„Wir haben hier in Nürnberg Wurzeln geschlagen“
Gülseren Suzan-Menzel lebt seit 40 Jahren in der Metropolregion und freut sich über die Pflanzung einer Türkischen Eiche in der Südstadt
Seit dem 8. März 2019, dem Internationalen Frauentag, hat auch Gülseren Suzan-Menzel (67) einen Lieblingsbaum in Nürnberg – eine Türkische Eiche (Quercus Cerris). Gepflanzt wurde der Baum am Schuckertplatz, gestiftet vom Deutsch-Türkischen Frauenclub Nordbayern. Die feierliche Zeremonie fand in Anwesenheit von Frauendelegationen aus Antalya und Nablus, beides Partnerstädte von Nürnberg, statt. Die Stadt Nürnberg, vertreten durch Bürgermeister Christian Vogel, hat die Baumpflanzung ermöglicht.
Den Deutsch-Türkischen Frauenclub hat Frau Suzan-Menzel 1991 mitbegründet und war bis vor kurzem dessen Vorsitzende. Jetzt ist sie dessen Ehrenvorsitzende. Der Name des Vereins ist Programm: Es geht um die Verbesserung der Beziehungen zwischen Deutschen und Türken und den Beitrag, den Frauen hierzu leisten können. Und es geht um die gesellschaftliche Anerkennung und die Rechte der Frauen. Zahllose Veranstaltungen und Projekte zu diesen Themen hat der Verein in den letzten, fast drei Jahrzehnten durchgeführt. Dieses Engagement zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben von Suzan, wie sie von ihren Freunden genannt wird. Und für dieses Engagement hat ihr der Nürnberger Stadtrat 2015 auch die goldene Bürgermedaille der Stadt Nürnberg verliehen. Seit 1987 ist Gülseren Suzan-Menzel deutsche Staatsbürgerin.
Geboren und aufgewachsen ist Frau Suzan-Menzel in Diyarbakir in Ostanatolien. Diyarbakir, heute eine Millionenstadt, war schon damals keine besonders grüne Stadt, aber es gab in der Nachbarschaft genügend Bäume, die Suzan und ihre Freund/e/innen
wegen ihrer süßen Früchte magisch angezogen haben, z.B. Maulbeerbäume. Das Problem: Wenn man nicht aufpasst, hinterlassen diese Früchte stark färbende rot-blaue Flecken auf den Kleidern. Diese Erfahrung hat auch Suzan gemacht und das hat ihr eine heftige „Watsch'n“ eingebracht – eine bleibende Erinnerung.
Nach der Grundschule ist Frau Suzan-Menzel zu ihrer Mutter nach Istanbul gezogen und hat dort ihr Abitur gemacht. Das war die Zeit, in der es viele Menschen in der Türkei als „Gastarbeiter“ nach Deutschland gezogen hat, auch ihre Mutter, die in München eine Anstellung als Krankenschwester gefunden hatte. Suzan ist ihr wiederum gefolgt. Welch eine Herausforderung für eine junge Frau mit 19 Jahren, deren Deutschkenntnisse sich auf die zwei Worte „ja“ und „nein“ beschränkten. Sie hat sie gemeistert, ihr Sprachdiplom beim Goethe-Institut erworben, eine Dolmetscherausbildung abgeschlossen, nebenbei beim Studentendienst gejobbt und ab 1978 eine Ausbildung zur Sozialberaterin und Mediatorin bei der Arbeiterwohlfahrt in Nürnberg absolviert.
Die Arbeit bei der Beratung vor allem türkischer Gastarbeiter und ihrer Familienangehörigen bei der AWO hat ihr tiefe Einblicke in das Leben der „Türken“ in Deutschland vermittelt. Das war der Ansporn für viele ehrenamtliche Aktivitäten und Projekte – immer mit dem Ziel, die Kommunikation zwischen Deutschen und Türken, insbesondere zwischen den Frauen, zu verbessern und zur Integration beizutragen.
1991 hat sie Ihren Ehemann Jochen Menzel bei einer Kulturveranstaltung in Fürth kennen gelernt. Mit ihm, Politikwissenschaftler und Türkeispezialist mit Studium in Frankfurt, Berlin, Bamberg und Ankara, hat sie 1993 die Filmproduktionsfirma transfers-film gegründet. Seitdem haben die beiden mehr als 40 Dokumentarfilme und TV-Features produziert. Die Themen, wie sollte es anders sein, vor allem Migration und Interkultur–Türkei-Deutschland. Das hat den beiden, auch international, viel Beachtung und auch anerkannte Preise eingebracht. Nicht zuletzt beim mittlerweile international renommierten Deutsch-Türkischen Filmfestival in Nürnberg. Studienreisen in die Türkei stehen immer noch jedes Jahr auf dem Programm und jedes Mal bringen sie filmische Eindrücke mit nach Hause.
Das Ehepaar Suzan-Menzel hatte viele Jahre ein Haus in Thuisbrunn in der Fränkischen. Dazu gehörte ein Garten mit einem großen alten Birnenbaum. Das war der Ort, unter dem getafelt wurde, Freunde und die Familie bewirtet wurden, ein Ort an dem Gemeinschaft gelebt wurde. Mit Tuisbrunn verbinden Frau Suzan-Menzel auch nachhaltige Naturerlebnisse: „Man konnte die Jahreszeiten erleben, die Zwetschgenzeit, die Kirschenzeit, die Apfel-Birnenzeit. Wo kann man das heute noch in der Stadt erleben?“
Was wünscht sich Frau Suzan-Menzel für Nürnberg? Alleen, mit einem beidseitigen Bestand an Bäumen, unter denen die Menschen flanieren und sich treffen können. Straßen, in denen Nachbarschaft entstehen kann, in denen sich Menschen begegnen können. Die Autos sollten möglichst ausgesperrt werden. Parkplätze in großen Parkhäusern am Rande der Wohnquartiere. Ein Traum – vielleicht in einigen Jahrzehnten Wirklichkeit.
Und ihre Mission, die deutsch- türkischen Beziehungen zu verbessern, verliert sie dabei auch nicht aus den Augen. Bei ihrer Ansprache bei der Baumpflanzung der Türkischen Eiche am Schuckertplatz zitiert sie ein altes türkisches Sprichwort: „Eine Familie ist wie ein Baum, mal verliert er seine Blätter, dann blüht er wieder!“ Genau so sieht sie auch die deutsch-türkischen Beziehungen.
Interview: Mathias Schmidt
Fotos: Jochen Menzel & Mathias Schmidt