Glockenläuten auf den Friedhöfen, aufgenommen und gesammelt von Klaus Alter
Klaus Alter aus Schwabach ist fasziniert von Glocken, ihren Geläuten,
ihrem Klang, von der Kunstfertigkeit, aus Kupfer und Zinn derartige Klangkörper herstellen zu können.
Daraus entstand das Hobby: Glocken, ihre Klänge, die Gießer, die Gussjahre, die Aufschriften und den aufgegossenen Schmuck zu erforschen und das Geläut aufzunehmen.
Fasziniert ist Klaus Alter davon, dass auf den beiden Nürnberger Großfriedhöfen jeweils nicht nur das sprichwörtliche "Totenglöckchen" den Trauerzug begleitet, sondern mehrstimmige Klänge zu vernehmen sind - auf dem Südfriedhof insgesamt sogar fünf wunderbar aufeinander abgestimmte Glocken auf zwei Türmen.
Klaus Alter hat sie aufgenommen, einzeln und im Zusammenspiel.
Westfriedhof
„Centralfriedhof“ nannte man ihn bei seiner Eröffnung im Jahr 1880. Notwendig wurde seine Errichtung, weil die Fläche der kleinen kirchlichen Friedhöfe der Stadt nicht mehr für die Bestattungen ausreichte. 1904 benannte man ihn in „Westfriedhof“ um. Im Ortsteil Schniegling/Wetzendorf an der Schnieglinger Straße bzw. am Nordwestring gelegen, umfasst er knapp 40 Hektar Fläche und ca. 38.000 Gräber. Der Westfriedhof beherbergt auch das Krematorium, das bei seiner Errichtung bis 1913 die erste bayerische Einrichtung zur Feuerbestattung war.
Die beiden Glocken des Westfriedhofs hängen heute bereits in ihrem dritten Turm. Nach ihrer Beschaffung im Jahr 1926 läuteten sie zunächst auf dem Turm der sogenannten Gedächtnishalle (erbaut 1909 bis 1913, heute Halle 1 des Krematoriums). Die 1882 bis 1884 errichtete Aussegnungshalle für Erdbestattungen erhielt 1959 einen Dachreiter; die beiden Glocken wurden dorthin umgehängt. 2010 wurde schließlich gegenüber der Aussegnungshalle eine neue Trauerhalle und ein freistehender Glockenträger aus Spannbeton erbaut, der nun die Westfriedhofs-Glocken beherbergt.
Im Jahr 1926 wurden die beiden Glocken von der Hofglockengießerei Franz Schilling Söhne in Apolda/Thüringen gegossen. Die größere und tontiefere Glocke 1 wiegt 449 kg und hat am unteren Rand einen Durchmesser von 895 mm. Ihr Schlagton (d. h. der Ton, der vom menschlichen Ohr wahrgenommen wird) ist b’. Ein Schriftband, das auf der „Schulter“ der Glocke aufgegossen ist, trägt folgenden Text: MEDIA VITA IN MORTE SUMUS – DEO OPTIMO MAXIMO – MCMXXVI (d.h.: Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen. – Dem besten und größten Gott gewidmet. – 1926). Zudem finden wir auf der Glocke die Darstellung des Nürnberger Stadtwappens. Glocke 2 wiegt 263 kg; sie misst 745 mm im unteren Durchmesser. Ihr Schlagton ist des’’. Ihr Schulterschriftband trägt folgendenText: MEDIA MORTE IN VITA SUMUS – MCMXXVI (d.h.: Inmitten des Todes befinden wir uns im [ewigen] Leben. – 1926).
Südfriedhof
Der Südfriedhof in der Gartenstadt an der Julius-Loßmann-Straße ist mit 65 Hektar Fläche und ca. 40.000 Gräbern der größte städtische Friedhof. Er wurde 1913 als zweiter Kommunalfriedhof nach dem Westfriedhof eröffnet. Nach dem Vorbild des Münchener Waldfriedhofs wurde er als weitläufige Parkanlage gestaltet. Der Südfriedhof hat seit mehreren Jahren auch einen islamischen Teil, in dem u.a. alle Gräber nach Mekka ausgerichtet sind.
