Vermittlungskonzept

Der historische Ort und seine Vermittlung

Der Erhalt der Bauten auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände, speziell der Zeppelintribüne und des Zeppelinfelds, im heutigen Zustand ist die Prämisse zur Entwicklung dieses wichtigen Lernorts der deutschen Geschichte. Je weniger Zeitzeugen über die NS-Zeit berichten können, desto bedeutender werden historische Orte für die Vermittlung historisch-politischer Bildung, hier insbesondere über den Nationalsozialismus und seine Propagandatechniken. Sie sind zudem ein wichtiges Zeugnis für die Entwicklung einer demokratischen Erinnerungskultur in der Bundesrepublik Deutschland.

Das Konzept

Besucherinnen und Besucher sollen zukünftig über die Geschichte des Ortes vor 1933, seine Nutzung und Bedeutung während der NS-Zeit und über das Ringen mit dem Umgang nach 1945 informiert werden. Dies geschieht z.B. durch eine neue Ausstellung im bisher verschlossenen Mittelbau der Zeppelintribüne (im sog. "Goldenen Saal" und seinen Nebenräumen), am Beispiel eines erstmals geöffneten Treppenhauses der Tribüne, in einem Feldturm oder an verschiedenen Orten auf der Tribüne (z.B. Rednerkanzel) und auf dem aktuell abgesperrten Zeppelinfeld. Erst durch den Rundgang über das gesamte Ensemble und die Öffnung nicht zugänglicher Bereiche wird das von den Nationalsozialisten hier exerzierte Prinzip des "Führer"-Mythos oder der ganze Bevölkerungsgruppen ausgrenzenden "Volksgemeinschaft" verstehbar. Hier wurde keine Politik gemacht, sondern mit geschickter Inszenierung an die Gefühle der Teilnehmenden und Zuschauenden appelliert. Zeppelintribüne und Zeppelinfeld werden als "begehbares Exponat" zu einem visuell wie haptisch erfahrbaren und betretbaren "Geschichtsbuch".

Wesentliches Anliegen ist es, Besucherinnen und Besucher unter dem Leitgedanken "Was hat das mit mir zu tun?" zu einer Reflexion des Gesehenen im Hinblick auf die eigene Lebenswelt zu ermutigen, das Erstarken autokratischer Strukturen, rechtsextremer Provokationen oder auch die Wirkweise von Fake News zu hinterfragen. Hierfür werden neuartige Vermittlungsstationen, sogenannte "Reflexionspunkte" auf dem Gelände installiert.

Als zentrale Anlaufstelle, die sowohl grundlegende Fakten vermittelt als auch Auskunft über Besuchsmöglichkeiten des ca. 180.000 qm großen Geländes geben soll, fungiert ein neu errichteter Informationspavillon.

Die bisherige Doppelnutzung auch als Freizeit- und Sportgelände ist Bestandteil der Konzeption und ermöglicht individuelle Formen demokratischer Aneignung des Geländes. Die Bürgerschaft erhält in großem Maße über Jahrzehnte entzogene Grünflächen zurück. Das Miteinander, ob informell oder z.B. mit temporären künstlerischen Interventionen setzt einen starken Kontrast zu Bildern des inszenierten uniformierten Massenaufmarsches.

An diesem Lern- und Begegnungsort entsteht eine neue Dimension der Bildungsarbeit als erweiterte Teilhabe, nämlich die seltene Chance, sich Spaziergängerinnen und Spaziergängern, Picknickenden oder Erholungssuchenden mit historischer Information "in den Weg zu stellen" und so auch Menschen zu erreichen, die sich vielleicht nie für einen Museumsbesuch entscheiden würden.

Das Vermittlungskonzept wird in den kommenden Jahren stetig weiterentwickelt und durch einen 2019 neuberufenen unabhängigen Wissenschaftlichen Beirat begleitend überprüft. Am 13. März 2020 wurden erste Details im Kulturausschuss des Nürnberger Stadtrats vorgestellt. Die Ausschussvorlage steht hier zum Download zur Verfügung:

Leitgedanken zum künftigen Umgang der Stadt Nürnberg mit dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände

Am 19. Mai 2004 hat der Stadtrat die Leitlinien zum künftigen Umgang der Stadt Nürnberg mit dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände beschlossen. Ziel ist es, die Bauten in ihrem heutigen Aussehen zu bewahren und ihre geschichtspädagogische Vermittlung zu verbessern. Weder Verfall noch Rekonstruktion sind angestrebt. Die Stadt möchte damit auch künftigen Generationen die Chance geben, ihren eigenen Weg des Umgangs zu finden.

Entwicklung des Konzepts

Am 8. Juli 2015 nahm der Nürnberger Stadtrat das vom Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände erarbeitete Positionspapier zum ErfahrungsRaum Reichsparteitagsgelände Nürnberg als "Diskussionsgrundlage für die geschichtskulturelle Auseinandersetzung aus der Vermittlungsperspektive" einstimmig an. Neue Elemente sollen das bestehende Geländeinformationssystem erweitern. Sie ergänzen die im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände gewährleistete kognitive Auseinandersetzung mit dem Gelände im Speziellen und der NS-Zeit im Allgemeinen. Die "Diskussionsgrundlage" war die Grundlage für weitere Überlegungen zu einer zukunftsgerichteten Bildungs- und Vermittlungsarbeit gelegt werden.

