Begehrte Frauenkunst - Die besondere Buchpatenschaft zum Jubiläum

Chorbücher St. Katharina, Cent. V. App. 34p 020v

Die Chorbücher von St. Katharina waren schon zu ihrer Entstehungszeit berühmt: Noch vor ihrem Tod 1489 wurde die Schreiberin, die Nürnberger Nonne Margareta Kartäuser, sogar in St. Gallen für ihre Kunst gelobt. Die acht schweren Bände in einem Riesenformat sind 500 Jahre nach ihrer Entstehung von ihrer Geschichte schwer gezeichnet; vier Bände müssen aufwendig restauriert werden.

Warum sind Chorbücher besondere Handschriften?

Die Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg bewahrt acht Bände eines Chorbuchs im Riesenformat, die zwischen 1458 und 1470 im Nürnberger Dominikanerinnenkloster St. Katharina geschrieben wurden. Sie entstanden also an einer unbekannten Stelle im heute noch stehenden und seit 1984 von der Stadtbibliothek bespielten Kreuzgang!

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Mit der enormen Höhe von 60 cm war ein Maximum erreicht: Aus einer Schafhaut können bei diesem Format gerade zwei Blätter herausgeschnitten werden. Zum enormen Gewicht von Dutzenden Pergamentblättern in dieser Größe kommt dann noch ein mit dickem Schweinsleder über massiven Holzbrettern bezogener Einband.

Solche Bücher mit einem Gewicht von 15 Kilo und mehr bewegt man möglichst selten! Die acht Bände zerfallen in die beiden Teile Graduale und Antiphonar: Sie beinhalten die Gesänge zur Messfeier (Graduale) beziehungsweise zum liturgischen Stundengebet (Antiphonar), die von den Chorschwestern zu intonieren waren – auf Latein und mit Noten, weshalb diese Aufgabe nur den entsprechend gebildeten und geschulten Nonnen vorbehalten war. Dazu wurden die Chorbücher aufgeschlagen auf einem Pult platziert, das im Chorgestühl des Nonnenchors auf einer Empore am Westende der Katharinenkirche angebracht war. Den im Chorgestühl stehenden Frauen wiesen die Sängerinnen mit einem Zeigestock Einsätze und Textstellen im Buch. Auf diese Benutzung abgestimmt ist das Layout der Bücher:
Auf jeder Seite finden sich nur acht Textzeilen und acht Notensystemen auf vier roten Linien. Die Größe von Schrift und Noten berücksichtigt, dass auch die im Chor entfernter stehenden Nonnen noch mitlesen können sollten.


Wann und von wem wurde das Chorbuch von St. Katharina hergestellt?

Die Teilnahme an Gottesdienst und Stundengebet waren Kernaufgaben der Schwestern in Dominikanerinnen-klöstern, der korrekte und andächtige Vollzug der Liturgie ein von der Gemeinschaft zu erfüllender Auftrag. Die Sängerin nahm daher ein Amt mit Schlüsselposition wahr: In Nürnberg erfüllte diese Aufgabe von den 1450er Jahren bis zu ihrem Tod 1489 Margareta Kartäuser.

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In dieser Funktion erneuerte sie zwischen 1458 und 1470 das Chorbuch in einer korrekten, den aktuellen Vorschriften des Dominikanerordens entsprechenden Fassung. Im Schnitt gut ein Jahr brauchte sie für jeden der acht Bände – und erfüllte dieses Pensum ohne ein einziges Mal die täglich acht Chorgebetszeiten zu versäumen.
Eine entsprechende Vorbildung brachte sie mit: Sie muss hervorragend die lateinische Sprache, das Lesen von Noten und das Schreiben beherrscht haben. Die gotische gebrochene Schrift, die für Chorbücher im Spätmittelalter zur Konvention geworden war, erfordert ein ständiges Drehen und Neuaufsetzen des Federkiels sowie viel Übung, um ein gleichmäßiges Schriftband zu erzeugen. Für die großen Buchstaben waren starke Federn oder Schilfrohre mit entsprechender Breite notwendig. Unterstützung erhielt die Schreiberin von der Buchmalerin oder illuminatrix des Klosters, Barbara Gewichtmacher († 1491). Sie führte die zahlreichen, zur Gliederung notwendigen Initialen aus: Sie vervollständigte die in schwarzer Tinte geschriebenen Cadellen durch gezeichnete Ornamente, sie fügte die gezeichneten Initialen in roter und blauer Farbe mit dem aufwendigen Fleuronné aus Füllung, Besatz und Ausläufern ein und sie ergänzte in den beiden ersten Bänden die in Deckfarben und Blattgold ausgeführten Initialen mit gemalten Darstellungen. Für die zuletzt genannten aufwendigen Initialen engagierten die Schwestern jedoch bevorzugt Berufsmaler aus Nürnberger Werkstätten, 1470 auch einmalig einen nur kurz in der Reichsstadt weilenden Wandermaler.


