Ein Tag mit dem Planetariums-Techniker
Das blau-rote Licht im Saal verblasst, das Schwätzen der rund 140 Kinder schlägt augenblicklich in Stille um. Mancher stupst noch schnell seinen Sitznachbarn an und blickt mit großen Augen zum Sternenhimmel empor. „Schau mal“, flüstert einer der Jungen und zeigt auf die funkelnde Kuppeldecke im Saal. Ein einzigartiger Anblick, für den Jürgen Sadurski verantwortlich ist.
Der 50-Jährige leitet die Shows im Nicolaus-Copernicus-Planetarium und betreut mit einem Kollegen die gesamte technische Einrichtung. Seit 16 Jahren ist er in Bayerns einzigem Großplanetarium tätig, das zum Bildungszentrum der Stadt Nürnberg gehört. Am 11. Dezember 2021 wird das Planetarium 60 Jahre alt.
Weißt du, wie viel Sternlein stehen?
An diesem Vormittag begeistert Sadurski Kindergarten-Kinder aus der Region für die Sterne. Während der 50-minütigen Vorführung steht er am hinteren Ende des Kuppelsaals an einem Schaltpult, das optisch an ein Raumschiff-Cockpit erinnert – unzählige Dimmer, Regler und Tasten reihen sich neben drei Monitoren, einer Tastatur und einem Audio-Mischpult aneinander.
Jürgen Sadurski visiert zu Beginn der Vorführung den linken der drei Monitore an und startet einen Film per Mausklick. Seine Augen wandern beinahe zeitgleich auf den rechten Bildschirm und zur Kuppeldecke, wo das projizierte Bild zu sehen ist. Das Weltraumabenteuer „Der kleine Mondbär“ nimmt die vier- bis sechsjährigen Besucher mit auf eine Reise durch das Sonnensystem, eine virtuelle Figur singt mit den Kindern das Lied „Weißt du, wie viel Sternlein stehen“.
Imposante Ausstattung im Planetarium
Zur Astronomie hat der Elektrohandwerksmeister über einen ehemaligen Arbeitskollegen gefunden. Mit der Sonnenfinsternis 1999 ist er der Thematik endgültig verfallen. „Das Universum ist so unvorstellbar groß und die Sterne sind so weit weg, aber mit Hilfe der Technik kann man sie sehen. Wir auf unserer Erde sind im Vergleich so klein und unbedeutend. Das ist einfach beeindruckend“, sagt er. Zuhause in Cadolzburg besitzt Jürgen Sadurski sogar eine selbstgebaute Sternwarte: Von seinem Geräteschuppen aus, dessen Dach sich öffnen lässt, kann er mit seinem Spiegelfernrohr den Sternenhimmel beobachten.
Um einiges imposanter ist die Ausstattung im Planetarium: Sechs Laserprojektoren, angetrieben von zwölf Hochleistungsrechnern, bilden die 360-Grad-Videoproduktion auf der gewölbten Kuppel ab. Digitales Fulldome nennt sich die Technik, mit der das Planetarium seit der Anschaffung im Jahr 2010 und Modernisierung 2019 Videos, Bilder und Animationen auf die Kuppel mit 18 Metern Durchmesser projizieren kann. Neben Kinder und Familienvorführungen bietet das Planetarium auch wissenschaftliche und astronomische Vorträge für Erwachsene sowie kulturelle Veranstaltungen an den Abenden an. Dadurch sind für Jürgen Sadurski Spät- und Wochenenddienste an der Tagesordnung.
Mit dem Live-Vortrag beginnt der zweite Teil
Sadurskis Arbeitstag hat heute bereits um 8 Uhr begonnen, eine Stunde vor der ersten Vorführung. Der Cadolzburger hat zuerst im Technikraum die Computer, Tonanlage und Beamer hochgefahren. Zurück im Kuppelsaal hat er die Technik dann auf Herz und Nieren geprüft und an seinem Pult die aktuelle Sternzeit für den Sternenhimmel eingestellt. Die Bilder und Videos vom Beamer laufen klar.
