Nationales Erbe
Der Ort
Das Zeppelinfeld mit seiner 370 Meter langen Haupttribüne, umschlossen von einer Wallanlage mit 34 Türmen, ist der einzige in der NS-Zeit geplante, fertiggebaute, genutzte und heute noch größtenteils erhaltene Ort des historischen Reichsparteitagsgeländes.
Er steht für ein diktatorisches Regime, das die Welt in einen verheerenden Krieg stürzte und mit dem systematischen Mord an sechs Millionen Juden und vielen weiteren Menschen ein unvorstellbares Verbrechen in die Menschheitsgeschichte eingeschrieben hat. Die dort zwischen 1933 und 1938 jährlich stattgefundene Selbstinszenierung des NS-Staates, seiner menschenverachtenden Ideologie und der Person Adolf Hitlers sind insbesondere durch die Täterperspektive ins kollektive Gedächtnis übergegangen. Bilder des sog. "Lichtdoms" oder propagandistische Filmdokumente Leni Riefenstahls zeugen davon.
Der Umgang mit dem Bauwerk nach 1945 steht exemplarisch für die Phasen der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seiner Verbrechen in der Bundesrepublik.
Die nationale Aufgabe
Der Umgang mit dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände ist eine nationale Aufgabe. Die Bundesregierung und der Freistaat Bayern haben dies durch ihre Förderzusage für die auf 85,1 Mio. Euro mit einer Laufzeit von bis zu zwölf Jahren bezifferte Maßnahme unterstrichen. Der Bund trägt 50% der Investitionskosten, Freistaat Bayern und Stadt Nürnberg jeweils 25%.
Deutschlandweite Anerkennung
Nürnberg ist ein wichtiger Ort der internationalen Zeitgeschichte. Jedes Jahr kommen mehrere hunderttausend Besucherinnen und Besucher aus aller Welt in die Stadt, um sich an den historischen Stätten über deren Geschichte informieren zu lassen. Dass es sich bei den Bauten auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände um bedeutende Zeugnisse deutscher Geschichte handelt, formulierte die Bundesregierung so:
"Angesichts der enormen Wissensdefizite bei Jugendlichen über die beiden deutschen Diktaturen im 20. Jahrhundert gilt es, wirksame Mittel für eine bessere Wissensvermittlung wie die schulische und außerschulische politische Bildung zu nutzen. Authentischen Orten, wie beispielsweise dem ehemaligen 'Reichsparteitagsgelände' in Nürnberg, kommt eine wesentliche Funktion für die Geschichtskultur in Deutschland zu, die gemeinsam mit dem jeweiligen Land erhalten und genutzt werden soll."
Deutschlandweite Anerkennung finden die Anstrengungen zur Vermittlung historischer Zusammenhänge und die Aufklärung über die nationalsozialistischen Reichsparteitage und die dafür errichteten Herrschaftsbauten durch die kontinuierliche erinnerungskulturelle Arbeit auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände, im Memorium Nürnberger Prozesse und im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände.
Das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände wurde als "Premiumprojekt" im Rahmen des Förderprogramms "Nationale Projekte des Städtebaus" ausgezeichnet. Am 28. Juni 2017 übergaben Frau Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks und Herr Parlamentarischer Staatssekretär Florian Pronold in Berlin die Förderurkunde an Herrn 2. Bürgermeister Christian Vogel und Frau Kulturreferentin Professorin Dr. Julia Lehner. Damit übernimmt der Bund 7,0 Millionen Euro an den Gesamtkosten von 15,3 Millionen Euro des Ausbauvorhabens. Die Erweiterung von Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Serviceflächen ist notwendig geworden, nachdem die 2001 prognostizierte maximale Besucherzahl von 100.000 Personen im Jahr mittlerweile mit jährlich 275.000 Besucherinnen und Besuchern deutlich übertroffen wird. Der Ausbau ist für die Jahre 2020–2022 anvisiert.
Nürnberg als Ort der Zeitgeschichte – zu Gast in Berlin
Die Stadt Nürnberg wurde immer wieder gebeten, seine erinnerungskulturelle Arbeit vorzustellen. Am 23. März 2017 stellte die Stadt Nürnberg die zeitgeschichtlich bedeutsamen Nürnberger Stätten (ehemaliges Reichsparteitagsgelände, Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, Memorium Nürnberger Prozesse) vor rund 200 Gästen aus Politik und Gesellschaft in der Bayerischen Vertretung in Berlin vor.
