meisterklassen“ sind ein Kapitel der Texttage. Weitere Geschichten spielen sich auf dem „Textualienmarkt“ außerhalb der Ruine ab – kostenlos und unter freiem Himmel.

Literaturfans können quizzen, stempeln, mit Worten experimentieren, kurze Lesungen und Vorträge hören. Für den Markt ist Literaturkoordinatorin Kathleen Röber verantwortlich. Sie vergleicht die Veranstaltung mit einem großen Klassentreff en: „Unsere Literaturszene ist sehr heterogen. Aber zu den Texttagen sind alle da.“ Die regionale Szene wächst zusammen – auch dank der guten Stimmung während des Festivals.



Sibylle Paraquin, Buchhändlerin und Autorin aus Nürnberg.

Austausch auf Augenhöhe

Sibylle Paraquin, Buchhändlerin und Autorin aus Nürnberg, hat Texte in Anthologien sowie einen Roman veröffentlicht und seit 2021 alle Texttage besucht.

„Besonders ist für mich das Texttage-Gefühl. Sich ein Wochenende lang nur mit Literatur und Büchern zu beschäftigen ist großartig! Ich habe an drei ‚Meisterklassen’ teilgenommen. Das waren tolle Gruppen, die liebes Feedback gegeben haben. Alle drei Autorinnen haben Dinge auf Augenhöhe erklärt – obwohl sie preisgekrönte Schriftstellerinnen sind. Ich hatte kein Lehrer-Schüler-Gefühl. Wer sich für literarisches Schreiben interessiert, hat manche Inhalte vielleicht schon gehört. Trotzdem habe ich jedes Jahr einen neuen Aspekt mitgenommen. Denn: Jedes Feedback bringt weiter. Üben bringt weiter. Der Austausch mit ‚echten‘, also veröffentlichten, Autorinnen hat mich darin bestätigt, ernsthaft an meinem eigenen Buch zu arbeiten.“



Seitenweise neue Texte können Leserinnen und Leser der Literaturzeitschrift „Wortlaut“ genießen. Mit der 30. Ausgabe feiert sie 2024 ein Jubiläum. Herausgeber ist das Literaturzentrum Nord. Die Zeitschrift erscheint seit 1996 und ist gefüllt mit neuer  Lyrik, Prosa und allem dazwischen von bekannten Schreibenden und Newcomern. Jede Ausgabe beginnt mit Texten der 16- bis 30-jährigen  Autorinnen und Autoren, die zuletzt den Fränkischen Preis für junge  Literatur erhalten haben. Erhältlich ist das Magazin im Literaturzentrum Nord, Kuno.

Frisch gedruckt

Seitenweise neue Texte können Leserinnen und Leser der Literaturzeitschrift „Wortlaut“ genießen. Mit der
30. Ausgabe feiert sie 2024 ein Jubiläum. Herausgeber ist das Literaturzentrum Nord. Die Zeitschrift erscheint seit 1996 und ist gefüllt mit neuer Lyrik, Prosa und allem dazwischen von bekannten Schreibenden und
Newcomern. Jede Ausgabe beginnt mit Texten der 16- bis 30-jährigen Autorinnen und Autoren, die zuletzt den Fränkischen Preis für junge Literatur erhalten haben. Erhältlich ist das Magazin im Literaturzentrum Nord, Kuno.


Text: Hanna Quitterer
Fotos: Christine Dierenbach / Khrystyna Jalowa
Der Text erschien in der „Nürnberg Heute“-Ausgabe 116 (Winter 2024).



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