Nürnberg soll Schwammstadt werden
Extremwetterlagen stellen Nürnberg vor Herausforderungen. Starkregenereignisse oder lang anhaltende Hitzeperioden erfordern ein neues Regenwassermanagement. Städtische Bauvorhaben sollen daher künftig im Sinne einer Schwammstadt geplant und umgesetzt werden. Darüber hinaus sollen Konzepte zur Förderung der wassersensiblen Stadt auf privaten Flächen entwickelt werden.
War es über Jahrhunderte ein wichtiges Ziel der Stadtentwässerung, das Wasser möglichst schnell aus der Stadt zu bringen, liegt der Fokus heute darauf, den Regen zurückzuhalten und das Wasser zu nutzen. Dieser Paradigmenwechsel wird in der Fachwelt unter dem Begriff „wassersensible Stadtentwicklung“ diskutiert. In der öffentlichen Diskussion wird häufig das Schlagwort „Schwammstadt“ verwendet.
Bei der Umsetzung des Schwammstadt-Konzepts helfen:
- unversiegelte Böden und Bäume
- künstlich angelegte Wasser- und Grünflächen
- Gründächer, Zisternen und Rigolen
Nach dem Prinzip „Ohne Blau kein Grün“ wird das anfallende Regenwasser zur Stabilisierung des Grundwassers oder zur gezielten Bewässerung von Grünflächen und Bäumen genutzt, die sonst in Hitzeperioden schnell in Trockenstress geraten. Dadurch können der Bewässerungsaufwand sowie der Einsatz von hochwertigem Trinkwasser reduziert und Kühleffekte durch Verdunstung erzielt werden.
Auch wenn eine erhöhte Speicherkapazität die negativen Auswirkungen von Starkregenereignissen wie Überflutungen von Straßen, Kellern und Infrastruktur nicht grundsätzlich verhindern kann, ist die wassersensible Stadt außerhalb von Katastrophenereignissen widerstandsfähiger gegenüber Niederschlägen und bis zu einem gewissen Grad auch gegenüber Starkniederschlägen und Trockenheit.
Umgang mit Regenwasser in Nürnberg
Der nachhaltige Umgang mit Regenwasser ist in Nürnberg kein neues Thema: Bereits in den vergangenen Jahren wurden wichtige Schritte in Richtung einer wassersensiblen Stadt unternommen. Insgesamt werden bereits rund 210 Hektar Fläche über registrierte Versickerungsanlagen entwässert. Genehmigungsfreie Versickerungsanlagen kommen noch hinzu. Durch eine konsequente Bauleitplanung in den letzten zehn Jahren hat die Stadt erreicht, dass in fast allen seither in Kraft getretenen Bebauungsplänen das anfallende Niederschlagswasser vor Ort verbleibt. In allen neuen Bebauungsplänen sind zudem Dachbegrünungen Bestandteil des Regenwasserkonzeptes. Die Prinzipien der wassersensiblen Stadt sollen auch weiterhin im Planungsprozess Vorrang haben.
Beispiel Stadtquartier Wetzendorf
Regenwassermanagement: So funktioniert es
Die Flächen für Grünanalagen und Wasserbereiche werden im neuen Quartier so miteinander kombiniert, dass Regenwasser dort gehalten und genutzt werden kann, wo es fällt. Entwässerungsmulden, Retentionsflächen und Baumrigolen werden Regenwasser an der Oberfläche reduzieren, in Speichern zurückhalten und gedrosselt ableiten. Baumrigolen werden erstmals in Nürnberg großflächig eingesetzt. Baumrigolen sind unterirdische Auffangbecken für Regenwasser, die sich unterhalb eines Baumstandorts befinden. Damit wird nicht nur der jeweilige Baum optimal mit Wasser versorgt, die Baumrigolen entlasten darüber hinaus bei Starkregen das Kanalsystem und sorgen bei Hitze mit dem verdunstenden Wasser für Kühlung.
