Nürnberg als offizieller Partner des vom deutschen P.E.N.-Zentrum verantworteten Programms "writers in exile", ermöglicht seit vielen Jahren Autorinnen und Autoren Zuflucht auf Zeit.
Sabal Phuy Nu
Sabal Phyu Nu ist eine 1980 in Bhamo/Myanmar geborene Erzählerin.
2013 wurde sie für ihren Debütroman, der vor dem Hintergrund des Bürgerkriegs in der Region Kachin-Staat spielt, mit dem Nationalen Literaturpreis des Landes ausgezeichnet; seitdem hat sie sechs weitere Romane veröffentlicht, darunter „Hlatt Ywae Lwint Thaw Kabar“, der 2019 verfilmt wurde. Sie setzte sich für Binnenflüchtlinge im Land ein und sah sich in der Folge einem Angriff von Sicherheitskräften ausgesetzt. 2022 verließ sie Myanmar und lebte mit ihrer Tochter für zwei Jahre in Thailand. Seit Mai 2024 ist sie als PEN-Stipendiatin im Writers in Exile-Programm.
Nazli Karabiyikoglu

Die türkische Autorin und Aktivistin Nazli Karabiyikoglu wurde 1986 in Ankara geboren. An der durch den Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan aktuell unter Druck stehenden Eliteuniversität Bogaziçi studierte Karabiyikoglu Türkische Sprache und Literatur und veröffentlichte inzwischen fünf Bücher, vier Erzählbände und einen Roman, für die sie in der Türkei mit sechs Preisen ausgezeichnet wurde.
Aufgrund der politischen und geschlechterspezifischen Unterdrückung in der Türkei entschied sie sich, die türkische #Metoo-Bewegung voranzutreiben und sich innerhalb der türkischen Verlagsindustrie für politische Minderheiten einzusetzen. In ihrem Heimatland deckte sie sexuelle Belästigung, Vergewaltigungskultur und Mobbing innerhalb der türkischen Literaturszene auf. Aufgrund dieser Recherchen und Artikel über die fortdauernden sexuellen Übergriffe, der sie und ihre Kolleginnen ausgesetzt waren, und der Texte, die sie über dieses Thema veröffentlichte, wurde sie von der Verlagsgemeinschaft ausgeschlossen. Als queere Frau lebte die Schriftstellerin unter der ständigen Angst, verhaftet oder getötet zu werden. Als der Druck aufgrund der anhaltenden Repressionen und der eingeschränkten Meinungsfreiheit zu groß wurde, floh sie im Jahr 2017 in das christlich orthodox geprägte Georgien, wo sie ebenfalls Anfeindungen und Unterdrückung ausgesetzt war.
Als feministische Aktivistin kämpft sie für die Rede- und Schaffensfreiheit. Mit ihrer Arbeit macht sie auf die Missstände innerhalb der türkischen Gefängnisse und inländische Konflikte aufmerksam. Sie möchte frei über eines der größten moralischen Tabus ihres Landes schreiben, das zu vielen Morden in der LGTBQ Community führt, der Homosexualität. Nachdem Nazli Karabiyikoglu in ihrem Land wichtige Literaturpreise gewonnen hatte, begann sie 2009 für Zeitschriften zu arbeiten. Für ihre Texte bekam sie unter anderem den Preis der UnCollected Press/Raw Art Review Full Length Book of Short Stories. Von 2021 bis 2023 lebte Nazli Karabiyikoglu als Stipendiatin des Writers in Exile-Programms des deutschen PEN-Zentrums in Deutschland. Daneben absolvierte sie den zweijährigen Masterstudiengang Human Rights an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg.
Für ihren neusten Roman „Elfiye“ wurde sie gemeinsam mit ihrer Übersetzerin Eva Lacour vom Deutschen Übersetzerfonds Neustart Kultur mit einer Vollförderung für die deutsche Übersetzung des Romans ausgezeichnet.
Şehbal Şenyurt Arinli

Die 1962 in Giresun, Türkei geborene Journalistin und Filmemacherin Şehbal Şenyurt Arinli studierte „Journalismus und Kommunikation“ an der Universität Ankara. In der Folge arbeitete sie für große Tageszeitungen wie der Hürriyet und diverse internationale Fernsehsender wie zum Beispiel CNN, BBC, ORF, Reuters und als lokale Berichterstatterin.
Bekanntheit erlangte sie durch ihre Dokumentationen über die Situation der kurdischen Bevölkerung und anderer Minderheiten sowie durch die Aufarbeitung geschichtlicher und gesellschaftlicher Fragen. So wirkte sie auch an dem Dokumentationsfilm Sara mit, der die Tötung des PKK-Mitglieds Sakine Cansiz behandelt. Bei ihren Filmproduktionen erweist sie sich als vielseitig begabte Person, so übernimmt sie nicht nur die Rolle der Produzentin und Regisseurin, sondern auch die der Drehbuchautorin und Kamerafrau. Dies brachte ihr den Titel als „erster weiblicher Kameramann“ ein.
Ihr Engagement beschränkt sich dabei aber nicht nur auf die Herstellung von Dokumentationen. So gründete sie 1996 die „Vereinigung türkischer Dokumentarfilmemacher“, im Jahr 2004 die unabhängige Filmagentur SUFilm. Darüber hinaus engagiert sie sich für Menschenrechte, Frauen und Ökologie. Beispielsweise ist sie Mitglied der ökologischen Kommission des von Kurden getragenen DTK (Kongress für eine demokratische Gesellschaft).
Sie versucht, durch ausführliche Recherchen und Analysen zur kurdischen Freiheitsbewegung einen Beitrag zu einer friedlichen Beilegung des Konflikts zwischen Türken und Kurden beizutragen. Aus diesem Grund begann sie ihr politisches Engagement in den beiden links bzw. sozialdemokratisch ausgerichteten Parteien HDP und BDP, die sich für kurdische Interessen einsetzen. Bei den Parlamentswahlen im Jahr 2015 kandidierte sie für die HDP als Abgeordnete.
Im Juli 2017 wurde sie in der Nähe der türkisch-griechischen Grenze von der türkischen Polizei festgenommen und beschuldigt, Mitglied der PKK zu sein. Als Grund wurde ein Ausschnitt aus einer ihrer Reden genannt. Es ist allerdings zu vermuten, dass ihr öffentlichkeitswirksames Engagement, zum Beispiel als Leiterin von Workshops, Rednerin, Filmemacherin, aber insbesondere auch ihre Tätigkeit als Journalistin für die kurdische Zeitung Özgür Gündem, welche 2016 als angebliches Sprachrohr der PKK verboten wurde, die Ursache für die Verhaftung war. Nach ihrer vorzeitigen Entlassung, floh Şehbal Şenyurt Arinli nach Deutschland.
Liu Dejun

