75 Jahre Kriegsende in Nürnberg
"Nürnberg als Stadt nicht mehr vorhanden! … Tödliche Stille lastet über den meilenweiten Ruinen, durch die tagelang der Lärm der Schlacht hallte." Das berichteten US-amerikanische Kriegsreporter an ihre heimischen Zeitungen am 20. April 1945. An diesem Tag endete für die Stadt Nürnberg und die verbliebenen Einwohner der Zweite Weltkrieg. Jedem deutlich vor Augen geführt wurde der Untergang des NS-Regimes mit der Sprengung des Hakenkreuzes auf der Zeppelintribüne am 22. April 1945. Warum war für die US-Armee aber gerade dieser Ort so wichtig? Warum sind die Filmaufnahmen von der Sprengung bis heute weltbekannt? Warum müssen diese Spuren der Geschichte auch in Zukunft für kommende Generationen sichtbar gemacht und bewahrt werden? Mit einer eigenen Themenseite erinnert der Geschäftsbereich Kultur der Stadt Nürnberg an die damaligen Ereignisse.
Historische Spurensuche
Das neue Vermittlungskonzept des Geschäftsbereichs Kultur, das am 13. März 2020 im Kulturausschuss des Nürnberger Stadtrats vorgestellt wurde, beinhaltet eine solche historische Spurensuche an der Zeppelintribüne und auf dem Zeppelinfeld. Thematisch wird dabei nicht nur die NS-Zeit mittels der vorhandenen Bauten und weiterer Relikte erklärt, sondern auch die Zeit des Umgangs damit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Heute wird die bauliche Gestalt und unser Blick auf Zeppelintribüne und Zeppelinfeld durch beide Phasen bestimmt – die Geschichte des Nationalsozialismus und die "zweite Geschichte" vom Umgang damit. Dieser beginnt in Nürnberg unmittelbar mit dem 20. April 1945.
Nürnberg und die letzten Monate des Zweiten Weltkrieges
Am 20. April 2020 jährt sich das Ende des Zweiten Weltkrieges für Nürnberg zum 75. Mal. Darüber hinaus dauerten die Kämpfe in Deutschland noch gut zwei Wochen an, bevor am 8./9. Mai 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht der Krieg in Europa zu Ende ging. Der Ausgang des von Deutschland 1939 begonnenen rasseideologischen Eroberungs- und Vernichtungskrieges war auch für die Bewohner Nürnbergs keine Überraschung mehr. Das Kriegsgeschehen hatte sich längst gegen das Urheberland gerichtet. Nach bereits mehreren Bombenangriffen hatte der schwerste davon am 2. Januar 1945 die gesamte Nürnberger Altstadt zerstört. Das Stadtarchiv Nürnberg hat diese Ereignisse in Band 33 der "Quellen und Forschungen zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg" ausführlich dokumentiert:
Weitere Informationen hierzu bietet zudem das Haus der Bayerischen Geschichte online:
Die Medienwerkstatt Franken hat 2013 Nürnberger Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu ihren Erinnerungen an die letzten Jahre des Zweiten Weltkrieges und das Kriegsende befragt gehabt und filmisch festgehalten:
Für das Nürnberger Menschenrechtszentrum hat Dr. Rainer Huhle die Veränderung des Erinnerns an die Bombenangriffe auf Deutschland kritisch betrachtet:
Weitestgehend unbeschädigt von den Luftangriffen auf Nürnberg blieb das Reichsparteitagsgelände im Südosten der Stadt. Insbesondere die US-Armee wusste um die symbolische Wirkung des Geländes, wo sich zwischen 1933 und 1938 jährlich das NS-Regime und speziell ihr "Führer" Adolf Hitler inszeniert hatten. Die Propagandabilder von den Massenaufmärschen und Hitler-Ansprachen waren in Film und Fotografie im In- und Ausland verbreitet worden.

