Let it swing – in der Musik und im Garten
Wir treffen Hildegard Pohl in ihrem Haus in Kleinreuth hinter der Veste. Der Garten vor dem Haus ist durch eine Mauer von der Straße abgetrennt. In einer Mauernische blüht ein üppiger Rosenstock, die Mauer wird von viel Grün überragt.
Im Garten überrascht die Vielfalt an Blumen, Pflanzen und Bäumen. Man erkennt sofort, dass hier mit Lust und Fantasie gewerkelt und experimentiert wird.
Hildegard Pohl ist studierte Konzertpianistin, aber ihr Herz gehört dem „Swing“. Seit vielen Jahren hat sie sich u.a. mit ihren leidenschaftlichen Improvisationen zwischen Klassik und Jazz einen Namen gemacht.
In Stuttgart aufgewachsen, kam sie in dem großen Garten ihrer Eltern sehr früh in Berührung mit der Natur; Sie und ihre Geschwister hatten eigene kleine Beete, die sie nach Lust und Laune bewirtschaften konnten. Hier ist wohl ihre Faszination für alles was wächst und gedeiht sowie ihre Entdeckerfreude entstanden. Schon immer hat Hilde Pohl liebend gerne Kastanien gesammelt.
In ihrem Garten zieht sie heute neugierig einige kleine Walnussbäumchen auf. Am Beginn des noch jungen Stammes sieht man noch die Walnussschale kleben, aus welcher der Baum gesprießt ist. Neues ausprobieren, mutig und kreativ sein – das möchte Hilde Pohl, beim Gärtnern wie auch in allen anderen Lebensbereichen.
Trotz oder gerade auch wegen ihrer Leidenschaft für die Natur ist Hildegard Pohl überzeugter Stadtmensch. Flora und Fauna, die vielen Pflanzen und Tiere in der Stadt faszinieren sie, z.B. im Marienbergpark oder im Pegnitztal. Diese fast romantische Sicht auf das Leben in der Stadt verstellt aber nicht ihren Blick auf die „Problemzonen“. Sie wünscht sich mehr Alleen für Nürnberg. Grüne Straßenzüge in Berlin und Paris nennt sie als angemessene Vorbilder. Auch viele weitere Orte in der Stadt, nicht zuletzt der Hauptmarkt, könnten mehr Grün und Bäume vertragen. Sie zeigt auf ein Fleckchen gegenüber Ihres Hauses: eine Straßenecke vor einer Bäckerei, die lieblich mit Straßenbäumen und Sitzbänken gestaltet sein könnte. In der Realität herrscht nur graue Asphalt-Tristesse.
Neben städtischer Natur liebt Hildegard Pohl das Meer. Die favorisierte Urlaubsdestination heißt folgerichtig Südfrankreich und das erklärt wohl auch, warum ihre Lieblingsbäume Palmen sind (wohl wissend, dass Palmen eigentlich gar keine Bäume sind), von denen die Musikerin drei Exemplare auf ihrer Terrasse stehen hat und unter deren Blättern sie in flauschigen Sommernächten so gerne die Gedanken schweifen lässt.
Hildegard Pohl hat ihre Begeisterung für die Musik, für die Natur und ihre daraus erwachsende Lebensfreude für uns aufgeschrieben. Kreativ, begeisterungsfähig, lebendig – wie sie eben ist: eine Frau mit „Swing“.
Lesen Sie selbst ihr „Wildes Blätter-Rauschen“:
"Ganz oben im Kirschbaum zu sitzen, sich raus zu beugen um die rotesten Kirschen zu erreichen, meterhoch über dem Rasen, und die Kerne einfach senkrecht runter zu spucken. Durch Blätter zu waten, goldgelbe Haufen mit den Schuhen vor sich aufzutürmen und unter den aufgewühlten Blättern die Kastanien zu entdecken. Aufgesprungene mit glänzend-braunem Inhalt, oder auf die grüngelben Stachelhaufen zu hüpfen, sie mit den Absätzen aufzubrechen und sich über die rauskullernden Kastanien unbändig zu freuen-vielleicht haben diese Erlebnisse in meinen Kindertagen meine Liebe zu Bäumen und Natur geweckt. Im Garten meiner Eltern durfte ich anpflanzen was ich wollte und staunen über das Ergebnis.
Ich experimentiere und probiere einfach zu gerne aus – in der Musik, am Klavier und im „normalen“ Leben: So hasse ich Kochbücher - auch in der Küche wird experimentiert. Im Garten ebenso: Nüsse und Kastanien in die Erde stecken und warten bis sie keimen- Palmen aus dem Supermarkt nach Hause schleppen, umtopfen- schauen was passiert (und irgendwas passiert ja immer laut John Cage). Ich bin sooo neugierig auf das was passieren wird - und probiere zu gerne Neues aus. Musikalisch kreuze ich Klassik mit Jazz - oder Jazz mit Klassik und lass' mich oft selbst überraschen wohin die Reise der Musik geht. Klassische Wurzeln als Konzertpianistin entwickeln sich so zum improvisierten, jazzigen Noten-Blätter-Rauschen.
Wenn die kleine Walnuss sich zu einem Baumstamm emporschwingt, die Kastanienkugel zu einem schlanken Bäumchen nach oben schießt und meine Palmen sich prächtig entfalten - da swingt auch die Natur und mein ästhetischer Zufriedenheitspegel steigt.
Vielleicht... nein, es macht mich glücklich: Im Baum zu sitzen und Jazz zu hören, mit Bach oder mit Beethoven oder mit... auf alle Fälle mit meiner Musik: Improvisiere dein Leben - Let it....swing! Be wild!!"
Interview: Mathias Schmidt und Lorenz Grund
Fotos: Giulia Iannicelli
Wildes Blätter-Rauschen: Hildegard Pohl