Die Trauerhalle des Südfriedhofs wurde in den Jahren 1912 und 1913 errichtet. Der Turm mit seinen markanten Zifferblättern und Uhrzeigern steht als „Kampanile“ neben dem Gebäudetrakt der kuppelbekrönten Trauerhalle.
Zwei Glocken beherbergt der Turm der Trauerhalle des Südfriedhofs. Wie die beiden Läuteinstrumente des Westfriedhofs wurden sie 1926 von der Hofglockengießerei Franz Schilling Söhne in Apolda/Thüringen gegossen. Die größere Glocke wiegt 546 kg und misst am unteren Rand 950 mm im Durchmesser. Ihr Schlagton ist a’. Im mittleren Teil des Glockenmantels ("Flanke") lesen wir die Inschrift: ICH KLAG DIE GESTORBENEN – ICH MAHN DIE LEBENDEN – ICH KUEND DAS KOMMENDE. Als weiteren Schmuck finden wir das Nürnberger Stadtwappen und das Gussjahr "1926". Die kleinere der beiden Glocken wiegt 309 kg, sie hat einen unteren Durchmesser von 790 mm. Wie vernehmen bei ihrem Läuten den Schlagton c’’ und lesen auf ihr die Sätze: DIE LEBENDEN RUFE ICH – DIE TOTEN BEKLAGE ICH sowie ihre Gussjahresangabe "1926".
Im Südteil des Friedhofs, in der Nähe der Kriegsgräber und der Gräber derer, die bei dem verheerenden Bombenangriff vom 2.1.1945 ums Leben kamen, befindet sich dieser Turm – genauer gesagt: die beiden Türme, die aus Sandsteinquadern (sie sollen von einer der zerstörten Synagogen Nürnbergs stammen) nebeneinander errichtet wurden. Am Fuße des Nordturms lesen wir: AUFGERICHTET 1957-58. Am Südturm ist zu lesen: ALS MAHNUNG UND ZUM GEDENKEN AN 6621 MÄNNER, FRAUEN UND KINDER, OPFER DES BOMBENKRIEGES UND DER KÄMPFE IN DER HEIMAT IN DEN JAHREN 1941-1945. Zwischen den beiden Türmen wurden drei Glocken an Holzjochen aufgehängt.
Die drei Glocken wurden 1957 von Engelbert Gebhard in Kempten gegossen (so die entsprechenden Aufschriften auf allen Glocken). Alle drei Klangwerkzeuge tragen auf ihrem Bronzemantel das Wappen der Stadt Nürnberg und die weitere Inschrift: 1941-1945 – DEM GEDENKEN DER OPFER DES BOMBENKRIEGES. Glocke 1 hat einen Durchmesser von 1235 mm, Glocke 2 misst 1030 mm und Glocke 3 misst 930 mm. Zusammen wiegen sie 2065 kg und erklingen im sogenannten „Te-deum-Motiv“ auf die Schlagtöne e’ g’ a’. Dieses Geläute ist klanglich auf das der Trauerhalle abgestimmt. Wenn alle Glocken zusammen läuten, erklingt das sogenannte „Idealquartett“, das auch „Parzival-Motiv“ genannt wird. Wenn Hinterbliebene dies wünschen, begleitet der Klang des Geläutes auf dem Glockenturm Urnenbeisetzungsfeiern im südlichen Teil des Friedhofs. Bewegend und sehr eindrucksvoll ist alljährlich am 2. Januar um 12 Uhr das Glockenläuten zum Gedächtnis an die Menschen, die 1945 am Abend dieses Tages bei einem Bombenangriff auf Nürnberg ums Leben kamen.
Wir danken Herrn Klaus Alter, Am Hohbuck 5, 91126 Schwabach, für die Bereitstellung der Aufnahmen und für den Textbeitrag.