Warum ist das Chorbuch aus St. Katharina so berühmt?

Nur selten lässt sich die Bewunderung einer Handschrift so gut nachvollziehen wie im Fall des von Margareta Kartäuser geschriebenen achtteiligen Chorbuchs. Schon zu Lebzeiten der Schreiberin galt es als Vorbild und Modell: 1487 erhielten die reformbereiten Schwestern von St. Katharina in St. Gallen den Teil mit dem Graduale ausgeliehen, um ihr Chorbuch nach dieser Vorlage zu verbessern.

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Die Schwestern in der Schweiz kannten also die Leistungen der Margareta Kartäuser aus eigener Anschauung, als sie nach deren Tod 1489 ihre Schreibarbeiten in den höchsten Tönen lobten: Sie habe alle Chorbücher neu geschrieben, soͤlichi schoͤni búcher, wer die siecht, dem ist es nit wol zů gelobind, dz ain frowenbild so wol kan arbaiten. Lob und Ruhm erhielten die Bände auch in den folgenden Jahrhunderten: Nach der Auflösung des Katharinenklosters 1596 gelangten sie in die Stadtbibliothek, wo sie auf halbhohen Regalen auslagen, in der ersten gedruckten Bibliotheksgeschichte von 1643 beschrieben und allen Bibliotheksbesuchern gezeigt wurden. Über die Bewunderung für die Leistung der Nürnberger Nonne durch Kaiser Leopold I. berichtet der Stadtbibliothekar Johann Michael Dilherr mit einem Schuss Lokalpatriotismus 1658: Bey Zeigung der alten Choral-Bücher, die eine Nonne, Nahmens Margaretha Carthäuserin, geschrieben, hielten sich Ihro Majetät und der Ertz-Herzog lange auff, und fragten: Woher sie gewesen? Worauf ich antwortete: Sie sey von Nürnberg gewesen, und habe Gott zu Ehren und ihrem Vaterlande zum Besten dieses ansehnliche Gedächtnüss hinter sich lassen wollen.

Welche Schäden weisen die Chorbücher auf?

Materialität und Ruhm sind den Chorbüchern zum Verhängnis geworden: Sie haben sich nur als Ruinen erhalten. Aus allen Bänden sind in großem Umfang Pergamentblätter entfernt worden.

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Die Gründe für das mutwillige Auslösen vollständiger Bögen und die Reduktion vieler Bände auf die Hälfte des ursprünglichen Umfangs sind unbekannt, aber es steht zu vermuten, dass die Bewunderung für die Leistung einer Frau und die Schönheit von Schrift und Initialen dazu verleitet haben könnten, Blätter herauszuschneiden und als Souvenirs auszugeben – die Frauenkunst war begehrt! Dem häufigen Aufschlagen im Chorgebrauch und für Besucher waren außerdem die Bünde nicht gewachsen. Infolge des schieren Gewichts von Holz und der Starrheit des Leders sind in vier Fällen Bünde und Lederbezug im Gelenkbereich gerissen und die Vorderdeckel nicht mehr mit dem Buchblock verbunden. Aufgrund der Blattverluste stimmen die Proportionen von Buchblock und Einband nicht mehr zueinander und es müssen durch das Einfügen von Platzhaltern in den Lagenverbund ausgeglichen werden.


Wie konnte den geschädigten Bänden des Chorbuchs geholfen werden?

Die Stadtbibliothek hat für die schwer geschädigten Bände im Jahr 2020 einen Förderantrag bei der Koordinierungsstelle für den Erhalt des schriftlichen Kulturguts (KEK) gestellt, die seit nunmehr zehn Jahren mit Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und der Kulturstiftung der Länder (KSL) deutschlandweit ausgewählte Modellprojekte zur Erhaltung des schriftlichen Kulturguts fördert. Die Restaurierung von drei Bänden wird im Rahmen der „KEK-Modellprojektförderung 2020 – Originale erhalten“ mit über 10.000 Euro unterstützt.

Für die Mittel zur Restaurierung des vierten Bandes hat sich die Stadtbibliothek an die treue Gemeinschaft von Buchpatinnen und Buchpaten mit der Bitte gewendet, zum 650jährigen Jubiläum der Stadtbibliothek die Spenden diesem mit Lokalgeschichte "aufgeladenen", von Frauen für Frauen hergestellten Bandes zukommen zu lassen.