Am 6. Juli 2016 verabschiedete der Nürnberger Stadtrat ein Nutzungs- und Vermittlungskonzept, das die Grundlagen für die historische Bildungsarbeit auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände mit besonderem Fokus auf die Zeppelintribüne und das Zeppelinfeld sowie das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände legt. Das Dokumentationszentrum wird in den nächsten Jahren erweitert und die Ausstellung überarbeitet werden.

Am 27. Juli 2016 stimmte der Nürnberger Stadtrat der baulichen Sicherung des aktuellen Zustands der Zeppelintribüne und des Zeppelinfeldes zu. Hierin wird der bauliche Umgang mit der Herausforderung, den historischen Ort nicht zu "verschönern" oder zu restaurieren, sondern in seinem jetzigen Zustand nachhaltig zu sichern, um ihn auch kommenden Generationen für eine Auseinandersetzung mit der Geschichte zugänglich zu machen, detailliert dargelegt. Weiterhin wurden mit Fachleuten im In- und Ausland intensiv an der Konzeption weitergearbeitet.

Besucherbefragung und -beobachtung auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände

Die erste Befragung und Beobachtung von Besucherinnen und Besuchern auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände, die nicht an geführten Rundgängen teilnahmen, lieferte teilweise überraschende Ergebnisse. Durchgeführt wurde die wissenschaftliche Untersuchung im Auftrag des Geschäftsbereichs Kultur durch den Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg unter der Leitung von Frau Professor Dr. Charlotte Bühl-Gramer.

In der ersten Jahreshälfte 2019 wurden die Ergebnisse in der Schriftenreihe des Kulturreferats veröffentlicht.

Die Motive der befragten Besucherinnen und Besucher für ihr Kommen, die internationale Herkunft und die Erwartungen an die künftige Entwicklung des Geländes liegen nun erstmals auf empirischer Grundlage vor. Anhand dieser Erkenntnisse kann der Geschäftsbereich Kultur weitere konkrete Schritte für die künftige Nutzung und Vermittlung am historischen Ort Reichsparteitagsgelände entwickeln.

Ein Vorabbericht und die Pressemitteilung der Stadt Nürnberg zu den Ergebnissen sind unter nachstehenden Links verfügbar:

Symposium „Erhalten! Wozu? Perspektiven für Zeppelintribüne/-feld und das ehemalige Reichsparteitagsgelände“ am 17. und 18. Oktober 2015

Einen zentralen Beitrag zu den konzeptionellen Überlegungen leistete das Symposium "Erhalten! Wozu?".

Wozu aber sollen Zeppelintribüne und Zeppelinfeld im heutigen Zustand künftigen Generationen bewahrt werden und wie kann eine plurale und zukunftsgerichtete Auseinandersetzung mit diesen Bauten aussehen? Das sind Fragen, die nicht nur in Nürnberg diskutiert werden, sondern auch weit darüber hinaus.

Die Stadt Nürnberg lud daher am 17. und 18. Oktober 2015 zu einem öffentlichen Symposium ins Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände ein. International anerkannte Expertinnen und Experten diskutierten zwei Tage lang aus verschiedenen Blickwinkeln über den künftigen Umgang mit Zeppelintribüne, Zeppelinfeld und den anderen Bauten auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände.

Teilnehmer am Symposium "Erhalten! Wozu? Perspektiven für Zeppelintribüne/-feld und das ehemalige Reichsparteitagsgelände"

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Hintere Reihe von links nach rechts: Prof. Dr. Paul Zalewski, Prof. Dr. Christoph Cornelißen, Prof. Dr. Ulrich Herbert, Prof. Dr. Kurt Messmer, Jörg Heiser, Heinz Peter Schwerfel. Vordere Reihe von links nach rechts: Prof. Dr. Michael Verhoeven, Dr. Ulrike Jureit, Prof. Dr. Birthe Kundrus, Gerhard W. Steindorf, Prof. Dr. Stefanie Endlich, Prof. Dr. Neil Gregor, Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly, Kulturreferentin Prof. Dr. Julia Lehner, Prof. Dr. Christian Kuchler, Generalkonservator Mathias Pfeil, Prof. Dr. Winfried Nerdinger, Prof. Dr. Volkhard Knigge.

Diskussionsrunde pädagogische Methoden

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Das Symposiumsthema wurde aus architektonisch-denkmalpflegerischer, pädagogischer, künstlerischer sowie historisch-geschichtskultureller Perspektive beleuchtet und diskutiert. Hier tauschen sich über moderne pädagogische Methoden an außerschulischen Lernorten von links nach rechts aus: Prof. Dr. Kurt Messmer, Prof. Dr. Christian Kuchler, Moderator Alexander Jungkunz, Dr. Ulrike Jureit, Prof. Dr. Volkhard Knigge.

Alle Beiträge des Symposiums können auch im zweiten Tagungsband der "Schriften des Kulturreferats der Stadt Nürnberg" nachgelesen werden. Sie erhalten ihn im Geschäftsbereich Kultur der Stadt Nürnberg.

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