Erstmals Standards für kommunale Antidiskriminierungsstellen formuliert
Kommunen spielen für die Durchsetzung des Rechts auf Gleichbehandlung und die Bekämpfung von Diskriminierung eine zentrale Rolle. Immer mehr Städte in Deutschland richten hierfür spezifische Antidiskriminierungsstellen ein und bekennen sich damit zu einem aktiven Einsatz für Chancengleichheit und gleichberechtigte Teilhabe auf kommunaler Ebene. In Zusammenarbeit mit dem Netzwerk von mittlerweile 36 kommunalen Antidiskriminierungsstellen entwickelte die Europäische Städtekoalition gegen Rassismus (ECCAR), gefördert durch respekt.land, erstmals Standards für kommunale Antidiskriminierungsarbeit.
Mehr Informationen zur Studie zu kommunaler Antidiskriminierungsarbeit
Es braucht kommunale Strukturen, um Diskriminierung aktiv und nachhaltig zu bekämpfen. Diskriminierung ist ein multidimensionales Phänomen auf individueller, institutioneller und struktureller Ebene, das psychosoziale, gesellschaftliche und historische Komponenten hat und dem allein durch die gesetzliche Zusicherung gleicher Rechte nicht beigekommen werden kann (ADS, 2017; Bambal et al., 2015). Neben einer gesetzlichen Grundlage braucht es daher insbesondere Strukturen und Institutionen, die die Umsetzung dieser Gesetze gewährleisten (ADS, 2022). Da Diskriminierung häufig im direkten Lebensumfeld der Menschen stattfindet (zum Beispiel bei der Wohnungssuche, bei Veranstaltungen oder in Kontakt mit der Verwaltung), kommt der kommunalen Ebene eine besondere Bedeutung zu.
Bundesweit haben bis zum Ende des Jahres 2023 35 Städte jeweils eine dezidierte kommunale Antidiskriminierungsstelle eingerichtet – und diese Zahl wächst kontinuierlich an. Die Ausgestaltung der kommunalen Stellen ist in Bezug auf ihr Mandat, Zeitumfang, Ansiedlung innerhalb der Verwaltung und Ausrichtung sehr heterogen. Denn trotz des grundrechtlich verbrieften Diskriminierungsverbots zählt die Einrichtung kommunaler Antidiskriminierungsstellen bislang zu den freiwilligen Leistungen einer Kommune. Hier gab es bislang keinen Orientierungsrahmen zur Ausgestaltung, wie dies beispielsweise bei kommunalen Gleichstellungs- oder Inklusionsbeauftragten durch entsprechende Landesgesetzgebungen der Fall ist. Die Studie und die Handlungsempfehlungen geben nun erstmals Orientierung wie kommunale Antidiskriminierungsarbeit ausbuchstabiert werden kann. Zielsetzung ist, sowohl für Bürger*innen bundesweit transparente Anlauf- und Beratungsangebote vorzuhalten, Formen von Diskriminierung vor Ort zu erkennen und zu bearbeiten, über eine einheitliche Dokumentation das Dunkelfeld Diskriminierung zu erhellen und schlussendlich einen Beitrag zu mehr Teilhabegerechtigkeit zu leisten.
Ansprechpartner*innen für die Studie sind die Projektleitungen Christine Burmann für die Stadt Nürnberg und Danijel Cubelic für die Stadt Heidelberg
Diskriminierung hat viele Gesichter und geschieht häufig in Alltagssituationen. Dabei sind alle Menschen in Deutschland seit 2006 auf Grundlage des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vor Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft, Religion oder Weltanschauung, der sexuellen Identität, des Geschlechts, des Alters oder einer Behinderung geschützt. Über Rechte aufzuklären, zu beraten und Strukturen zu ändern ist Auftrag der Antidiskriminierungsstelle, denn Benachteiligungserfahrungen erschüttern nicht nur das Vertrauen in Rechtsstaatlichkeit und politische Institutionen, sondern beeinträchtigen auch das Zugehörigkeits- und Sicherheitsgefühl der Betroffenen und schaden so dem gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Unser Angebot
Beratung und Unterstützung von Menschen, die Diskriminierung erfahren oder beobachtet haben
Dokumentation und Evaluation der Diskriminierungsfälle
Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung zum Diskriminierungserleben in Nürnberg
Präventionsarbeit mittels Workshops und Vorträgen rund um die Themen Diskriminierung und Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
Beratungsarbeit von Dritten zur Umsetzung von Diversitäts- und Antidiskriminierungsstrategie
Sie haben Diskriminierung erlebt oder beobachtet und wollen sich beraten lassen?
