Die kommunale Gleichstellungsarbeit in Nürnberg wird über den gesetzlichen Rahmen hinaus auch von anderen wichtigen Bekenntnisse und Beschlüssen gestützt. Das städtischen Leitbild, das Gender Mainstreaming Prinzip und der Gleichstellungsaktionsplan prägen die Gleichstellungsarbeit vor Ort und sind wichtige Grundlagen für die Arbeit der Gleichstellungsstelle.
Gender Mainstreaming
Seit 2002 wendet die Stadtverwaltung Gender Mainstreaming an. Gender Mainstreaming bedeutet, die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Menschen aller Geschlechter bei allen Entscheidungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen zu berücksichtigen.
Was bedeutet Gender Mainstreaming?
Gender
Gender bedeutet "soziales Geschlecht" und bezeichnet die gesellschaftlich, sozial und kulturell geprägten Geschlechterrollen von Frauen und Männern. Diese sind erlernt und damit veränderbar.
Mainstream
Mainstream wird wörtlich mit "Hauptstrom" übersetzt und bedeutet, Dinge, die bisher nur am Rande betrachtet wurden, zu zentralen Kriterien, zum "roten Faden" zu machen.
Gender Mainstreaming
Gender Mainstreaming bedeutet, bei allen gesellschaftlichen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vornherein zu berücksichtigen, um das Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern effektiv verwirklichen zu können.
Wozu soll Gender Mainstreaming gut sein?
- Die systematische Berücksichtigung der Lebensrealitäten und Interessen aller Geschlechter bei allen Vorhaben, Planungen und Entscheidungen führt zu effektiveren und nachhaltigen Lösungen.
- Bedarfsgerechtere Produkte und Dienstleistungen steigern deren Qualität und damit die Zufriedenheit der Bürger*innen und Kund*innen.
- Fehlplanungen und damit kostenintensive Nachbesserungen können so vermieden werden.
- Die Motivation und Arbeitszufriedenheit aller Beteiligten und Nutzer*innen werden erhöht.
Wie funktioniert Gender Mainstreaming?
Gender Mainstreaming stellt die Geschlechterverhältnisse bei der Prüfung von Organisationsabläufen und bei der Entwicklung neuer Initiativen ins Zentrum. Dazu brauchen die Beteiligten sogenannte Gender-Kompetenzen.
Gender-Kompetenz ist die Fähigkeit, Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu erkennen und korrigierende Maßnahmen zu entwickeln. Solche methodischen, fachlichen und sozialen Kompetenzen werden in Fortbildungsmaßnahmen erlernt und vertieft.
Als Strategie funktioniert Gender Mainstreaming nur, wenn die Führungsebenen die Initiative ergreifen und die Spitzen von Wirtschaft, Verwaltung und Politik aktiv bei der Verwirklichung der Geschlechtergerechtigkeit mitwirken.
Alle Mitarbeitende haben die Verantwortung für die Umsetzung und die Integration der geschlechtsspezifischen Sichtweise in ihr fachliches Handeln.
Gleichstellungsaktionspläne
Um die kommunale Gleichstellungsarbeit weiterzuentwickeln und sie an neue Herausforderungen anzupassen, erstellt die Gleichstellungsstelle mit Kolleg*innen aus der Stadtverwaltung regelmäßig Gleichstellungsaktionspläne. Der aktuelle Gleichstellungsaktionsplan fokussiert sich inhaltlich auf die Bekämpfung Geschlechtsspezifischer und Häuslicher Gewalt.
Seit die Stadt Nürnberg im Jahr 2010 der Europäischen Charta für die Gleichstellung von Frauen und Männern auf kommunaler und regionaler Ebene beigetreten ist, erstellt die Gleichstellungsstelle mit tatkräftiger Unterstützung vieler Kolleg*innen aus der Stadtverwaltung Aktionspläne. In diesen Gleichstellungsaktionsplänen sind Ziele und Maßnahmen im Sinne des Gender Mainstreamings festgeschrieben. Die Ziele und Maßnahmen werden im Rhythmus von drei bis vier Jahren regelmäßig angepasst, um aktuellen Entwicklungen und Bedarfen gerecht zu werden.
Schwerpunktthema: Bekämpfung Geschlechtsspezifischer und Häuslicher Gewalt
Im Jahr 2023 wurden über 250.00 Menschen in Deutschland Opfer Häuslicher Gewalt, dabei waren 70 Prozent der Betroffenen weiblich. Knapp 80 Prozent der Betroffenen im Bereich Partnerschaftsgewalt im Jahr 2023 waren Frauen. Auf der Seite der Tatverdächtigen handelte es sich im Kontext Partnerschaftsgewalt in 78 Prozent der Fälle und im Kontext des Gesamtbereichs Häusliche Gewalt in 75 Prozent der Fälle um Männer.
Zudem stirbt in Deutschland fast jeden zweiten Tag eine Frau durch die Gewalt ihres (Ex-)Partners. Gleichzeitig werden auch Kinder und Männer Opfer Häuslicher Gewalt.
Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, auch bekannt als Istanbul-Konvention, wurde bereits im Jahr 2011 verabschiedet und trat als völkerrechtlicher Vertrag im August 2014 in Kraft. Es schafft verbindliche Rechtsnormen zur Prävention und Bekämpfung von Geschlechtsspezifischer und Häuslicher Gewalt. Im Februar 2018 trat die Istanbul-Konvention als Bundesgesetz in Deutschland in Kraft.
Bereits in der Präambel wird anerkannt, dass die Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern ein wesentliches Element zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen beziehungsweise Geschlechtsspezifischer Gewalt ist. Gleichstellungsarbeit wird demnach per se als Präventionsarbeit anerkannt. Kommunale Gleichstellungsarbeit muss folglich die in der Konvention gesetzten Vorgaben im Sinne der Ausstrahlungswirkung zwingend mitdenken.
Kommunaler Beitrag zur Umsetzung
Während die Verantwortung für die lückenlose Umsetzung der Istanbul-Konvention in vielen Bereichen in die Zuständigkeit des Bundes oder der Länder fällt wie beispielsweise im Kontext materiellen Rechts, Ermittlungen und Strafverfolgung oder auch Migration und Asyl können die Kommunen einen entscheidenden Beitrag zur Umsetzung der Konvention und somit zur Prävention, zum Schutz und zur Unterstützung (potentiell) Betroffener von Geschlechtsspezifischer und Häuslicher Gewalt leisten.
Leitbild der Stadt Nürnberg
Neben der Verpflichtung zur aktiven Verwirklichung der Menschenrechte, geht das städtische Leitbild auch explizit auf die Gleichstellung der Geschlechter ein. Es wurde am 18. Juli 2001 vom Stadtrat beschlossen und verdeutlich das Selbstverständnis und die Grundprinzipien des Stadtrats, des Oberbürgermeisters sowie der Verwaltung.
Im Leitbild ist neben vielen anderen Aspekten auch festgehalten, dass der Stadtrat, der Oberbürgermeister und die Verwaltung die unterschiedlichen Lebensverhältnisse von Frauen und Männern berücksichtigen und die Gleichberechtigung der Geschlechter fördern.