Spontan hat sich ein Buchpate, der anonym bleiben will, bereit erklärt, die Kosten der Restaurierung in Höhe von 3.700 Euro zu übernehmen. Wir danken diesem Buchpaten herzlich, der der Stadtbibliothek die Restaurierung des vierten Chorbuchbandes mit schweren Schäden erlaubt. Unser Dank erstreckt sich weiter auf alle anderen Patinnen und Paten, die uns zusätzlich die Bearbeitung kleiner Schäden und die Festigung der Buchmalereien in den übrigen vier Bänden ermöglicht haben! Eine für die Stadt- und Frauengeschichte Nürnbergs zentrale Handschrift kann mit Förder- und Spendenmittel somit in einen gebrauchs- und präsentationsfähigen Zustand versetzt werden, der zukünftigen Verlusten an der Originalsubstanz vorbeugt.

Bei den als Buchpatenschaften vergebenen fünf Handschriften handelt es sich um Teile von Graduale (Chorgesang zur Messfeier) und Antiphonar (Chorgesang zum Stundengebet). Bei jedem Band ist mindestens die Hälfte der ehemals vorhandenen Pergamentblätter verloren gegangen. Die Einbände entstanden in der Regel in dem auf die Vollendung der Schreibarbeiten folgenden Jahr; ausgeführt wurden sie in der Buchbinderei des Dominikanerklosters.

Darüber informiert eine für diese Werkstatt charakteristische, mit Buchstabenstempeln in den Lederbezug des Vorderdeckels eingeprägte Inschrift. Die von Margareta Kartäuser geschriebenen, teilweise kunstvollen schwarzen Anfangsbuchstaben (Cadellen) ergänzte Barbara Gewichtmacher um gezeichneten, florale Formen aufgreifenden Dekor (Fleuronné). Vor die einzelnen Offizien setzte die Buchmalerin Fleuronnéinitialen in Rot und Blau, die in den Buchstabenstämmen ausgsparte groteske Wesen beleben. Die Ausführung der bunten Initialen in Deckfarben und Blattgold zu den besonders herausgehobenen Festen wurden zumeist Berufsmalern überlassen.

Die Restaurierung der vier schwergeschädigten Chorbücher ist inzwischen angelaufen und wird bis Ende 2020 fertiggestellt. 2021 ist die Restaurierung der vier Bände mit leichteren Schäden geplant. So werden Ende 2021 alle acht Bände und damit das gesamte Chorbuch bearbeitet sein.

Die Restaurierungen umfassen bei den einzelnen großformatigen Lederbänden die Reinigung der Einbände und der Pergamentblätter und das Schließen von Rissen und Fehlstellen im Rückenleder bzw. in den vorderen Gelenkbereichen. Die zum Teil losen, sehr schweren Vorderdeckel werden durch die Wiederherstellung der Lederbünde wieder befestigt und die Stabilität im Gelenkbereich durch eine Pergamenthinterklebung erhöht. Es werden Ausgleiche für die fehlenden Blätter in die Buchblöcke gelegt, um den schweren vorderen Buchdeckel zu stützen. Bei allen Bänden erfolgt eine Untersuchung der Buchmalereien; wenn notwendig, werden die gemalten Bereiche gefestigt. Einzelne Bereiche im Tintenauftrag mit Tintenfraß werden vorsorglich gesichert, Knicke in den Pergamentblättern vorsichtig geglättet.

Eine für die Stadt- und Frauengeschichte Nürnbergs zentrale Handschrift kann mit Förder- und Spendenmittel somit in einen gebrauchs- und präsentationsfähigen Zustand versetzt werden, der zukünftigen Verlusten an der Originalsubstanz vorbeugt.

Vor der Restaurierung

Vor der Restaurierung...

nach der Restaurierung

...und nach der Restaurierung

Wie funktioniert eine Buchpatenschaft?

Die durch Buchpatenschaften eingeworbenen Spendenmittel erlauben der Stadtbibliothek, die aufwendigen Einzelrestaurierung an eine externe Fachkraft zu vergeben.
Jedes Buch bleibt durch ein in die Schutzkassette eingeklebtes Exlibris fest mit dem Namen der Buchpatin oder des Buchpaten verbunden.
Bei einer teuren Restaurierung, wie es beim Chorbuch der Fall ist, sind Spenden in jeder Höhe willkommen. Jede Buchpatin und jeder Buchpate wird namentlich auf dem Exlibris gewürdigt.

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