Propagandapostkarte mit fertiggestellter Zeppelintribüne und Zeppelinfeld aus dem Jahr 1937. (Quelle: Stadtarchiv Nürnberg A 5-4667)
Erste Einheiten der US-Armee hatten das Stadtgebiet von Osten kommend bereits am 16. April 1945 erreicht. Am nächsten Tag rückten sie bis zum Reichsparteitagsgelände vor. Bei dem Versuch, gemeinsam mit SS-Angehörigen und "Volkssturm" eine Verteidigungslinie zwischen Kongresshalle und Luitpoldarena aufzubauen, starb auch ein erst 14jähriger Fähnleinführer der Hitlerjugend.
Auf dem Reichsparteitagsgelände befreite die US-Armee 14.000 ausländische Kriegsgefangene, die seit Kriegsbeginn 1939 in Lagern im Bereich Langwasser untergebracht waren. Nur wenige Wochen davor waren dort noch über 300 sowjetische Kriegsgefangene an Typhus, Hunger und Kälte zugrunde gegangen. Das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände hat die Geschichte des Areals im Zweiten Weltkrieg ausführlich erforscht und dokumentiert:
Nürnbergs Bilanz am Ende des Zweiten Weltkrieges
Entwicklung der Einwohnerzahl: 420.349 Menschen im Jahr 1939 > 196.270 Menschen im Jahr 1945
Zerstörungen im Jahr 1945: 91% aller Gebäude beschädigt, davon 13,6% schwer und 38,8% total zerstört
Tote der letzten Kämpfe: 140 US-Soldaten, 397 Deutsche verschiedener Militäreinheiten, 371 Zivilpersonen
Auf Grund der internationalen Bekanntheit der nationalsozialistischen Parteitagsbauten verwundert es nicht, dass schon kurze Zeit nach dem Ende der Kämpfe in Nürnberg die Zeppelintribüne in den Mittelpunkt des Geschehens rückte. Bis auf geringe Brandschäden hatte das in der NS-Zeit geplante, fertiggebaute und während der Reichsparteitage genutzte Bauwerk den Zweiten Weltkrieg nahezu unbeschadet überstanden.
In Nürnberg endete die nationalsozialistische Herrschaft am 20. April 1945 gegen 23 Uhr mit der Niederschlagung des letzten organisierten Widerstands im Polizeipräsidium am Jakobsplatz. Kurz zuvor hatte bereits am heutigen Hauptmarkt eine erste Siegesparade der US-Armee stattgefunden. Symbolisch wichtiger war jedoch zwei Tage später, am 22. April 1945, die Wiederholung der Siegesfeier vor der Zeppelintribüne. An diesem Sonntag wurden nicht nur Orden an US-Soldaten verliehen, die sich bei der Eroberung Nürnbergs bewährt hatten, sondern im Anschluss an eine erneute Parade auch das vergoldete Hakenkreuz auf dem Mittelbau der Zeppelintribüne gesprengt. Im noch andauernden Krieg wurde dieser Akt der Überwindung des NS-Regimes ausgerechnet auf dem Reichsparteitagsgelände als dessen weltbekannter Schaubühne filmisch festgehalten und verbreitet.
Die auch heute noch weltbekannten Bilder der Hakenkreuz-Sprengung ordnet Dr. Siegfried Grillmeyer, Leiter der Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus, aus persönlicher Sicht ein:
Vom Zeppelinfeld zum "soldiers' field"

Auf der früheren Rednerkanzel Hitlers feixen US-Soldaten im Jahr 1946. Das Paar davor hält seinen Aufenthalt auf der Zeppelintribüne als Fotografie fest. Dahinter ist mit einem weißen A in einem blauen Kreis mit rotem Rand das Symbol der 3. US-Armee zu sehen, wovon einzelne Einheiten zeitweise in Nürnberg stationiert waren. (Quelle: Stadtarchiv Nürnberg A 65-I-RA-880)
An diesem Sonntag im April begann gleichermaßen die amerikanische Geschichte des Geländes. Bis 1995 nutzte die US-Armee die frühere SS-Kaserne an der Allersberger Straße unter dem Namen "Merrell Barracks". Das Zeppelinfeld wurde als "soldiers' field" zum Ort für Sport und Freizeit – eine Nutzung, die bis heute andauert. Der historische Ort Zeppelinfeld steht damit für eine Entwicklung, die in den unmittelbaren Nachkriegsjahren in der allgemeinen Wahrnehmung einer sowjetischen Bedrohung nicht nur in Nürnberg aus vormaligen Besatzern Beschützer im Kalten Krieg werden ließ.