Neben Oberbürgermeister Dr. Maly diskutierten über Chancen und Herausforderungen einer zukunftsgerichteten Erinnerungskultur am historischen Ort Reichsparteitagsgelände der jetzige Ministerpräsident Dr. Markus Söder, der Historiker Professor Dr. Eckart Conze (Philipps-Universität Marburg) und der Völkerrechtler Professor Philippe Sands (University College London). Moderiert wurde die Runde von NN-Chefredakteur Michael Husarek.
Nürnberg als Ort der Zeitgeschichte – internationale Perspektive
Wie geht eine Stadt mit ihrer Vergangenheit um? Wie geht Europa mit der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts um? Nürnberg intensiviert seine internationalen Kontakte und tritt in einen intensiven Austausch mit europäischen Fachleuten.
Nach einem Arbeitsbesuch der EU-Expertengruppe zum Kulturtourismus im Februar 2018, bei dem sich Kulturexpertinnen und -experten aus 15 europäischen Ländern vor Ort über die Nürnberger Erinnerungsarbeit informierten, hat sich Nürnberg als Ort der Zeitgeschichte auch in Brüssel vorgestellt.
Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly und andere hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Kultur diskutierten am 1. März 2018 in der Vertretung des Freistaates Bayern bei der EU in Brüssel über die Notwendigkeit eines gemeinsamen kritischen Umgangs mit der europäischen Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts, über zukunftsgerichtete historisch-politische Bildungsarbeit und darüber, welchen Beitrag Nürnberg angesichts der Krise der EU leisten kann. In einem angeregten Gespräch mit dem Publikum ging es auch um die Frage, welche Rolle die Erinnerungskultur im Rahmen der Nürnberger Kulturhauptstadt-Bewerbung spielen soll.
Auf dem Podium saßen Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly, der Bayerische Staatsminister für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, Dr. Ludwig Spaenle, der englische Professor für Modere Europäische Geschichte, Prof. Neil Gregor (Southampton), und die internationale Kulturexpertin, EU-Beauftrage und Leiterin der Region Südwesteuropa für das Goethe-Institut, Susanne Höhn. Moderiert wurde die Diskussion von Prof. Dr. Charlotte Bühl-Gramer, Inhaberin des Lehrstuhls für Didaktik der Geschichte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly und Kulturreferentin Prof. Dr. Julia Lehner skizzierten die Phasen der Nürnberger Erinnerungsarbeit, deren Verankerung in der Bevölkerung sowie die baulichen und inhaltlichen Herausforderungen an den Erhalt und die Vermittlung historischer Orte wie dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände oder dem Schwurgerichtssaal 600 im Nürnberger Justizpalast. Entsprechende Fragen stellen sich in einer Zeit des zunehmenden Verlustes der Zeitzeugen und diverser werdender Biographien der Besucherinnen und Besucher mit teils eigenen Gewalt- und Diktaturerfahrungen immer drängender.
Lob gab es dabei vom ehemaligen bayerischen Kultusminister Dr. Ludwig Spaenle. Er betonte: "Nürnberg schreitet mutig voran". Im Umgang mit seiner eigenen Vergangenheit sei die Stadt "maßstabsetzend" und habe es gleichzeitig geschafft, das historische Erbe zukunftsgerichtet "zu wenden". Gerade das Thema des zukunftsgerichteten Umgangs mit der NS-Vergangenheit sei ein besonderes Zeichen der Nürnberger Kulturhauptstadt-Bewerbung.
Wie sehr diese Thematik internationale Beachtung findet, machte die Kulturexpertin Susanne Höhn vom Goethe-Institut deutlich. Fragen des Umgangs mit der NS-Zeit seien integraler Bestandteil der Arbeit ihrer Einrichtung und haben Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg weltweit die Glaubwürdigkeit zurückgegeben. Aus der universitären Praxis berichtete Professor Neil Gregor (Southampton), dass in seinen Seminaren englische Studenten viele Fragen nach Rassismus, Nationalismus oder Demokratiefeindschaft stellen würden. Seiner Meinung nach sei gerade "Nürnberg eine geeignete Plattform, um über Antworten zu sprechen, aber auch darüber wie die Transition von einem Genozid zu einer Demokratie verlaufen kann."
Der kritische und engagierte Umgang der Stadt Nürnberg mit ihrer NS-Vergangenheit, die Weiterentwicklung des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände, des Memoriums Nürnberger Prozesse und der progressive Ansatz einer zukunftsgerichteten historisch-politischen Bildungsarbeit stießen auch beim anwesenden europäischen Publikum auf großes Interesse und intensiven Gesprächen.