Gute HIV- und Aids-Versorgung in Nürnberg
Welt-Aids-Tag am 1. Dezember 2024
Am 1. Dezember findet seit 1988 der Welt-Aids-Tag statt, der die Rechte von HIV-positiven Menschen bekräftigt, zu einem Miteinander ohne Vorurteile und Ausgrenzung aufruft und an Menschen erinnert, die an den Folgen von HIV und Aids bereits verstorben sind. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Initiativen der Aidsberatung und -hilfe am heutigen Mittwoch, 27. November 2024, hat das Gesundheitsamt zur hiesigen Versorgungslandschaft informiert. In der Fachstelle für sexuelle Gesundheit des Gesundheitsamts wird – auf Wunsch auch anonym – auf HIV/Aids und andere sexuell übertragbare Krankheiten getestet. Allein im letzten Jahr gab es 2 183 Klienten-Kontakte in den offenen Sprechstunden. In der Region unterstützen die Aids-Beratung Mittelfranken der Stadtmission und die Aidshilfe Nürnberg-Erlangen-Fürth seit Jahrzehnten Ratsuchende und Betroffene und leisten wertvolle Vernetzungsarbeit.
Daten und Fakten
Weltweit leben laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) etwa 39,9 Millionen Menschen mit HIV. Das Motto des diesjährigen Welt-Aids-Tags „Take the rights path“ („Geht den Weg der Rechte“) rückt in den Fokus, dass Menschen-, Frauen- und Minderheitenrechte im Engagement gegen HIV von essenzieller Bedeutung sind. Sogenannte Schlüsselgruppen sind vielfach benachteiligt und haben deswegen ein besonders hohes Risiko, sich mit HIV zu infizieren oder an Aids zu erkranken.
Bundesweit haben sich 2023 circa 2 200 Personen mit HIV neu infiziert, davon 280 in Bayern und 45 in Nürnberg. In Deutschland lebten Ende 2023 rund 96 700 Menschen mit HIV. Davon erhalten 99 Prozent HIV-Medikamente in Form einer antiretroviralen Therapie, die die Vermehrung der Viren im Körper unterdrückt. Einen kontinuierlichen Anstieg der HIV-Neuinfektionen gab es zuletzt bei Drogengebrauchenden.
Wer kümmert sich?
Die Behandlung einer HIV-Infektion liegt in der Hand von Schwerpunktärztinnen und -ärzten, die auf die Behandlung von HIV/Aids und weiterer sexuell übertragbarer Krankheiten spezialisiert sind.
Dr. Michael Weiß, Facharzt für Innere Medizin und tätig als Schwerpunktarzt, unterstreicht:
„Die Behandlung von HIV ist heute so weit fortgeschritten, dass Menschen mit HIV meist eine weitgehend normale Lebenserwartung und -qualität haben. Aus medizinischer Sicht ist viel erreicht worden seit der Erstbeschreibung von Aids vor 43 Jahren. Allerdings werden Menschen mit HIV in Deutschland bis heute diskriminiert – auch im Gesundheitswesen. So werden Behandlungen verzögert oder gar verweigert. Auch kann das Bekanntwerden einer HIV-Infektion auch heute noch Karrieren beenden. Daher sehen wir es sehr kritisch, dass vor Einführung der elektronischen Patientenakte – in Franken bereits ab dem 15. Januar 2025 – nicht über mögliche negative Folgen aufgeklärt wird. Die Krankenkassen sind hierzu gesetzlich verpflichtet, setzen dies aber nicht ausreichend um.“
Klaus Friedrich, medizinischer Leiter des Gesundheitsamts, zu mehr Impfungen gegen das humane Papillomavirus (HPV):
„Wir haben keine Impfung gegen HIV. Aber gegen andere sexuell übertragbare Krankheiten wie HPV, das für die Hälfte aller virusbedingten bösartigen Tumore und für fast 100 Prozent der Fälle von Gebärmutterhalskrebs verantwortlich ist, verfügen wir seit 2007 mit der HPV-Impfung über eine wirksame und kostenfreie Waffe. Sie steht Mädchen und Jungen zwischen 9 und 14 Jahren zur Verfügung mit dem Angebot der kostenlosen Nachimpfung bis einschließlich 17 Jahren. Aber die Impfquote ist zuletzt massiv zurückgegangen: 40 Prozent der Mädchen sind trotz entsprechender Impfempfehlung mit 14 Jahren nicht oder unzureichend gegen das humane Papillomavirus geimpft, was jährlich rund 150 000 Betroffenen in Deutschland entspricht! Und die regionalen Unterschiede sind gewaltig: In den östlichen Bundesländern sind weit über 70 Prozent der 17-jährigen Mädchen vollständig geimpft. Die niedrigsten Quoten gibt es in Bayern mit 51 Prozent, gefolgt von Bremen mit 54,2 Prozent und Baden-Württemberg mit 55,2 Prozent. Wir in Bayern müssen von unserer traditionellen Impf-Muffelei herunterkommen. Und genauso wichtig wie bei den Mädchen ist eine HPV-Impfung auch für Jungen, denn ein ungeimpfteter Junge ist später beim Geschlechtsverkehr ein wesentlicher Überträger und infiziert seine Partnerinnen mit HP-Viren. Von einer Impfung profitieren alle.“
Sarah Armbrecht, Einrichtungsleiterin der AIDSBeratung Mittelfranken in Trägerschaft der Stadtmission Nürnberg:
"Ich konstatiere bei jungen Menschen wenig Faktenwissen zum Thema sexuelle Gesundheit trotz vieler Informationsangebote. Die AIDS-Beratung der Stadtmission Nürnberg hat im vergangenen Jahr mit ihrem Präventionsangebot in ganz Mittelfranken 8500 Personen direkt erreicht und mit ihrer medialen Öffentlichkeitsarbeit etwa 125000 Personen in Form von Abonnements, als Lesende und Followerinnen und Follower: „Ebenso im vergangenen Jahr gab es weit über 600 Beratungsgespräche für Menschen mit einer HIV-Diagnose und deren Angehörige. 250 Beratungskontakte fanden zudem mit dem dienstlichen Umfeld statt. Knapp 500 Menschen suchten das anonyme individuelle Beratungsangebot via Online-Portal, Telefon oder auch persönlich in der Krellerstraße. 270 Menschen nahmen einen HIV-Schnelltest in Anspruch. Regelmäßig alle 14 Tage traf sich die moderierte Selbsthilfegruppe zum Austausch über das Leben mit HIV.
HIV ist ein Fluchtgrund. Es gibt auch heute noch Länder, in denen es keine verlässliche medizinische Versorgung von Menschen mit HIV gibt. Die Flucht nach Deutschland macht für diese Menschen am Ende den Unterschied zwischen Leben und Sterben“.
Fachvorstand Manfred Schmidt der Aidshilfe Nürnberg-Erlangen-Fürth zur Notwendigkeit des Ausbaus von zielgruppenspefizischen Testangeboten
„Wer psychisch krank ist oder jede Menge anderer Probleme im Leben bewältigen muss, tut sich oft schwerer mit der regelmäßigen Einnahme der HIV-Medikamente. Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter der Aidshilfe unterstützen viele Menschen mit HIV durch Krisenzeiten. Es braucht die gute Zusammenarbeit von HIV-Praxen und Aidshilfe, damit auch alle vom medizinischen Fortschritt profitieren können.“