„Das Rauschen der Blätter ist Musik in meinen Ohren.“

Die rotgrün gestrichene Haustür öffnet sich und Julia Kempken – in rotem Kleid und mit roten Blumen im Haar – lässt uns ein in‘s gemütliche Eigenheim.
Viele Nürnberger kennen Julia Kempken. Sie ist die Chefin der Tanzfabrik und des Kleinkunsttheaters „rote Bühne“ - ein Allroundtalent mit Komik, Slapstick, Gesang und Schauspiel im Angebot. Ihr Spezialgebiet ist der Stepptanz.

Mit sieben Jahren zog sie mit ihren Eltern von Oberhausen nach Nürnberg. Sie ist die Tochter des Schauspielers Helmut Kempken und wächst in der Nähe der Gustav-Adolf- Kirche auf. „Dort lernte ich als meine erste Fremdsprache Fränkisch,“ erzählt sie.

Nach dem bestandenen Abitur wollte sie Biologie studieren, musste diesen Wunsch aber dann aufgeben, weil sie bald junge Mutter von zwei Kindern wurde. Mit zeitlichem Abstand kamen zwei weitere Kinder dazu.

In der Zeit der Kindererziehung absolvierte sie ihre Ausbildung in Tanz, Gesang und Schauspiel. Das Geld dafür erspielte sie sich als Straßenkünstlerin. Es folgten Auftritte auf vielen fränkischen Bühnen.
In den ersten Jahren war Julia Kempken gemeinsam mit dem Kabarettisten Oliver Tissot als Duo „The White Hot Pepper Steppers“ sehr erfolgreich.

Vor 20 Jahren gründete sie eine eigene Tanzschule, die Tanzfabrik Julia Kempken und 2006 ein eigenes Kleinkunsttheater, die „rote Bühne“.

Was verbindet nun die Künstlerin mit Natur und Bäumen?
„1979 war ich Gründungsmitglied der „Grünen“ in Nürnberg,“ ist ihre Antwort. „Und als Kind bin ich leidenschaftlich gern über den Zaun und das Garagendach auf meinen Lieblingsbaum geklettert. Auch Anlauf nehmen und sich an einen Ast hängen war ein sehr beliebtes Spiel unter uns Kindern. Gewonnen hatte, wer sich am längsten „baumeln“ lassen konnte.“

Zu welchem Baum sie sich besonders hingezogen fühlt, frage ich sie jetzt. Und da zeigt sich das ganze Temperament dieser Frau. Es sprudelt regelrecht heraus aus ihr, die Geschichte über die Rettung der vier großen Pappeln.
Julia Kempken wohnte erst ein Jahr in ihrem Reihenhaus am Goldbach, an dem auch eine Güterbahnlinie entlang führt. Das Geräusch von Kettensägen schreckte sie auf. Auf der anderen Seite der Gleise hatten Arbeiter gerade begonnen, große Bäume zu fällen. Frau Kempken wusste, dass Bäume ab einem bestimmten Stammumfang nicht ohne Genehmigung gefällt werden dürfen.

Sie bewaffnete sich also mit einem Maßband aus ihrem Nähkasten, setzte eines der Kleinkinder in den Kinderwagen und das andere auf ihre Hüfte und stürmte unter der Unterführung auf die andere Seite des Bahndammes. „Haben sie eine Genehmigung zum Fällen der Bäume?“ „Die brauchen wir nicht, das ist Bahngelände,“ war die Antwort. Sie machte sich an das Messen der Baumstämme und brachte die Arbeiter mit ihrem resoluten Auftreten dazu, deren Vorgesetzten zu holen. Diese Zeit reichte Julia Kempken, um mit ihren beiden Kindern zurück in ihr Haus zu eilen und von dort – Handys waren noch nicht sehr verbreitet – telefonisch bei der Stadtverwaltung Unterstützung einzufordern. Glücklicherweise fühlte sich dort gleich jemand zuständig und schickte eine kleine Delegation zum „Tatort“. Die beiden Herren der Stadtverwaltung machten den Arbeitern klar, dass der städtische Baumschutz auch auf dem Gelände der Deutschen Bahn angewendet wird. Die Kettensägen wurden nicht wieder gestartet und die mehr als 30 Meter hohen Pappeln stehen auch nach 20 Jahren immer noch am Bahndamm. Ein Baum zeigt bis heute die Schnittkante der angesetzten Säge.

Die „Baumretterin“ Julia Kempken wacht auch weiterhin mit Argusaugen über die Bäume und spitzt vor allem die Ohren, um auf die martialischen Geräusche von Kettensägen reagieren zu können.
„Die Pappeln sind nicht nur ein optischer Genuss, sondern auch ein akustischer. Wenn ich an lauen Sommerabenden das Rauschen der Blätter höre, ist das Musik in meinen Ohren,“ schwärmt Frau Kempken.

„In der Innenstadt Nürnbergs müsste es viel mehr Grün und vor allem mehr schattenspendende Bäume geben“ fordert sie. „Die Plätze wirken grau und steril, weil zu viel Stein und Beton und zu wenig Grün vorhanden ist.“ Das Argument, dass im Boden vorhandene Leitungen das Pflanzen von Bäumen nicht zulasse, sticht für sie nicht immer. Als Beispiel nennt sie den Aufseßplatz, auf dem vor der Veränderung wunderschöne große alte Bäume standen. Auch der Klarissenplatz könnte gut weitere Bäume vertragen.

Für Nürnberger Kinder wünscht sich Julia Kempken mehr Möglichkeiten, auf stabile Bäume klettern zu können. Und wenn zu wenige solcher Bäume in der Stadt vorhanden sind, sollten Ausflüge in den Wald organisiert werden. Bei diesen Ausflügen lernen die Kinder etwas über die Zusammenhänge in der Natur – und klettern könnten sie dort auch. Ihr gefällt in diesem Zusammenhang auch der Ansatz der „Bäume für Nürnberg Stiftung“, Bäume auf Schulhöfen pflanzen zu lassen und dann die Schulkinder mit deren Pflege zu betrauen. Auch wenn sich diese Bäume erst einmal nicht zum Klettern eignen.


Interview: Margit Grüll
Fotographie: Giulia Iannicelli

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