„Test, Test“, hallt Sadurskis Stimme durch den Saal. „Passt alles“, so das Fazit nach der Kontrolle. Dank der gründlichen Vorarbeit läuft der 25-minütige Film bei der Vorführung ohne Probleme. Danach setzt sich Sadurski ein Headset auf. Für ihn beginnt mit dem Live-Vortrag der zweite Teil der Veranstaltung. Anstelle der Fulldome-Technik kommt nun der Zeiss-Planetariumsprojektor zum Einsatz. Der 2,5-Tonnen-Koloss ragt inmitten des Saals heraus und gleicht optisch einer überdimensionalen Hantel – Gitter, Schrauben, Motoren, Zahnräder und Kugeln vollenden das spektakuläre Gesamtbild.
Mit dem Gerät, Baujahr 1976, hat das Planetarium vor der Anschaffung der Fulldome-Technik gearbeitet. Der Projektor wird aber weiterhin in vielen Veranstaltungen eingesetzt. Das Bild des Sternenhimmels wirkt zwar brillanter, der Projektor kann aber keine Bewegtbilder auf die gesamte Kuppel werfen. Die Steuerung übernimmt Sadurski an seinem Pult.
„Wir sind hier auch ein Stück weit Hausmeister“
Während er den Kindern den Sternenhimmel über Nürnberg erklärt, fliegen seine Finger wie die eines DJs von Dimmer zu Dimmer. Obwohl es dunkel ist, sitzt jeder Handgriff. Sadurski lässt den Mond und die Venus auf der Kuppel erscheinen, darunter die Skyline der Stadt. „Schaut euch das heute Abend mit euren Eltern an, das sieht genauso aus“, verspricht er. Mit einem Laserpointer erklärt er noch bekannte Sternbilder. Viele Kinder strömen nach dem Vortrag zum Projektor. „Drück mal hier auf diesen Button“, sagt Jürgen Sadurski zu einem Mädchen, das mit einem Mausklick die Simulation eines Raketenstarts abspielt. Jetzt wollen natürlich alle mal klicken.
Um 10.15 Uhr leeren sich die Plätze, doch Zeit zum Verschnaufen bleibt kaum. In einer Viertelstunde beginnt die nächste Veranstaltung. Zusammen mit seinem Techniker-Kollegen Oliver Erlwein geht Sadurski durch die Sitzreihen und entdeckt einen defekten Stuhl. „Wir sind hier auch ein Stück weit Hausmeister“, sagt Sadurski. Mit einem Gabelschlüssel bringt er den Stuhl in Ordnung, die zweite Kinder-Vorführung kann pünktlich beginnen. Routiniert absolviert Sadurski auch diese Vorstellung und sorgt für begeisterte Kinderaugen. Um 12.30 Uhr heißt es: Pause! Ein Schluck Kaffee, ein Plausch mit den Kollegen und schon geht es mit anderen Reparaturen weiter.
Vom Techniker zum kommissarischen Leiter
Um 14 Uhr sitzt er in seinem Büro und telefoniert mit Kollegen, Künstlern und Firmen oder beantwortet E-Mails. Zum 1. Oktober 2020 hat Jürgen Sadurski die kommissarische Leitung des Planetariums übernommen und so gehören zu seinen Aufgaben nicht nur das Erstellen von Spielplänen und die Ausgestaltung von Sonderveranstaltungen und Vorträgen, sondern auch die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern und die Mithilfe am Programmheft des Bildungszentrums. Auch für die Inhalte des Planetariumsprogramms ist er verantwortlich, was die Besucher während einer Live-Show sehen, bestimmt Jürgen Sadurski. Dafür tippt er Befehle in ein Skript am Computer. In Programmiersprache bereitet der Techniker heute so Projektionsabläufe vor, die für ein bevorstehendes Musikkonzert an der Kuppel erscheinen sollen.
Bis Dienstschluss um 17 Uhr liest er noch in einer Astronomie-Zeitschrift nach, an welcher Stelle ein Planet zu einer bestimmten Uhrzeit steht. Diese Information bindet Jürgen Sadurski in den morgigen Abendvortrag „Der aktuelle Sternenhimmel“ ein. Ob sich der zweifache Familienvater an diesem Feierabend auch noch in seinem Schuppen in Cadolzburg ans Fernrohr setzt? Das steht in den Sternen.
Text: Matthias Weichmann, Fotos: Christine Dierenbach
Ein Tag mit...
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