Mehr Bäume, dann klappt's mit dem Klima!
Er ist wieder da: Albrecht Dürer im fiktiven Gespräch über die Kastanie vor seiner Haustür, den Airport und die Unsterblichkeit
Anlässlich des Jubiläums zum fünfjährigen Bestehen der "Bäume für Nürnberg Stiftung" kommen prominente Nürnberger zu Wort, die ein Herz für Bäume haben. Zum Abschluss dieser Serie ein fiktives Interview mit dem berühmtesten Sohn der Stadt.
Herr Dürer, wir haben schon lange nichts mehr von Ihnen gehört und gesehen. Wie kommt es, dass Sie sich gerade jetzt wieder bemerkbar machen?
Nachdem ich mich im Jahr des Herren 1528 in meine wohlverdiente Unsterblichkeit verabschiedet habe, musste ich mich ein paar Jahrhunderte von meinem ereignisreichen Leben erholen. Aber die gegenwärtigen Zeiten sind so spannend geworden, dass ich mich wieder melde muss. Diesmal als Streetart-Künstler mit Schablonengraffitis. Auch ich muss mit der Zeit gehen. Selbstverständlich im Schutze der Anonymität. Den Dürer würde mir eh keiner mehr abnehmen. Dieses kleine Geheimnis muss natürlich unter uns bleiben. Ich hoffe auf Ihre Verschwiegenheit.
Selbstverständlich. Übrigens fand ich Ihre Aktion in London mit dem geschredderten Bild bei der Auktion bei Sotheby's einfach nur genial.
War eine Idee von meiner Agnes. Sie hat mich übrigens auf das Baumthema in meiner
geliebten Heimatstadt aufmerksam gemacht. Da würde zwar keine Kunst aber um so mehr vertrocknete Bäume geschreddert. Apropos… an dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei den Stadtgärtnern bedanken, die mir diese wunderschöne Rosskastanie vor meiner Haustür gepflanzt haben. Erst dieser malerische Schattenspender macht aus dem Tiergärtnertorplatz einen friedlichen Treffpunkt für Jung und Alt mit Aufenthaltsqualität. Einen Platz wie diesen habe ich damals selbst auf meinen Italienreisen -und die Italiener verstehen nun wirklich etwas von Platzgestaltung - nur selten angetroffen.
Geraten Sie bei den anderen Nürnberger Plätzen auch so ins Schwärmen?
Nun ja… da scheint mir noch einiges im Argen zu liegen. Zuviel von diesen stinkenden
Blechkutschen, zu wenig Bäume, zu wenig Mut für wirkliche Änderungen. Der Hauptmarkt bietet so viel Raum, dass neben den Marktständen noch leicht ein halber Garten Eden Platz finden könnte.
Das mit dem Paradies auf Erden ist schon einmal schief gegangen…
Die Apfelbäume verbannen wir auf den Obstmarkt neben an. Da gehören sie hin und
die verantwortlichen Stadträte haben es dann vom Rathaus nicht so weit, um von den
Bäumen der Erkenntnis zu naschen. Vielleicht geht ihnen dann ein Licht auf und sie
erkennen, wie wichtig mehr Bäume für Nürnberg sind.
Den Klimawandel gab es in der Renaissance noch nicht. Wie sehen Sie den Nürnberger Umgang mit diesem globalen Problem?
Bäume müssen her. Ganz viele und ganz schnell. Damals war das mit dem Klima nicht
so wichtig. Die Stadt war eng, die Mauer gab uns Schutz. Vor den Toren hatten wir sofort Felder, Natur und so manch großes Rasenstück. Da gab es noch keinen Flughafen. Nur damit ich nicht missverstanden werde: Mobilität ist mir wichtig. Ich bin selber viel gereist und habe unschätzbare Erfahrung in der Fremde gemacht. Meine Kunst hat es inspiriert und beflügelt. Aber dass mein Name nun mit einem Airport, der ja auch für Kerosin und andere Klimakiller steht, in Verbindung gebracht wird, das finde ich nur in Maßen gut. Jener Landesfürst, der diese Idee hatte, möge doch bitte 20.000 Klimabäume in Nürnberg pflanzen. Auf diesen Ablasshandel würde ich mich sogar einlassen.
Wo sollten denn diese Bäume gepflanzt werden? Wo sehen Sie noch Platz in dieser stark verdichteten Stadt?
Auf dem Platz der meinen Namen trägt zum Beispiel. Die zwei Bäumchen, auf die ich da täglich von meinem Sockel herabblicken muss, sind ja nun wirklich nicht der Rede wert. Mehr Bäume her! Dann klappt‘s auch mit dem Stadtklima.
Sie sind ja ein richtiger Baumaktivist!
Nicht ganz ohne Hintergedanken. Sollte meine Stadt vor Hitze und Trockenheit dereinst unbewohnbar werden, ist ja auch niemand mehr da, der mich und die Orte meiner Jugend bewundern kann. Dann nützt mir auch meine ganze Unsterblichkeit nichts mehr. Gut, dass es da diese Stiftung gibt, auf die mich meine Frau Agnes aufmerksam gemacht hat. Bei finanziellen Dingen war sie schon immer unschlagbar. Sie hat mir vorgerechnet, dass wenn Jeder in dieser Stadt einen Taler für die Stiftung Bäume für Nürnberg springen lässt, dann wird Nürnberg nicht nur Kultur- sondern auch Klimahauptstadt. Für beides lohnt es sich zu kämpfen… und bis dahin bitte meinen Kastanienbaum am Tiergärtnerplatz nicht vergessen und immer ordentlich gießen. Ich habe ein Auge darauf!
Biographisches
Albrecht Dürer (* 21. Mai 1471 in Nürnberg; † 6.April 1528 ebenda) ist der bekannteste Sohn seiner Heimatstadt und zählt zu den überragenden darstellenden Künstlern der Renaissance-Epoche. Er lebte mit seiner Frau Agnes in einem Haus am Tiergärtnertorplatz, dem heutigen Dürer-Haus.
Banksy nennt sich ein anonym lebender Street Art-Künstler, der es mit seinen
Schablonengraffitis und spektakulären Aktionen, so auch bei einer Auktion bei Sotheby‘s in London, zu großer Bekanntheit gebracht hat. Seine Identität ist bis heute ungeklärt.
Interview/ Fotos: Theobald Wrobel