„Grande Dame“ der SPD mit großem Herz für Bäume

Renate Schmidt darf man getrost als „Grande Dame“ der SPD bezeichnen. In den rund 30 Jahren ihrer aktiven Politikerinnenlaufbahn hat sie im Bund und in Bayern zahlreiche Spitzenämter bekleidet – sei es als Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, als Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, als Spitzenkandidatin der SPD in Bayern oder als Fraktionsvorsitzende der SPD im Bayerischen Landtag.

Renate Schmidt mit Baum

Es verwundert deshalb nicht, dass sie auch heute noch, im vermeintlichen Ruhestand, zahlreiche beratende und ehrenamtliche Tätigkeiten wahrnimmt.
Am 23. Juli 2014 wurde Renate Schmidt zur Ehrenbürgerin der Stadt Nürnberg ernannt.
Ihr Rat ist gefragt und mit leidenschaftlichen Beiträgen beteiligt sie sich auch heute noch am politischen Diskurs. Dabei hat sie nicht zuletzt auch die lokalen Themen und Probleme im Blick.

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass uns Renate Schmidt zum Gespräch über Bäume ins Karl-Bröger-Haus, dem Sitz der Nürnberger SPD einlädt. Es wird schnell klar, dass die erfahrene Politikerin ihre „Hausaufgaben“ gemacht hat: Gleich zu Beginn des Gesprächs hat sie eine nette kleine Anekdote aus ihrem Leben parat und übergibt uns ein Bild, das die kleine Renate vor einem mächtigen Baum zeigt. Der Stamm, vermutlich von einer Eiche, ist so breit wie Renate groß ist.
Das Foto aus den Jahren 1947/1948 zeigt ein kleines glückliches Mädchen im modischen Outfit der damaligen Jahre. Entstanden ist es in Coburg, wo Renate Schmidt ihre Kindheit verbracht hat.
Neun Jahre später ist dieser Baum noch einmal wichtig in ihrem jungen Leben: er ist der heimliche Treffpunkt mit ihrem ersten Freund Klaus...

Renate Schmidt Kind

Mit einem beeindruckenden Erinnerungsvermögen und sichtlich mit Freunde am Blick in die Vergangenheit kann Renate Schmidt mit weiteren Geschichten aufwarten, in denen sie Freundschaft mit Bäumen geschlossen hat.
Sie erinnert sich an eine Fahrt im Jahr 1972 mit einem 2CV (die französische „Ente“) nach Rumänien. Zu jener Zeit eine ziemlich abenteuerliche Unternehmung, die mit einer Panne unter einem großen Baum an der A3 nach Regensburg unterbrochen wurde. Diesen Baum, wurzelnd neben der Leitplanke an der A3, hat sie noch viele Jahre im Blick gehabt, wenn sie dort vorbei kam.

Als SPD-Politikerin sind ihr auch die beiden großen Ahornbäume am Eingang zum Karl-Bröger-Haus sehr vertraut. Hier ist sie jahrelang ein- und ausgegangen.
Auch mit diesen Bäumen verbindet sie eine nette Episode: 1987, Ferienzeit, Renate Schmidt war in diesen Tagen als stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion die „ranghöchste“ Repräsentantin der SPD und wurde von den Tagesthemen zu einem Interview zum (!) Gentechnikfolgenabschätzungsgesetz, das die Regierung gerade vorgelegt hatte, gebeten. Dieses Interview fand unter einem der Ahornbäume statt und Renate Schmidt hatte gerade einmal 1/30 (Reporterjargon für 1 Minute 30 Sekunden ) zur Verfügung, um dieses sperrige Thema zu kommentieren. Wohin sie sich bei den Aufnahmen bewegen und wo sie ihr Statement abgeben sollte, war mit einem Ahornblatt am Boden markiert. Sie hat diese Aufgabe perfekt gemeistert, aber was beim „Volk“ angekommen ist, hat ihr ein Taxifahrer am nächsten Tag vermittelt. Der Dialog hat sich (verkürzt) in etwa folgendermaßen zugetragen: „Ich hab' Sie gestern im Fernsehen gesehen“; „Ja? Was haben Sie denn gesehen?“;“Das weiß ich jetzt nimmer,.... aber es war spät am Abend“;“ Aha, dann war das wohl in den Tagesthemen. Und können Sie sich erinnern, was ich gesagt habe?“; „Das bring ich jetzt nimmer her, aber g'scheit hab'n Sie's denen gegeben!“.

Die Kunst der klaren Ansage ist Renate Schmidt heute noch immer zu eigen. In ihrem „Ruhestand“ ist sie noch viel unterwegs und nimmt auch am lokalen Geschehen teil. Jüngst hat sie sich „im Hintergrund“ für eine grünere Gestaltung des allzu kahl geratenen Bielingplatzes eingesetzt.
Eine klare Meinung hat sie auch zur den vielen gepflasterten und baumlosen Plätzen in der Innenstadt: „Es wäre schön, wenn es mehr Sitzplätze unter Bäumen gäbe“. Man solle auch an die Bedürfnisse der älteren Menschen denken, die gerade, wenn es heiß ist, in der Stadt mehr Schattenplätze bräuchten. „Wo sich Menschen bewegen, gehören Bäume dazu; Plätze ganz ohne Bäume und Sitzgelegenheiten sind in meinen Augen vertaner Raum!“.
Die rein ästhetischen Kriterien der Platzgestaltung der vergangenen Jahrzehnte seien in ihren Augen überholt.

Ohne Bäume in der Stadt geht dem Menschen nach Renate Schmidt einiges verloren. Zum Beispiel die Freude an Kastanien, die sie liebt und deren Früchte sie in ihrer Kindheit mit Begeisterung gesammelt hat, um dann daraus mit Streichhölzern gemeinsam mit ihrer Großmutter allerlei Tiergestalten zu basteln.
Mittlerweile ist sie selbst Großmutter und jüngst auch Urgroßmutter geworden. Drei Kinder, sieben Enkel und ein Urenkel zählen zu ihrer großen Familie.
Genügend Zeit für Bastelstunden mit ihren Enkeln hat Renate Schmidt vermutlich noch nicht.

Interview: Mathias Schmidt und Lorenz Grund
Fotos: Giulia Iannicelli/privat

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