„Bäume gehören zu meiner Familie“
Der Platnersberg mit seiner großzügigen Parkanlage und dem mehr als 500 Jahre alten
Bärenbrunnen gehört zum Stadtteil Erlenstegen. Das erste Gebäude, das dort im 16. Jahrhundert errichtet wurde war ein „schön burgerlich Lusthaus“ und gehörte Georg Thumer. Im Jahr 1836 erwarb Georg Zacharia Platner das Anwesen und ließ dort eine Villa im Renaissance-Stil bauen, die dann im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Heute steht dort ein städtisches Altersheim. Neben dem Gebäude fällt dem Besucher der Parkanlage sofort eine stattliche Anzahl sehr alter Eichen auf.
Eine dieser alten Eichen zählt zu den Lieblingsbäumen von Karl Peßler, die Bäreneiche. Sie ist mindestens 350 Jahre alt und gehört zu den sechs Eichen, die vom Bärenbrunnen aus gesehen in einer Reihe nach Nordosten ausgerichtet stehen. Alle sechs Bäume stehen als Naturdenkmäler unter besonderem Schutz. Die Bäreneiche ist der Baum mit dem größten Umfang und befindet sich nahe am Brunnen. Der untere Teil des Stammes ist völlig ausgehöhlt und bekam in den 1950iger Jahren zur Stabilisierung eine „Plombe“ eingesetzt.
Ein weiterer Lieblingsbaum ist die Kasberger Linde, ebenfalls ein sehr alter Baum, der Dank „chirurgischer Eingriffe“ noch heute zu bestaunen ist. Diese Linde soll im Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648) schon so groß gewesen sein, dass sich ein Reiter hinter ihr verstecken konnte. Es sind eigentlich Lindenfragmente, die heute noch zu sehen sind. Der Baum ist völlig ausgefault und steht nur noch dank eingebauter Teleskopstützen.
Dass Karl Peßler diese beiden Bäume zu seinen Lieblingen zählt, hat natürlich etwas mit seinem
Beruf zu tun. Karl Peßler ist der Gruppenleiter der Baumpflege und Baumkontrolle beim
Servicebetrieb Öffentlicher Raum (SÖR). Auch ist er seit Jahren Mitglied im Arbeitskreis
Stadtbäume bei der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz (GALK e.V.).
Aufgewachsen ist der 56 jährige Nürnberger am Nordostbahnhof, Nähe Platnersberg. Nach dem Abitur absolvierte er eine Lehre als Landschaftsgärtner und legte anschließend in Veitshöchheim die Meisterprüfung ab.Danach stieg er in den Baumpflegebetrieb seines Onkels ein, der ebenfalls Karl Peßler hieß. Seit 1995 steht Peßler im Dienst der Stadt Nürnberg, damals trug dieser Bereich noch die Bezeichnung Gartenbauamt.
Die Begeisterung für Bäume hat ihn schon früh gepackt. Infiziert wurde er von zwei Männern. Zum einen von seinem Onkel Karl, der hatte den Baumpflegebetrieb von seinem Schwiegervater, Michael Maurer, übernommen. Der zweite Mann ist Michael Maurer der für Peßler auch ein Onkel war. Michael Maurer, eine Leitfigur in der sich entwickelnden Baumpflege in Deutschland, war als junger Gärtner in die USA gegangen. Dort kam er mit der Baumchirurgie in Berührung. Zurück in Deutschland begann er in Nürnberg mit der Behandlung des ersten kranken Baumes. Nach
dem Zweiten Weltkrieg gründete er die Firma „Maurers Baumpflege“, die sich zu einem der bedeutendsten Fachbetriebe in Deutschland entwickelte. Und diesen Fachbetrieb übernahm dann sein Schwiegersohn Karl. Der war eine allseits geachtete
Autorität in der Baumpflege. Er war maßgeblich an der Entstehung eines Regelwerks für „Baumpflege und Baumsanierung“ beteiligt und Mitautor zweier Fachbücher. Der Onkel ist in Fachkreisen auch heute noch gut bekannt.
Neulich wurde Karl Peßler auf einer Fachtagung von einem älteren Professor angesprochen: „Karl Peßler, den Namen kenne ich doch. Ich habe mal einen Karl Peßler gekannt!“ Die Antwort: „Ja, das war mein Onkel.“ führte zu der Bemerkung: „Der Name ist wohl Programm!“
„Ich wollte schon immer mit Bäumen arbeiten, ich hatte nie ein anderes Berufsziel,“ erinnert sich Karl Peßler. „Schon als Sechsjähriger hielt ich mich ständig im Betrieb meines Onkels auf und habe damals viel über das Lebewesen Baum und über die Natur gelernt.“ So wuchs bereits bei dem Schüler Karl stetig das Wissen über und die Liebe zu den Bäumen. Und miterlebt hat er dort auch, wie sich im Laufe der Jahre die Anschauung über Baumpflege und Baumchirurgie veränderte. Karl durfte nicht nur im Betrieb dabei sein, nein, er durfte den Onkel auch zu seinen Kunden begleiten. Auf diesem Weg lernte Karl im Laufe der Jahre viel über den Umgang mit Bäumen.
