Mann sieht über eine Mauer

Bürgermeisterin Geschäftsbereich Kultur

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2008: 1000 x kopiert. 500 Jahre Dürers Betende Hände

Silhouette der Betenden Hände, Bild © Bild: Kulturreferat

Ausstellung vom 22. November bis 21. Dezember 2008

Kitsch oder Kunst? Billiges Andenken oder religiöses Symbol? Massenhaft hingen die Betenden Hände in deutschen Wohnzimmern. Dürers Zeichnung von 1508 hat als dreidimensionale Replik eine beispiellose Karriere gemacht, die beinahe unerforscht blieb.

Granit Ornament der Betenden Hände © Alexas_Fotos / pixabay.com

Die Ausstellung "1000 x kopiert" spürte den Gründen dieser Erfolgsgeschichte nach und erläuterte die Fakten zu dem grafischen Meisterwerk. Wer weiß schon, dass Dürer das Blatt nie betitelte und die Betenden Hände lediglich eine von 18 Vorstudien für den Helleraltar waren?

    Jahrhunderte lang blieben die Betenden Hände unbekannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich plötzlich ein regelrechter Boom. Als Weihwasserbecken, Wandschmuck oder Bucheinbanddekor wurden die Betenden Hände für die einen zum Inbegriff der Frömmigkeit, für die anderen zum Sinnbild für "Kitsch".

    Als besonders spannender Bestandteil der Ausstellung wurdendie Ergebnisse einer Befragungs- und Sammelaktion unter Besitzern von Betenden Händen vorgestellt, die gemeinsam mit dem Germanischen Nationalmuseum stattfand. Menschen aus ganz Deutschland erzählten, wie wichtig die Stücke für ihr Leben sind. Mit ihren persönlichen Geschichten erlaubten sie erstmals ein umfassendes Verständnis für die enorme Popularität von Dürers Zeichnung.

    Auch die zeitgenössische Kunst hat sich häufig mit den Betenden Händen beschäftigt, so z.B. Timm Ulrichs in den 1960er Jahren oder Klaus Staeck 1970 mit seiner kritischen Zeichnung "Zur Konfirmation". Für den aktuellen Umgang mit dem Thema standen speziell für die Ausstellung konzipierte Arbeiten der Nürnberger Künstler Anders Möhl, Markus Putze und Fredder Wanoth.

    Veranstalter

    Kulturreferat der Stadt Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum und Kunsthaus in Kooperation mit den Museen der Stadt Nürnberg und dem Kunst- und Kulturpädagogischen Zentrum der Museen in Nürnberg

    Gestaltung

    rose pistola, Büro für Gestaltung und nowhere Architekten

    Die Veranstaltungen zu "500 Jahre Dürers Betende Hände" wurden von der Sparkasse Nürnberg gefördert.

    Ausstellungseröffnung

    Freitag, 21. November, 2008 19 Uhr, KunstKulturQuartier, Festsaal, Königstraße 93

    Eröffnung der Ausstellung mit:

    • Prof. Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste Berlin
    • Prof. Dr. Julia Lehner, Kulturreferentin der Stadt Nürnberg
    • Dr. Daniel Hess, Stellvertreter des Generaldirektors des Germanischen Nationalmuseums
    • Dr. Matthias Everding, Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse
    • Robert Günther, trägt die Betenden Hände als Tätowierung und nahm an der Befragungsaktion im Vorfeld der Ausstellung teil

    Informationen zu Albrecht Dürers "Betenden Händen"

    Das Urbild von Dürers "Betenden Händen" entstand im Jahr 1508. Dürer plante damals ein großes Altarwerk für eine Frankfurter Kirche und bereitete diesen "Heller-Altar" mittels vieler Zeichnungen von Köpfen und Gewändern, Füßen – und eben auch gezeichneten Händen der Dargestellten vor. Die "Betenden Hände" gehören einem Apostel jenes Heller-Altars, der betend der Himmelfahrt Mariens beiwohnt. Dürers Händezeichnung hat die Größe eines heutigen Blattes Briefpapier. Ziel dieser und weiterer Studien war es, die Darstellung der menschlichen Hand zu perfektionieren. Dürer zeichnete sie mit immens feinen Pinselstrichen in Grau und Schwarz. Lichtschimmer erzeugte er mit weißer Deckfarbe, den Grund bildet blau gefärbtes Papier. Das brillante Meisterwerk der Zeichenkunst gehört seit 1796 zum Gründungsbestand der Grafischen Sammlung "Albertina" in Wien.

    Jahrhunderte lang war diese heute so berühmte Zeichnung ziemlich unbekannt geblieben. Ihren Siegeszug trat sie erst im 20. Jahrhundert an, zuerst als grafische Reproduktion in Kunstsammelbänden, als Postkarten- oder Kalenderblattmotiv; seit etwa 1930 in unendlich vielen dreidimensionalen Umwandlungen, besonders als Relief, vom Weihwasserbecken über Wandschmuck bis zum Bucheinbanddekor.

    2008 standen die "Betenden Hände" im Mittelpunkt der Aktivitäten der Dürer-Stadt Nürnberg. Eine Recherche sammelte weltweite Beispiele, eine Ausstellung vermittelte Einblicke in ihre Entstehungsgeschichte und präsentierte die Vielfalt ihrer Rezeption. Der Besucher durfte sich seine eigene Position bilden und die "Betenden Hände" frei ansiedeln: Zwischen Kitsch und Nostalgie, Banalität und Pietät, zwischen ethnologischem Phänomen und moderner Frömmigkeit.


    Befragung


    Podiumsdiskussion

    1000 x kopiert ... ist 1000 x auch nichts passiert? Auf der Suche nach Sinn.

    Eine Diskussion anlässlich des 500. Jubiläums der Betenden Händen über den Megatrend Spiritualität, die Suche der Menschen nach Schutz und Geborgenheit sowie den Sinn der kleinen überirdischen Helfer im Alltag, ob Christophorus-Plakette im Auto, Betende Hände im Schlafzimmer oder lateinamerikanische Sorgenpüppchen in der Handtasche.

    Es diskutierten:

    • Prof. Dr. Wolfgang Brückner, Würzburg, em. Ordinarius für Deutsche Philologie und Volkskunde. Experte für religiöse Volkskunst in der BR-Sendung "Kunst & Krempel". Gutachter für Fragen wie "Was sucht Religion im Museum?".
    • Prof. Johanna Haberer, Professorin für evangelische Publizistik, Vizepräsidentin der Universität Erlangen-Nürnberg. Gehört zum Sprecherkreis der ARD-Sendung "Wort zum Sonntag".
    • Dr. Siegfried Grillmeyer, Leiter der katholischen Stadtakademie (CPH)
    • Willi Stöhr, Leiter der evangelischen Stadtakademie (Moderation)

    Dürer-Vorträge

    Die traditionellen Dürer-Vorträge widmeten sich 2008 ebenfalls dem Thema "Betende Hände". Dürer-Spezialisten aus aller Welt hierlten ihre Vorträge hierzu am Samstag, den 22. November 2008, im Albrecht-Dürer-Haus.