Öffentliche Verkehrsflächen und Plätze
Ziel ist es, befestigte Flächen und Plätze im öffentlichen Raum wassersensibel zu entwässern, wo es die Verhältnisse zulassen. Dies ist unter anderem in der Bayernstraße, bei den Hafenbrücken und zum Teil auch bei einigen Bauvorhaben in der Innenstadt bereits gelungen. Veränderungen sind jedoch oft nur mit großem Aufwand möglich, da unter anderem der Verschmutzungsgrad der Oberfläche eine sehr große Rolle spielt.
Durch den meist hohen Versiegelungsgrad in Verbindung mit einer zu geringen Grünausstattung sind befestigte Plätze häufig Wärmeinseln, die sich in Hitzeperioden stark aufheizen. Hier kann nachhaltig genutztes Regenwasser zur Kühlung beitragen. Die Herausforderung besteht hier darin, die Umgestaltung der Plätze mit den vielfältigen Nutzungsansprüchen und infrastrukturellen Zwängen in Einklang zu bringen. Grundsätzlich gelten für die Regenwasserbewirtschaftung bei allen Neu- und Umbauplanungen folgende Ziele:
- Pufferung von Abflussspitzen
- Rückhaltung und Speicherung
- Nutzung
- Verdunstung
- Versickerung
Da die Möglichkeiten zur Ableitung in Fließgewässer in Nürnberg sehr begrenzt sind und auch die Fließgewässer eine Belastungsgrenze haben, ist das erste Mittel der Wahl die Rückhaltung und Speicherung und in weiterer Folge die Versickerung.
Insbesondere die Nutzung des Regenwassers zur Bewässerung von Bäumen und Grünflächen wird aufgrund des Klimawandels und der ohnehin geringen Niederschläge in der Region immer wichtiger. Die Stadt verfolgt daher verstärkt den Bau von Baumrigolen als Möglichkeit der temporären Wasserrückhaltung. Der Begriff Baumrigole ist derzeit noch nicht eindeutig definiert. Technische Richtlinien, Langzeiterfahrungen und Unterhaltungserfordernisse müssen erarbeitet und geprüft werden. Besondere Herausforderungen bestehen hinsichtlich der Wasserreinigung, des Salzeintrags und des dauerhaften Betriebs und der Unterhaltung dieser Entwässerungseinrichtungen.
Für eine funktionierende Versickerung müssen zudem bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. In bestehenden Straßen ist die Unterbringung von Versickerungsanlagen aufgrund der vielen Sparten und der geringen Straßenraumbreiten meist nicht möglich. Bei Neuplanungen stellt sich die Frage, ob die Straßenräume groß genug dimensioniert werden können, um Versickerungsanlagen unterzubringen oder ob zusätzliche Flächen für die Versickerung vorgesehen werden können. Ist dies nicht möglich, bleibt nur der Anschluss an die Kanalisation.
Pilotprojekte in der Altstadt
Technische Herausforderungen bei Bodenbelägen
Umbau ist Generationenaufgabe
Der Umbau Nürnbergs zu einer wassersensiblen Stadt ist eine Generationenaufgabe, die intensive Anstrengungen über einen langen Zeitraum erfordert. Sie kann nur im Zusammenwirken der Stadtgesellschaft gelingen, da sich große Flächenpotenziale in Privatbesitz befinden. Für eine wassersensible Stadt müssen auch private Flächen entsiegelt werden, die dann für die Regenwasserbewirtschaftung und damit für lokale Klimaeffekte genutzt werden können.
Bereits heute ist absehbar, dass eine alternative Regenwasserableitung zu einer deutlichen Kostensteigerung für die Stadt führen wird. Die Planung und Vorbereitung dieser Projekte bedeutet einen Mehraufwand gegenüber den bisherigen Planungen. Auch der Aufwand für den Bau und Betrieb der Anlagen ist erheblich. Um auf die Folgen des Klimawandels reagieren zu können, wird daher perspektivisch mehr Personal für Planung, Bau, Betrieb und Unterhaltung benötigt.
Die Umsetzung der Prinzipien der Schwammstadt ist auch ein zentrales Instrument der Urbanen Gartenschau Nürnberg 2030, um zu mehr Resilienz, Entsiegelung und Begrünung unserer Stadt beizutragen.