Ein Tag mit der Stadtbaum-Managerin
In einem kräftigen Dunkelgrün hebt sich die Baumhasel von der grauen Hauswand ab. Petra Wang steht davor und betrachtet den Baum konzentriert, streckt sich nach ein paar Blättern und Früchten und mustert sie. Die 45-Jährige bewertet den Baum anhand bestimmter Parameter wie Vitalität, Schädlingsbefall oder Klimaeinwirkungen. „Bonitierung“ lautet der Fachbegriff dafür. Das Urteil von Nürnbergs erster Stadtbaum-Managerin fällt positiv aus: Der jungen Baumhasel in der Wilhelm-Spaeth-Straße im Stadtteil Bleiweiß geht es trotz des extrem heißen Sommers ausgesprochen gut. Die Bäume werden seit ihrer Pflanzung 2009 regelmäßig gegossen. „Damit sind sie ein Paradebeispiel für eine nachhaltige Entwicklung städtischer Bäume“, sagt Wang.
Stadtbaum-Manager gibt es erst in wenigen Städten
Seit Mai 2019 kümmert sie sich beim Servicebetrieb Öffentlicher Raum (Sör) in der Abteilung Planung und Bau Grün um Straßenbäume und öffentliche Grünanlagen. Dass Nürnbergs circa 80.000 Bäume gesund wachsen, das koordiniert Petra Wang. Bereits in ihrem Büro in der Sulzbacher Straße ist die Farbe Grün Programm: Eine Zimmerpflanze blüht in der Ecke, eine andere auf dem Fensterbrett und an der Tür wirbt ein grünes Plakat für das Thema Baumspende. „Eine solche Stelle gibt es erst in wenigen Städten Deutschlands. Damit nimmt Nürnberg eine Vorreiterrolle ein“, erzählt sie.
Als Stadtbaum-Managerin erarbeitet die 45-Jährige für Straßenbäume im öffentlichen Raum ein spezifisches Jungbaumpflege- und Entwicklungskonzept. Dafür sammelt sie Ergebnisse etwa zu geeigneten Schnittmaßnahmen aus verschiedensten Quellen wie Fachtagungen und -literatur oder der langen Praxiserfahrung von Sör. Wegen der sich wandelnden Klimaverhältnisse hat die gelernte Gärtnereimeisterin und studierte Landschaftsarchitektin alle Hände voll zu tun. „Die Klimabedingungen für heimische Bäume werden zunehmend problematischer“, schildert Petra Wang eine Herausforderung, vor der sie steht. „Die Temperaturen und der Stickstoffanteil steigen, die Luftfeuchtigkeit und die Niederschläge dagegen sinken.“
Bäume kämpfen mit dem Klimawandel
Ein Bäumchen hier, dort drüben noch drei: Das sei keine Lösung für eine nachhaltige Begrünung der Stadt. „Die Bäume müssen zukunftsorientiert geplant und gepflegt werden“, erläutert Petra Wang. „Erst 20 Jahre nach der Pflanzung werden die Bäume klimawirksam. Dann bewirkt die Blattmasse eine Reinigung der Luft und bringt die heiß ersehnte Kühlung.“ Petra Wang koordiniert sämtliche Neupflanzungen von Stadtbäumen im öffentlichen Raum. Sie erschließt aber nicht nur neue Standorte für Stadtbäume, sondern hat auch beschädigte Exemplare genau im Blick. An diesem Tag macht sie sich mit einem kleinen weißen Sör-Auto auf in Richtung Theresienstraße.
Auf dem Theresienplatz thront in seiner ganzen Pracht die Statue Martin Behaims. Nicht ganz so prachtvoll verstecken sich dahinter drei Berg-Ahorne. Besonders der zur Theresienstraße ausgerichtete Baum macht mit seinen kahlen Ästen und braunen Blättern einen bemitleidenswerten Eindruck. „Die drei kämpfen mit dem heißer werdenden Klima“, sagt Wang. Für diese Baumart ist die Luftfeuchtigkeit inzwischen zu niedrig, die Hitze hat deutlich sichtbare Schäden an den Blättern angerichtet. Darum wird der Berg-Ahorn im öffentlichen Straßenraum nicht mehr gepflanzt.
Damit bildet der Theresienplatz ein Gegenbeispiel zur Wilhelm-Spaeth-Straße. Dort wachsen 16 verschiedene Baumarten wie die Baumhasel, die dem trockenen Stadtklima gut standhalten. So hat es bei den dort gepflanzten 60 Jungbäumen bisher keinen Ausfall gegeben. Hier am Theresienplatz dokumentiert Petra Wang mit ihrer Kamera den schlechten Zustand der drei Ahorne. Einem Baum blüht aber nur im schlimmsten Falle die Säge. „Geschwächte Bäume müssen zur Stärkung beschnitten, zusätzlich bewässert und gedüngt werden. Damit kann der Baum im nächsten Frühjahr neu austreiben“, sagt Wang.
„Der Baum bewegt“
Kaum zurück im Büro klingelt das Servicetelefon von Sör. „Vor unserem Haus ist eine Baumscheibe mit einem kaputten Baum. Wann wird der Baum gefällt und ein neuer gepflanzt?“, will der Anrufer wissen. Sämtliche Belange zu städtischen Bäumen leitet das Servicetelefon an die Stadtbaum-Managerin weiter. Jetzt heißt es, Informationen einzuholen. Mithilfe von Basisdaten aus dem Geodaten-Service vom Amt für Geoinformation und Bodenordnung ermittelt Petra Wang den genauen Standort des Baums.
Die erste, aber allesentscheidende Frage ist, ob der Baum im Eigentum der Stadt ist. Wenn nicht, geht die Zuständigkeit an das Umweltamt über. Petra Wang stellt dann den Kontakt zwischen der Bürgerin oder dem Bürger und dem Umweltamt her. Wenn ja, recherchiert sie Details zum Baum wie Art, Baumnummer oder zuständige Fachabteilung und bespricht sich für mögliche Schritte mit den jeweiligen Kollegen. Sie holt bei der Sör-Abteilung Betrieb und Unterhalt den genauen Zeitpunkt der Fällung ein. Und fragt innerhalb ihrer Abteilung Planung und Bau Grün noch, ob und zu welchem Zeitpunkt eine Ersatzpflanzung geplant und welche Baumart vorgesehen ist. Sind alle diese Punkte geklärt, erhält der Anrufer eine Antwort von ihr.
Gut findet es die gebürtige Nürnbergerin, dass mehr und mehr über das Thema Natur gesprochen wird – auch in den Medien. Denn: „Bäume wachsen nicht von allein in der Stadt. Es ist sorgfältig abzuwägen, an welchem Standort, welche Baumart geeignet ist.“ Die Baumhasel fühlt sich auch in einer städtischen Umgebung wohl. Obwohl sie gern im Schatten wächst, gelte diese Baumart als stadtklimaverträglich, weil sie resistent gegen Hitze und Trockenheit sind. Und so wundert es Petra Wang nicht, dass die Baumhasel der ideale Zuwachs in einer städtischen Umgebung ist und die Anwohner in der Wilhelm-Spaeth-Straße mit ihrem satten Grün erfreut: „Viele Menschen haben eine besondere Verbindung zur Natur. Der Baum bewegt.“
Text: Laura Löslein, Fotos: Giulia Iannicelli
Ein Tag mit...
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