Nutzen Sie unseren Online-Dienst, um den Vorfall schnell und einfach online zu melden.
Eine Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist eine Benachteiligung aufgrund eines rechtlich geschützten Diskriminierungsmerkmals ohne eine sachliche Rechtfertigung.
Der Diskriminierungsschutz ist jedoch in weiteren Gesetzen verankert, die ein rechtliches Vorgehen ermöglichen. Nähere Einzelheiten können wir Ihnen im Beratungsgespräch erläutern.
Welche Merkmale sind nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützt?
Das AGG schütz vor einer Diskriminierung aus nachfolgenden Gründen:
• Ethnische Herkunft oder rassistische Zuschreibungen • Geschlecht • Religion oder Weltanschauung • Behinderung • Alter • Sexuelle Identität
In welchen Lebensbereichen gilt das AGG?
Das AGG schützt vor Benachteiligungen im Arbeitsleben und bei Geschäften des täglichen Lebens sog. Alltagsgeschäfte, wie z.B. auf dem Wohnungsmarkt, beim Einkaufen, Bankkontoeröffnungen, Taxifahrten, Bus- und Bahnfahrten, Restaurantbesuche, Diskothekenbesuche.
Im Arbeitsleben gilt das Diskriminierungsverbot in allen Phasen des Arbeitslebens. D.h. von der Bewerbung, Beförderung bis zur Kündigung. Auch unter Kolleginnen und Kollegen gilt das Diskriminierungsverbot. Der Arbeitgeber hat eine Fürsorgepflicht, so dass er gegen die Diskriminierung vorgehen muss, wenn er davon erfährt.
Was bedeutet sachliche Rechtfertigung?
Ungleichbehandlungen können unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt sein. Sachliche Rechtfertigungsgründe sind in §§ 5, 8 – 10 und § 20 AGG geregelt.
Positive Maßnahmen (§ 5 AGG) sind beispielsweise gezielte Fördermaßnahmen für bestimmte Personengruppen, um Benachteiligungen abzubauen oder unterrepräsentierte Personengruppen zu fördern. Das Ziel ist, bestehende Nachteile auszugleichen oder zu verhindern und gezielt Vielfalt zu fördern. Die Förderung von Frauen im Stellenbesetzungsverfahren ist zulässig.
Die unterschiedliche Behandlung ist auch dann zulässig, wenn ein gefordertes Kriterium für eine Tätigkeit eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung (§ 8 AGG) darstellt.
Vergünstigungen für Schüler-/ Studenten- / Seniorentickets im öffentlichen Nahverkehr, Preisrabatte für Schüler / Studenten oder gesonderte Öffnungszeiten für Frauen in Schwimmbädern bzw. Saunen sind zulässig (§ 20 AGG).
Was sollte ich beachten, wenn ich mich rechtlich gegen Diskriminierung wehren möchte?
Sie sollten die Frist von 2 Monaten beachten. Innerhalb dieser Frist müssen Sie die Ansprüche schriftlich geltend machen.
Erstellen Sie ein Gedächtnisprotokoll und dokumentieren darin die wichtigsten Informationen zum Vorfall.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat eine Vorlage für ein Gedächtnisprotokoll mit den wesentlichen Inhalten zur Verfügung gestellt.
Wer kann sich an die Beauftragte für Diskriminierungsfragen der Stadt Nürnberg wenden?
Alle, die sich diskriminiert fühlen oder Diskriminierungen beobachtet haben.
Beispiele: • Betroffene Bürgerinnen und Bürger der Stadt Nürnberg • Für Diskriminierungsereignisse, die in Nürnberg stattgefunden haben - unabhängig vom Wohnsitz der Betroffenen • Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung
Workshops, Vorträge und Prävention: Auch bei Fragen zum AGG, zum Thema Diskriminierung im Allgemeinen oder bei Fragen zur Prävention können Sie sich gerne melden.
Ist die Beratung kostenlos? Die Beratung erfolgt kostenfrei und vertraulich, wir unterliegen der gesetzlichen Schweigepflicht. Wir handeln nur, wenn Sie uns den Auftrag dazu erteilen.
Was kann die Beratungsstelle tun? • Wir nehmen eine Einschätzung Ihres Falles vor, • bieten Informationen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), • prüfen Lösungsmöglichkeiten, • vermitteln gegebenenfalls an spezialisierte Stellen, • oder holen Stellungnahmen ein. • Wir bieten zusätzlich die Möglichkeit einer Mediation.