Football-Spiel zwischen zwei Armee-Teams auf dem nun "soldiers' field" genannten Zeppelinfeld im Jahr 1952. (Quelle: Jahrbuch zum "117th Anniversary of the 2nd Armored Cavalry", o.O.u.J., S. 6.)
Die Veränderung des Erinnerns an das Kriegsende in Nürnberg stellte Dr. Eckart Dietzfelbinger, ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände, in das Zentrum eines Vortrags im Caritas-Pirckheimer-Haus im Jahr 2016:
Über die Geschichte der Zeppelintribüne und des Zeppelinfelds informieren vor Ort auch die Stationen 7, 8 und 14 des im Jahr 2006 installierten Geländeinformationssystems ehemaliges Reichsparteitagsgelände:
Zeppelintribüne und Zeppelinfeld als Erinnerungsorte an das Kriegsende
In Rundgängen und Seminarprogrammen, die über das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände gebucht werden können, informieren die Partnerinnen und Partner des dortigen Studienforums auch über diesen Teil der Ortsgeschichte. Das Kriegsende in Nürnberg, den darauffolgenden baldigen demokratischen Neuanfang in der Stadt und die unmittelbar danach beginnende Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände bewerten sie für die pädagogische Arbeit folgendermaßen:
Weitere äußere Veränderungen an der Zeppelintribüne, die nun die Stadt Nürnberg in den 1960er und 1970er Jahren vornahm, stellten in den folgenden Jahren die Sprengung der Pfeilergalerie und der Rückbau der beiden Endpylonen dar. Sichtbare Spuren der US-Zeit sind bis heute beispielsweise die Heimspiele des Football-Teams Noris Rams am Zeppelinfeld, aber auch die Fahnenstangen eines früheren Baseballfangnetzes an der Südwestecke. Pragmatisch hatten die neuen amerikanischen Nutzer des Geländes hierzu die früheren Fahnenmasten der 34 Feldtürme verwendet.
Seit 2011 erinnert daher ausgerechnet an der Zeppelintribüne eine Gedenkplakette an die US-Einheiten, die Nürnberg am 20. April 1945 vom Nationalsozialismus befreiten. Das Kriegsende ist der Ausgangspunkt für den wenig später beginnenden demokratischen Aufbruch in Stadt und Land.

Die 2011 im Beisein von Veteranen offiziell von der Stadt Nürnberg angebrachte Gedenktafel an der Zeppelintribüne. (Quelle: Stadtarchiv Nürnberg A 96-2576)
Weiterführende Informationen
Weiterführende Links zu Einrichtungen und Bildungsträgern in Nürnberg, die über die NS-Zeit und ihre Folgen informieren sowie Vermittlungsangebote bereithalten:
Auch im Zuge der Bewerbung der Stadt Nürnberg als Kulturhauptstadt Europas im Jahr 2025 spielt die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit und deren Folgen eine wichtige Rolle. Die Entwicklungen an Zeppelinfeld und Zeppelintribüne sind ebenso Strukturprojekte der Bewerbung wie die Kongresshalle auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände im Themenbereich "Menschlichkeit als Maß".
Die Themenseite wird stetig erweitert. Aktueller Stand: 22.04.2020.