Selbst gepflanzt oder pflanzen lassen hat Peßler schon so viele Bäume, dass er keine Zahl nennen kann. Aber an den allerersten kann er sich natürlich genau erinnern. „Da war ich ungefähr sieben oder acht Jahre alt, als mich mein Vater aufforderte, eine aufgelesene Eichel in einen Topf einzupflanzen. Ich habe dann fleissig gegossen und das Bäumchen ist gewachsen und gewachsen. Dann habe ich zum ersten Mal Monitoring betrieben, die kleine Eiche regelmäßig vermessen und drei Jahre lang alles notiert.“ Irgendwann war das Bäumchen dann für die Fensterbank zu groß geworden und wurde in den Kleingarten seines Großvaters gepflanzt. „Aber
es blieb mein Baum, meine Eiche und um die habe ich mich auch weiterhin gekümmert.“
Peßler schmunzelt: „Als Bub habe ich mir die Bäume nicht nur angeschaut, ich bin natürlich auch gerne auf ihnen herumgeklettert. Wenn wir an den Wochenenden meine Tante auf ihrem Bauernhof besuchten, war kein Nuss- oder Obstbaum vor mir sicher.“ Und sehr zum Leidwesen seines Onkels war auch am Platnersberg eine sanierte Bäreneiche mit den Gewindestäben nicht vor ihm sicher. Die Stäbe konnten wie eine Leiter benutzt werden. „Und bei diesen Ausflügen habe ich Lausbub auch immer wieder den Überlauf des Bärenbrunnens verstopft. Das gab natürlich Ärger.“
Die Faszination Baum ist bei Karl Peßler immer noch vorhanden. „Bäume gehören zu meiner Familie, sie sind für mich wie Brüder und Schwestern. Bäume müssen gepflegt und erhalten werden - nicht alleine zum Nutzen der Menschen. Ohne Bäume würde ein wichtiges Glied im Kreislauf der Natur fehlen“, ist er sich sicher. „Einer Stadt ohne Bäume würden auch die vielen Tiere fehlen, denen die Bäume Nahrung und ein gutes Quartier bieten.“
Zur Pflege von Bäumen gehört allerdings auch, dass von Zeit zu Zeit Rückschnitte erforderlich sind. Oder Bäume müssen aus einem Bestand entfernt werden, damit der Rest sich besser entwickeln kann. Auch aus Gründen der Verkehrssicherheit kann es manchmal erforderlich sein, dass ein Baum gefällt werden muss, wenn die Pflegemaßnahmen nicht mehr greifen. „Da gibt es immer wieder Proteste der Nürnberger,“ sagt Peßler. „Aber ich habe noch keinen Baum fällen lassen, wo ich nicht hinter dieser Maßnahme stand. Ich gebe nicht gerne jemanden verloren.“
Gewinnen will er aus der Bevölkerung noch mehr BürgerInnen für eine Betreuung von
Baumscheiben. Viele Baumscheiben werden inzwischen von Paten bepflanzt, aber noch viele weitere Straßenbäume müssten durch pflegende Hände unterstützt werden. Und zusätzliche Gießpaten könnten in zukünftigen heißen Sommern viele Bäume retten. Das Interesse an der Natur und die Wertschätzung dafür können gar nicht früh genug geweckt werden. Kinder sind da leicht zu begeistern und manchmal bleiben Begeisterung und Einsatzfreude auch bei den Erwachsenen erhalten.
„Wir brauchen die grünen Oasen. Wenn ich im Pegnitztal Ost unterwegs bin, fühle ich mich wie in einer anderen Welt. Dort kann ich mich wunderbar erholen, auch wenn ich weiß, dass dies nur ein schmaler grüner Streifen inmitten der Stadt ist.“
Natürlich hätte auch Karl Peßler gerne mehr Bäume in Nürnberg. Aber er gibt zu bedenken, dass Bäume Platz, Licht und Wasser brauchen. Das heißt für Nürnberg, dass wir bereit sein müssen, für die Pflege des vorhandenen Baumbestandes und Neupflanzungen mehr Geld zu investieren. Der Baumfachmann sieht Nürnberg auf einem guten Weg; bei Neuplanungen sei der Ansatz für Grünflächen deutlich gestiegen. „Die Richtung stimmt, die Ampel steht auf Grün!“
Interview: Margit Grüll
Fotos: André Winkel