Die Hallerwiese in Johannis ist die älteste öffentliche Grünanlage in Nürnberg. Sie wurde 1434 vom Rat der Stadt von der Patrizierfamilie Haller erworben und den „inwonern“ der Stadt „zu lust und ergetzung“ zur Verfügung gestellt. Zu der Zeit klapperten noch zahlreiche Mühlen an der südlich angrenzenden Pegnitz. Hier fanden schon damals die Bewohner der engen Altstadt frische Luft und Erholung. Und die Schnepperschützen feierten hier ihre Schützenfeste.
Auch heute noch ist die Hallerwiese eine stark frequentierte Grünanlage. Charakteristisch sind die Lindenreihen, die bereits im 15. Jahrhundert angelegt wurden. An einer dieser Linden, einem mächtigen und knorrigen 400 Jahre alten Exemplar, das von der Stadt zum Naturdenkmal erklärt wurde, treffen wir Günter Gloser.
Dieses lebendige und trutzige Relikt aus der Vergangenheit bewundert Günter Gloser schon lange; Auf seinem Weg mit dem Fahrrad in die Stadt kommt er oft an diesem Baum vorbei und würde sich wünschen, dass der Baum noch etwas weiter in den angrenzenden Fahrradweg hineinragen würde, um die häufig viel zu schnell fahrenden Fahrradfahrer auszubremsen.
Günter Gloser ist 1950 in Nürnberg auf die Welt gekommen. Nach dem Jurastudium trat er in die Dienste der Bundesanstalt für Arbeit, wo er zuletzt als Referatsleiter in Nürnberg tätig war. Gut zwanzig Jahre hat er Nürnberg als SPD-Abgeordneter im Deutschen Bundestag vertreten. Von 2005 bis 2009 war Günter Gloser Staatsminister im Außenministerium, zuständig für Europa und die Beziehungen zur arabischen Welt.
In dieser Zeit hat er zahlreiche Reisen auf die arabische Halbinsel und nach Nordafrika unternommen. Sehr anschaulich schildert er seine Eindrücke von Flügen über das Mittelmeer nach Süden. Am Nordrand des Mittelmeers könne man noch Vegetation und grüne Bänder erkennen bis dann die Vegetation immer karger wird und sich schließlich die Wüste unendlich weit ausbreitet.
Mit Blick auf den Klimawandel schlägt Günter Gloser einen kühnen Bogen nach Nürnberg, wo im Osten der Reichswald die Stadt als grüne Lunge, Naherholungsgebiet und Klimaregulator umschließt. Er erinnert an die harten politischen Auseinandersetzungen in den 70er Jahren, an deren Ende 1979 die Ausweisung großer Teile des Reichswaldes als Bannwald stand.
Dass sich dieser Kampf gelohnt hat, hat er auch ganz persönlich wieder im letzten, extrem heißen und trockenen Sommer erlebt: Ausgedehnte Fahrradtouren durch den Reichswald brachten Abkühlung und Erfrischung; Bis zu acht Grad Celsius niedriger als in der Innenstadt kann die Temperatur dort an heißen Tagen im Sommer sein.
Aufgewachsen ist Günter Gloser in Altenfurt. Die Großeltern besaßen dort einen großen Garten, mittendrin ein ehrwürdiger, knorriger, alter Weichselbaum (Anm.: Sauerkirsche). Diesen Baum wachsen zu sehen, seine Früchte zu ernten, aber auch die Mutproben beim Klettern in diesem Baum. gehören zu seinen unvergessenen Kindheitserlebnissen. Dieses idyllische Plätzchen war auch Treffpunkt der Familie; Im Sommer wurde hier regelmäßig der Kaffeetisch gedeckt. Günter Gloser hat diese Zusammenkünfte im Schatten des Baumes wie ein romantisches Gemälde in der Erinnerung.
Nicht nur die Erfahrungen in den von Hitze und Dürre geplagten arabischen und nordafrikanischen Staaten haben Günter Glosers Blick für die Bedeutung von Wäldern und Bäumen geschärft, sondern auch die in Zeiten des Klimawandels spürbaren Veränderungen der Lebensbedingungen in unseren Städten, nicht zuletzt in Nürnberg.
„Die Bevölkerung in Nürnberg ist deutlich gewachsen, die Stadt verdichtet sich. Da muss man sich auch die Frage stellen, wie man das Grün „verdichten“ kann. Das gilt nicht nur für Neubauprojekte, sondern auch für die gewachsenen, nicht ausreichend mit Grün versehenen Stadtquartiere.“ Insgesamt müsse in dieser Richtung bei der Stadtplanung viel mehr in Bewegung kommen, alte Konzepte und Vorgaben auf den Prüfstand gestellt werden und neue Ideen und Herangehensweisen entwickelt werden. Auch die Bürger müssten viel stärker für dieses Thema sensibilisiert werden.
Das gelte nicht nur für die Schaffung von mehr Grün und die Pflanzung von mehr Bäumen, sondern auch für deren Pflege. Hier könnten sich viele Menschen viel stärker engagieren. Günter Gloser plädiert für mehr Gemeinsinn und Selbstverantwortung– ganz im Sinne einer solidarischen Stadtgesellschaft. „Was spricht denn dagegen, wenn ein Bürger, der im Sommer den Rasen und die Sträucher in seinem Vorgarten sprengt, auch den bedürftigen Straßenbaum vor seinem Grundstück mit Wasser versorgt – und nicht erst wartet, dass die Stadt mit dem Wasserwagen vorbeikommt?“. Die Bürger sollten sich nicht nur auf den Staat verlassen. Er wünscht sich, dass die Stadt für dieses Anliegen viel mehr Werbung macht, eine richtige Bewegung entsteht. Und er hat sich vorgenommen, sich im nächsten Sommer selbstverantwortlich noch stärker um die zwei Bäume vor seiner Haustür zu kümmern.
Interview: Mathias Schmidt und Lorenz Grund
Fotos: Giulia Iannicelli