Von November 2013 bis Ende 2016 lebte der chinesische Dissident Liu Dejun als PEN-Stipendiat in Nürnberg. Sein Engagement als Menschenrechtsverteidiger begann in der südchinesischen Provinz Guandong, wo er Wanderarbeiter über ihre Arbeitsschutzrechte aufklärte. Später gründete er dort eine nichtstaatliche Organisation, die Rechtsberatung und Schulungen anbot.
Der Aufruf zu politischen Reformen und sein Einsatz für Menschen, deren Privathäuser für staatliche großprojekte abgerissen wurden, brachten ihm mehrmalige Inhaftierungen ohne Gerichtsverfahren ein. 2010 wurde er von der Polizei entführt, misshandelt und in der Umgebung von Peking an einer Straße ausgesetzt. Ai Weiwei drehte dazu einen Dokumentarfilm. In einer Serie von drei Blogs beschrieb Liu Dejun diese Erfahrungen.
Die „disappearances“, die auch auf der Website von Frontline Defenders veröffentlicht wurden, stehen beispielhaft für das willkürliche Verschwindenlassen von Menschenrechtsaktivistinnen und –aktivisten weltweit. Nachdem immer mehr Menschen aus seinem Umfeld verhaftet worden waren, suchte auch Liu nach Wegen, das Land zu verlassen. Mit Unterstützung von Frontline Defenders konnte er von Juli bis Oktober 2013 einen Englisch-Kurs in Dublin absolvieren und fand eine sichere Bleibe in Nürnberg. Heute lebt Liu Dejun in Erlangen.
Mansoureh Shojaee

Mansoureh Shojaee gehört zu den führenden Aktivistinnen der Frauenbewegung im Iran und arbeitet als Autorin und Übersetzerin. Sie ist Mitbegründerin des Frauenkulturzentrums (Markaze farhangi-ye zanan) und der Frauenbibliothek (Sadiqe Dolatabadi) in Teheran und eine der Initiatorinnen der Kampagne "Eine Million Unterschriften für die Gleichberechtigung" sowie der Webseite Feminist School.
Bis heute hat sie über 200 Artikel verfasst für diverse Zeitschriften, Zeitungen und Frauenmagazine wie Gense Dowwom (Das zweite Geschlecht) und Fasle zanan (Die Jahreszeit der Frauen) und für Feminist School. Auch als Übersetzerin ist sie bekannt geworden. 22 Jahre war sie als Bibliothekarin bei der Nationalbibliothek Teheran tätig. Seit dem Jahr 2000 hat sie u. a. an der Konzipierung und Realisierung der Wanderbibliotheken für Frauen und Kinder mitgewirkt und zu diesem Zweck erfolgreich mit iranischen und internationalen Organisationen wie zum Beispiel UNICEF zusammengearbeitet.
Seit dem Jahr 2008 hat sie sich auf den Vorschlag Shirin Ebadis hin für die Gründung eines Frauenmuseums im Iran eingesetzt, das noch in der Anfangsphase seiner Realisierung verboten wurde. Am 27. Dezember 2009 wurde sie zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren verhaftet. Nach einem Monat Haft kam sie gegen Zahlung einer hohen Kaution wieder frei und durfte nach Beendigung eines vierjährigen Ausreiseverbots das Land verlassen. Seitdem lebt und arbeitet sie in Deutschland.
Gründe für Nürnbergs Engagement
Nürnbergs Geschichte während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft bedeutet eine besondere Verantwortung für die Stadt - auch und insbesondere gegenüber Autoren und Intellektuellen. Ganze Kunstrichtungen wurden für "entartet" erklärt, Künstler in die Emigration gezwungen, verhaftet oder umgebracht und ihre Werke vernichtet.
So musste auch Hermann Kesten, der prominenteste Nürnberger Schriftsteller, vor nationalsozialistischer Verfolgung ins Ausland fliehen. Von dort konnte er zahlreichen verfolgten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum helfen. Es ist deshalb posthum als besondere Würdigung der Menschlichkeit Hermann Kestens durch seine Heimatstadt zu verstehen, dass sich Nürnberg bemüht, jenes mutige Engagement des verstorbenen Ehrenbürgers fortzuführen und verfolgten Schriftstellern eine Stätte der Zuflucht zu sein. Möglich ist dies nicht zuletzt dank der großzügigen Unterstützung der wbg gruppe Nürnberg, die den Stipendiaten eine Wohnung zur Verfügung stellt.