Kann ich auch anonym bleiben? Das Beratungsgespräch kann auf Wunsch anonym erfolgen.
Können Sie mich vor einem Gericht vertreten? Eine gerichtliche Vertretung dürfen wir nicht leisten.
Städte und Gemeinden haben eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung und Verhinderung von Diskriminierung. Das Netzwerk kommunaler Antidiskriminierungsstellen ist ein Zusammenschluss von in kommunalen Verwaltungen angesiedelten Fach- und Beratungsstellen zu Diskriminierungsfragen. Das Netzwerk verfolgt das Ziel, Kommunalverwaltungen im Aufbau und der strukturellen Weiterentwicklung von Antidiskriminierungsberatungsstellen wie auch der Erarbeitung präventiver Handlungskonzepte zu unterstützen. Es dient dem kollegialen Erfahrungsaustausch und der Weiterqualifikation aller Mitglieder sowie der gemeinsamen Entwicklung von Strategien und Handlungsempfehlungen. Das Netzwerk kommunaler Antidiskriminierungsstellen trifft sich mindestens einmal im Jahr und arbeitet nach Bedarf mit Expert*innen und selbst organisiert in Unterarbeitsgruppen. Koordiniert wird die Arbeit des Netzwerks durch die Städte Heidelberg und Nürnberg.
In Nürnberg darf niemandem wegen seiner ethnischen Herkunft oder anderen diskriminierenden Gründen der Besuch einer Gaststätte, einer Diskothek oder eines Fitnessstudios verweigert werden.
Hinweis in der Gaststättenerlaubnis
Jede Gaststättenerlaubnis enthält seit 2010 diesen Hinweis: „Diskriminierung und Rassismus sind mit einem ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb nicht zu vereinbaren. Wer Kunden, Geschäftspartner oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Beispiel aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft ungerechtfertigt benachteiligt, verletzt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. So darf der Besuch und die Bedienung in einer Gaststätte oder Diskothek nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz grundsätzlich nicht wegen der ethnischen Herkunft des Gastes oder aus sonstigen diskriminierenden Gründen verweigert oder eingeschränkt werden. Derartige Verstöße können zu Schadensersatzansprüchen führen und auch die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit des Betreibers in Frage stellen.“
Betreiberinnen und Betreiber von lediglich anzeigepflichtigen Gewerben erhalten vom Ordnungsamt der Stadt eine Informationsschrift, die an einen diskriminierungsfreien Gewerbebetrieb appelliert und auf die möglichen Konsequenzen von Diskriminierung hinweist. Die Industrie- und Handelskammer Nürnberg für Mittelfranken und die Handwerkskammer für Mittelfranken unterstützen den Appell ebenfalls durch Information und Aufklärung.
Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt - Leitlinien der Wohnungswirtschaft
Das in allen empirischen Befunden am zweithäufigsten aufgeführte Diskriminierungsfeld ist der Wohnungsmarkt. Das betrifft die Wohnungssuche an sich, aber auch die Haus- beziehungsweise Wohngemeinschaft als Lebenswelt. Am 8. Juli 2010 haben deshalb 22 Vorstände und Geschäftsführer der größten Immobilienfirmen im Nürnberger Raum die von Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly vorgelegten „Leitlinien und Verhaltenskodices der Stadt Nürnberg und der Nürnberger Wohnungs- und Immobilienwirtschaft zur Vermietung und zum Verkauf von Wohnraum“ feierlich unterzeichnet.
Selbstverpflichtung der Wohnungswirtschaft
Darin verpflichten sich die Unterzeichner, bei Vermittlung, Vermietung oder Verkauf von Wohnungen, Menschen ohne Vorurteile bei der Auswahl zu berücksichtigen. Menschen mit unterschiedlichen Wohn- und Lebensweisen sollen unterstützt werden, damit sie Formen des Zusammenlebens finden, bei denen sie auf Mentalität, Kultur und Sprache wechselseitig Rücksicht nehmen. Auf die Lebensgewohnheiten der bereits ansässigen Bewohner soll eingegangen werden. Die städtischen Dienststellen unterstützen die Leitlinien beispielsweise durch Schaffung von Anlaufstellen für Ratsuchende bis hin zum Angebot interkultureller Mediation bei Konflikten.
Leitlinien und Verhaltenkodices</imperia/md/menschenrechte/dokumente/antidiskriminierung/leitlinien_verhaltenskodices_wohnen.pdf> (PDF, 32 KB)
Beauftragte für Diskriminierungsfragen, Stadt Nürnberg