Die Stadtbibliothek Nürnberg ist eine der ältesten Einrichtungen ihrer Art im deutschen Sprachraum. Sie blickt auf eine bemerkenswert lange Geschichte mit einzigartiger Kontinuität zurück. Das erste Zeugnis für eine öffentliche Bereitstellung von Büchern durch den Rat liefert der Leihschein des Juristen Gilbert Weigel vom 30. Dezember 1370 – kaum eine andere Stadt leistete sich zu dieser Zeit ein solches Angebot.
Von der Ratsbibliothek zur Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg
Die Ratsbibliothek ging nach Einführung der Reformation 1525 in einer weiteren Gründung des Rats auf:
1538 erhielten zwei Ratsherren den Auftrag zur Standortsuche für die Einrichtung einer ordentlichen feinen liberei.
Zum Kernbestand dieser um 1543 im Dominikanerkloster untergebrachten Bibliotheca publica Norimbergensis oder öffentlichen Stadtbibliothek zählten zunächst Drucke und Handschriften aus den acht im Stadtgebiet gelegenen Klöstern. Ihnen zur Seite gestellt wurden Teile der Ratsbibliothek sowie Neuerwerbungen aller Fächer, vor allem aber aus dem Gebiet der evangelischen Theologie. Im Verlauf der Jahrhunderte kamen dazu Sammlungen von Gelehrten, Patriziern und Bürgern. Lange Zeit sind neben den Büchern Kunstgegenstände, Skelette und wissenschaftliche Geräte gezeigt worden – fast wie in einem Museum. Nach dem Zweiten Weltkrieg bezog die Stadtbibliothek das wiederaufgebaute Pellerhaus. 1973 wurde diese Einrichtung mit der seit 1911 im Luitpoldhaus untergebrachten Volksbücherei organisatorisch unter einer Leitung zusammengeschlossen; dezentral angegliedert waren Musik-, Stadtteil-, Schul- und Fahrbibliotheken. Seit dem Einzug der historischen Bestände und der Musikbibliothek in das 2012 sanierte Luitpoldhaus ist die Vereinigung von wissenschaftlicher und öffentlicher Bibliothek auch räumlich vollzogen.
Eine Bibliothek in stetem Wandel
Mit in Ketten auf Pulten ausliegenden Drucken und Handschriften war die Ratsbibliothek eine reine Präsenzbibliothek. Einen breiteren Wirkungskreis hatte später die Stadtbibliothek, die im 16. Jahrhundert daraus hervorging: Als bi-funktionale Einrichtung stand sie allen Gebildeten für die Ausleihe von Büchern oder die Besichtigung der musealen Bestände offen.
Im 19. Jahrhundert waren es dann die Volksbildungsvereine, die allen Gesellschaftsschichten die Chance zur Erweiterung und Förderung ihrer Kenntnisse bieten wollten. Aus der Ratsbibliothek von damals ist im Verlauf von sechs Jahrhunderten mehr als ein Ort der Bücher geworden.
Die Stadtbibliothek bietet heute allen einen freien Zugang zu Information, sie will ein Treffpunkt sein, um Begegnung und Austausch zu ermöglichen, Kultur zu erleben oder zu lernen. Sie ist ein Spiegelbild einer offenen, diversen und demokratischen Gesellschaft. Vom klassischen Buch in mehreren Sprachen über Noten und Hörbücher bis hin zu Tonies, eMedien, Streaming-Diensten und Wissensdatenbanken reicht das aktuelle Angebot der Stadtbibliothek. Zugleich bewahrt sie einen Teil des schriftlichen Kulturerbes der Stadt Nürnberg: Unter den über sechs Jahrhunderte gewachsenen historischen Sammlungen befinden sich kostbare Handschriften und seltene Drucke von internationalem Rang oder hoher lokaler Bedeutung.
Einmaliges Kulturerbe von lokaler und überregionaler Bedeutung
In den Magazinen der Stadtbibliothek lagern bis zu 1200 Jahre alte Handschriften, Druckwerke seit der Erfindung des Buchdrucks um 1450, Autographe und Karten. Zu den kostbaren Schätzen zählt mit den Hausbüchern der Nürnberger Zwölfbrüderhäuser eine in Europa einzigartige Bildquelle zum Handwerk in Mittelalter und Früher Neuzeit.
Von der Hand Albrecht Dürers stammt die scherzhafte Zeichnung eines Frauenkopfes in einem 1506 in Venedig geschriebenen Brief. Als Raritäten wurden bereits im 17. Jahrhundert allen Bibliotheksbesuchern die spätmittelalterlichen Chorbücher aus dem Katharinenkloster und ein altkoloriertes Exemplar des ‚Hortus Eystettensis‘ vorgelegt. Aber auch kaum in der Bibliothek vermutete, international bedeutende Kostbarkeiten wie ein um 1293 / 1294 in Paris entstandenes Stundenbuch befinden sich im Bestand.
650 Jahre Lokalgeschichte:
Ein Merkmal sticht bei jeder Sichtung der Bestände hervor: Die Sammlungen der Stadtbibliothek sind von der ersten Erwähnung im Jahr 1370 bis in die Gegenwart hinein in engster Verflechtung mit der Stadt Nürnberg und ihrer Geschichte gewachsen. Sie spiegeln Nürnbergs führende Rolle in der Buchproduktion vom Handschriften- und Inkunabelzeitalter bis in die frühen Jahre des industriellen Drucks und in die Gegenwart hinein. In ihnen aufgegangen sind berühmte Bibliotheken oder Teile derselben aus den Klöstern der Stadt und von bekannten Persönlichkeiten wie Hermann und Hartmann Schedel, Johannes Regiomontanus, Georg Andreas Will, Jakob Wassermann oder Hermann Glaser. Dem in über 650 Jahren gesammelten und bewahrten Bestand kommt ein einmaliger Quellenwert zu.
Die möglichst vollständige Dokumentation der Sachliteratur zur Geschichte der Stadt und ihrer Persönlichkeiten sowie der belletristischen Publikationen fränkischer Autorinnen und Autoren gehört heute zu den speziellen Aufgaben der Stadtbibliothek. Im Fokus stehen dabei Schriftstellerinnen und Schriftsteller mit einer besonderen Beziehung zu Nürnberg wie z. B. Hans Sachs oder Hermann Kesten.
Vielseitige Angebote in einer lebendigen Bibliothek
In Wechselausstellungen, Vorträgen und Veranstaltungen ist die Aura der wertvollen und einzigartigen Bücher schon jetzt erlebbar. Außerdem sollen ausgewählte Schatzstücke digitalisiert und im Rahmen der Kulturhauptstadtbewerbung als digitale Faksimile weltweit zugänglich gemacht werden.
Mit ihrem umfangreichen Medienangebot ermöglicht die Stadtbibliothek Zugänge zu Wissen und Information für alle Generationen und Bevölkerungsgruppen in der Stadt der Menschenrechte. Als Partner für Bildung bietet sie von der frühkindlichen Leseförderung bis zum Erwerb von Schlüsselqualifikationen für Studium und Beruf maßgeschneiderte Angebote und qualifizierte Beratung.
Bilder zur Geschichte der Stadtbibliothek Nürnberg